Ab in den Norden: Weinberg von Balthasar Ress auf Sylt

Wer in Deutschland durch Weinberge stromern will, der fährt in die Pfalz. Oder ins Rheingau. Oder eben nach Rheinhessen oder in eins der anderen Weinanbaugebiete. Schleswig-Holstein hat man da normalerweise nicht so auf dem Schirm. Aber auch dort findet man den ein oder anderen Weingarten – teilweise sogar von sehr bekannten Herstellern. Beispiel gefällig? Gut, dann schauen wir uns die 0,3 Hektar, die das Weingut Balthasar Ress in Keitum auf Sylt bewirtschaftet, einmal genauer an.

 

Zugegeben, wer nicht weiß, dass in Keitum Wein angebaut wird, der fährt an der kleinen Fläche vom Weingut Balthasar Ress, das übrigens in fünfter Generation von Christian Ress geführt wird, einfach vorbei. Trotz des großen Schildes, das direkt an dem eingezäunten Feld steht. Zum einen, weil 0,3 Hektar nicht eben groß sind. Zum anderen, weil man auf Sylt einfach keinen Weinanbau erwartet. Nördlicher geht es in Deutschland schließlich nicht. Windiger auch nicht. Und Reben brauchen doch bitte wohl Wärme und vor allem: Sonne! Genau an diesem Punkt wird es interessant, denn tatsächlich ist Sylt eine Sonneninsel. Das bestätigt selbst Ress auf dem Info-Schild in Keitum: Während seine Reben im Rheingau etwa 1.587 Sonnenstunden jährlich abbekommen, sind es auf Sylt sage und schreibe 1.714. Auch der Wind ist längst nicht so ein großes Problem. Vor allem nicht für Christian Ress, denn das von ihm gepachtete Feld ist von drei Seiten windgeschützt. Büschen sei dank.

Aber wie kam es eigentlich dazu, dass auf Sylt jetzt Wein wächst? Im Jahr 2008 bekam das Land Schleswig-Holstein von Rheinland-Pfalz 10 Hektar Weinanbaufläche geschenkt. Denn in Deutschland kann man nicht einfach so in Wein machen. Man muss es sich vorher genehmigen lassen. Lang lebe die Bürokratie! Gut, das hat auch was mit Qualitätsstandards und so zu tun, da sollte ich schon gnädiger sein.

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In Keitum stehen die Reben von Ress recht windgeschützt © Bottled Grapes

Vom Rheingau rauf nach Sylt

Jedenfalls bekam Schleswig-Holstein 10 Hektar für Wein. In Zeiten von Erderwärmung und Klimawandel gar nicht mal so unclever. Aber auch jetzt schon ist nördlicher Weinanbau alles andere als ein Marketing-Gag. Die Dänen machen es uns schon seit etwas zwanzig Jahren vor. Für Ress stand schnell fest, dass er sich um einen Teil dieser Weinanbaufläche bewerben wollte. Der Ort war ebenso schnell gefunden: Keitum auf Sylt. Der Boden: lehmiger Sand mit einem relativ hohen Humusgehalt. Ideal für eine gute Bewässerung. Es folgten ausführliche Boden- und Umgebungsuntersuchungen durch die Hochschule Geisenheim. Als von denen der Daumen gehoben wurde, willigte auch das Land ein. Das Weingut Balthasar Ress bekam seine 0,3 Hektar auf Sylt.

Am 4. Juni 2009 wurde so der Ress-Weingarten in Keitum angelegt. Obwohl vor allem für seinen Riesling und seine Burgunder-Sorten bekannt, findet man eben jene auf Sylt bei Ress aber nicht. Die Reben sind einfach nicht hart genug für das raue Klima. Ress setzte von Anfang an auf eine ziemlich clevere Mischung, die auch heute noch Bestand hat: Rivaner und Solaris. Letztgenannte Sorte wird vor allem in Dänemark angebaut, wo ein ähnliches Klima herrscht wie auf Sylt. Außerdem ist Solaris eine sehr robuste Rebsorte, die, wie Rivaner auch, früh reif wird. Dass die Reben dadurch nicht ganz soviel Pflege benötigen, ist für das Weingut aus dem Rheingau natürlich äußerst praktisch. Alle zwei bis drei Monate kommt ein kleines Team nach Keitum, um nach dem Rechten zu schauen. Und alle zwei Wochen macht das ein zusätzlich engagierter Kellermeister aus Hamburg.

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Dank Info-Kasten erfährt man alles Wissenswerte über Balthasar Ress auf Sylt auf einen Blick © Bottled Grapes

Balthasar Ress in Keitum: Alles andere als ein Marketing-Gag

2014 kam der erste Syltwein von Ress auf den Markt: Söl‘ring. Der Name wurde ganz bewusst gewählt. Denn Söl‘ring ist einer der zehn nordfriesischen Hauptdialekte, der vor allem auf Sylt gesprochen wird. Wie der Wein so schmeckt? Keine Ahnung! Bei 0,3 Hektar kann man sich vorstellen, dass die Flaschen streng limitiert sind. Als ich auf Sylt war, konnte ich keine einzige Flasche mehr auftreiben. Kein Wunder. Der winzige Ertrag kommt ja nicht mal komplett auf den Markt. Denn bei Ress kann man auch so einen Rebstock in Keitum pachten. Investiert man, darf man seinen Weinstock jederzeit besuchen und bekommt automatisch jedes Jahr eine Flasche Söl’ring. Für die einen ist das eine nette Spielerei, für das Weingut bestimmt ein Mechanismus, damit die Rebfläche auf Sylt wenigstens einigermaßen wirtschaftlich ist. Pacht, Reisekosten …. da kommt übers Jahr schon ordentlich was zusammen. Dementsprechend war ich wenig schockiert, als ich den Preis des Weins mal recherchiert habe. Denn im Netz bekommt man ihn natürlich noch. Für etwa 75 Euro die Flasche. Das ist üppig. Aber eben auch verständlich.

Vielleicht werde ich mir irgendwann mal so eine Flasche Söl‘ring gönnen. Noch ist die Neugierde für solch eine Investition noch nicht groß genug. Vor allem, weil es eine Alternative gibt. Denn Christian Ress baut nicht als Einziger Wein auf Sylt an. Es gibt da noch einen Weinberg, noch mehr Solaris-Reben, die zwar auch in Keitum zu finden sind, die eben aber auch noch nördlicher stehen. Von diesem nördlichsten Weinberg Deutschlands werde ich euch aber ein anderes Mal berichten. Etwas Spannung darf schließlich sein. 😉

Bildnachweis Titelfoto: © Bottled Grapes

* Dieser Text entstand ohne dem Wissen des Winzers. Er wurde also weder beauftragt noch vergütet, sondern spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider.

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