Drei Chianti Classico Flaschen von Barone Ricasoli

Barone Ricasoli und der Chianti-Ursprung

Wenn es einen Weingutsnamen gibt, der unzertrennlich mit dem Chianti Classico in der Toskana verbunden ist, dann wohl Barone Ricasoli. Hier nahm der berühmte Chianti seinen Anfang. Das Weingut gibt es immer noch, der Name verpflichtet. Schauen wir uns das mal genauer an.

Es ist nicht unbedingt üblich, ein generell gültiges “Rezept” für einen bestimmten Weinstil zu haben. Klar, ein Brunello muss zu 100 Prozent aus Sangiovese bestehen. Aber das ist halt eine gesetzliche Regelung. Es hat sich im Vorfeld niemand hingesetzt und gesagt “So, ich entwickle jetzt mal eine Formel für den oder den Wein, die dann bitteschön von allen Winzern der Region übernommen wird.” Genau das machte aber Baron Bettino Ricasoli im Jahr 1872. Sein Weingut Barone Ricasoli im Castello di Brolio gibt es übrigens noch heute.

Aber schauen wir uns erst einmal an, warum die Erfindung eines Chianti-Rezepts so speziell war. 1872 war das Chianti zwar bereits seit über 100 Jahren eine geografisch definierte Weinregion. Es gab aber noch keine klaren Produktionsregeln, an die sich jeder Chianti-Winzer halten musste. Man machte das, was einigermaßen erfolgreich war. Oder was einem selbst schmeckte. Die Barone Ricasoli waren zu diesem Zeitpunkt schon zutiefst mit der Region verankert. Sie waren es schließlich, die 1269 in der Schlacht von Colle Val d’Elsa an der Seite von Florenz kämpften, um die territorialen Grenzen gegen Siena zu verteidigen. Wenn bei euch da gerade etwas klingelt: Jepp, nach dieser Schlacht kam es zur Legendenbildung um den Gallo Nero. Aber diese Geschichte erzähle ich euch an anderer Stelle.

Castello di Brolio in der Toskana
Willkommen auf Castello di Brolio! © Eyewave/iStock

Barone Ricasoli und das Chianti-Rezept

Zurück zu den Barone Ricasoli, die nach den Kriegen Lehnsherren wurden und sich in der Toskana ausbreiteten. Erst getrennt, dann wieder gemeinsam. Das Weingut Barone Ricasoli ward geboren. Nun war Bettino Ricasoli aber nicht nur Weinbauer, sondern auch Politiker. Für kurze Zeit diente er Italien sogar als Premierminister. Was ihn aber nicht davon abhielt, sich Gedanken über Wein zu machen. Die rote Rebsorte Sangiovese war schon während des 19. Jahrhunderts im Chianti der große Star. Nur waren die Qualitäten recht unbeständig. Das lag zum einen am wechselhaften Wetter. So ein kühler und verregneter Herbst konnte die Qualität ganz schön drücken. Zum anderen wuchsen die Reben quasi überall. Auf Böden und Himmelsrichtungen achtete niemand. Wie also Kontinuität in den Geschmack bringen?

Und genau an dieser Stelle sind wir dann wieder im Jahr 1872 und bei dem Rezept, das Bettino Ricasoli kreierte. Das sah 70 Prozent Sangiovese, 20 Prozent Canaiolo und 10 Prozent Malvasia vor. Letztere übrigens eine weiße Rebsorte, die den Wein süffiger machen sollte. Mal ganz davon abgesehen, dass sie die Farbe des Rotweins stabilisierte. Aber das wurde erst viel später wissenschaftlich untersucht. Dem Baron ging es bei der Wahl ganz eindeutig um den Trinkfluss. Und siehe da: er hatte Erfolg damit. So großen, dass die Weinbauern in der Umgebung das Rezept schnell übernahmen. Es war die Geburtsstunde des Weins Chianti.

Chianti ist nicht gleich Chianti

Im Laufe der Jahrzehnte wurde aus dem Rezept eine gesetzliche Bestimmung. Diese änderte sich immer mal wieder. Weil das Chianti zum Beispiel in Chianti und Chianti Classico geteilt wurde. Und dann, weil es im Weinbau wie überall auf der Welt ist: Präferenzen ändern sich, unterschiedliche Qualitätsstufen bilden sich heraus. Die Beigabe von weißen Rebsorten ist deswegen inzwischen nicht mehr zulässig. Außerdem gibt es inzwischen drei Qualitätsstufen, die ganz genau definiert sind:

  • Chianti Classico Annata: Sprich, der einfache Chianti Classico. Hier sind 80 Prozent Sangiovese vorgeschrieben. Außerdem muss der Wein mindestens 12 Monate reifen.
  • Chianti Classico Riserva: Hier verlängert sich die Reifezeit auf insgesamt 24 Monate – drei davon auf der Flasche.
  • Chianti Classico Gran Selezione: Die Königsklasse. Hier kommen entweder die Trauben einer einzelnen Lage hinein oder generell das beste eigene Lesegut eines Betriebs. Der Wein muss 30 Monate reifen. Diese Qualitätsstufe gibt es übrigens erst seit 2013.
Drei Flaschen Chianti Classico auf einem Tisch
Ein Weingut, drei Qualitätsstufen. ©NK/Bottled Grapes

Next Generation bei Barone Ricasoli

Im Jahr 2013 war Francesco Ricasoli schon seit 20 Jahren Chef bei Barone Ricasoli. Denn ja, das Weingut existiert bis heute. Und weil der Name nun mal im Chianti Classico verpflichtet, stürzte sich der Urururenkel des Rezept-Erfinders erst einmal auf die Qualität. Denn die 240 Hektar Rebfläche von Barone Ricasoli ist zwar nicht weit verstreut, verteilt sich aber auf sehr unterschiedlichen Böden. Und genau diese ließ Ricasoli zunächst genau analysieren, um zu wissen, wo Sangiovese welche Eigenschaften hervorbringt. Analog zu Castello Banfi konzentrierte er sich dann auf die Rebenforschung an sich. Welcher Sangiovese-Rebe hat welche Vorteile? Anders als bei Banfi wurden aber nicht spezielle Klone entwickelt, sondern altes Reben-Material gezielt vermehrt.

Auch die Holzfässer nahm man bei Barone Ricasoli unter die Lupe. Welche Eiche eignet sich für welchen Wein? Welche Größe sollte ein Holzfass haben? Bei einer Verkostung sagte Francesco Ricasoli mal, dass ein falsches Fass den besten Wein ruinieren kann. Deswegen ging er sogar so weit und machte mit den Küfern der einzelnen Fässer gezielte Verkostungen. Inzwischen findet man bei Barone Ricasoli kaum noch kleine Fässer (adieu, Barrique!), sondern nur noch 500 Liter und größere Fässer. Nicht minder penibel ist man bei der Vinifikation. Denn insgesamt wird das Traubengut in 200 unterschiedlichen Chargen einzelnen vinifiziert, um Unterschiede ganz genau herausarbeiten zu können.

Online-Weinprobe mit Francesco Ricasoli
Chianti-Verkostung mit Francesco Ricasoli höchstselbst. ©NK/Bottled Grapes

Barone Ricasoli: Die Weine im Vergleich

Bei einem derartigen Genauigkeitswahn verwundert es nicht, dass die Weine von Barone Ricasoli noch immer so etwas wie der Goldstandard der Region sind. Natürlich werden hier alle drei Qualitätsstufen produziert. Und obwohl die Weine sehr unterschiedlich sind, eint sie doch eine klare Geradlinigkeit und eine leise Präzision. Keiner der Weine brüllt laut oder hat gar übermächtige Holznoten. Während andere Weingüter noch genau das bevorzugen, um sich halt internationaler zu geben, besinnt man sich bei Barone Ricasoli auf die Tradition und will den Geschmack des Chianti Classico auf die Flasche bringen.

Nehmen wir allein mal den Annata. Hier haben wir 80 Prozent Sangiovese und jeweils einen Schuss Merlot und Cabernet Sauvignon. Die Trauben stammen ganz bewusst von allen Weinlagen des Betriebs. Denn er soll der allgemeine Geschmack, die generelle Stilistik von Barone Ricasoli verdeutlichen. Satte Kirschfrucht, ein paar florale Noten und dunkle Pflaumen prägen den Wein aromatisch. Dazu eine Pizza und das Leben ist einfach gut. Das ist für die kleinste Qualität schon recht beeindruckend.

Willkommen in den Königsklassen!

Bei der Chianti Classico Riserva kommen fünf Prozent Merlot zu 95 Prozent Sangiovese. Die Trauben stammen aus verschiedenen Einzellagen von Barone Ricasoli. Hier soll das Ineinandergreifen der unterschiedlichen Bodentypen im Vordergrund stehen. In diesem Fall Sandstein, Tonschiefer, marine Ablagerungen und Kalkmergel. Zusammen ergibt das einen Wein mit seidigen Tanninen, frischen Kirscharomen und einer enorm schmelzigen Eleganz.

Drei Gläser mit Wein von Barone Ricasoli zusammen mit den Weinflaschen liegend auf einem Tisch
Auf den ersten Blick sind keine Unterschiede bei den drei Weinen zu erkennen. ©NK/Bottled Grapes

Wirklich überrascht hat mich dann aber die Chianti Classico Gran Selezione “Colledilà”. Denn bis dato war ich fest davon überzeugt, dass die Qualitätsstufe Gran Selezione eigentlich nur ein Marketing-Trick ist. Großartige Unterschiede zu einer Riserva konnte ich nicht feststellen. Außer beim Preis, bei dem es halt noch einmal nach oben geht. Hier dann die erste Überraschung von Barone Ricasoli: die Gran Selezione “Colledilà” ist günstiger als die Riserva. Erstaunlich! Noch überraschter war ich dann allerdings beim Verkosten. Der sortenreine Sangiovese, der aus einer Einzellage stammt, bei der Kalziumkarbonat und Ton den Boden prägen, ist ungeheuer elegant und feinmaschig. Hier sind Säure und Kirschfrucht perfekt ausbalanciert. Endlich mal ein Wein, der mich von der Daseinsberechtigung der Gran Selezione ohne Wenn und Aber überzeugen konnte!

Verkostungs-Tipp

Dementsprechend neugierig bin ich jetzt auf die anderen Weine von Barone Ricasoli. Denn das Weingut hat noch den ein oder anderen Tropfen im Portfolio, der nicht minder spannend klingt. Euch möchte ich indes mal ans Herz legen, die unterschiedlichen Chianti-Classico-Qualitätsstufen nebeneinander zu verkosten. Im direkten Vergleich sind Annata, Riserva und Gran Selezione nämlich wirklich interessant. Vor allem, wenn sie von ein und demselben Weingut kommen. Das muss ja nun nicht zwingend Barone Ricasoli sein. Auch andere namhafte Betriebe haben hervorragende Weine. Um das mal ganz klar zu betonen. Vielleicht habt ihr da ja schon einen Favoriten. Dann nichts wie ran an die Flaschen!

Copyright Titelbild: © NK/Bottled Grapes

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet und spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Bei den vorgestellten Weinen handelt es sich um einen Eigenkauf. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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