Bocksbeutel steht auf einem Tisch auf einem Balkon

Bocksbeutel: Geschichte einer Weinflasche

Gedrungen, extra bauchig, dabei aber flach – die Bocksbeutel-Form ist schon sehr speziell. Und fast einmalig auf der Welt. Aber wo kommt der Bocksbeutel eigentlich her? Machen wir einen Ausflug in die Geschichte!

Kaum eine andere Flaschenform ist derart mit einer Region und einer Rebsorte verknüpft wie der Bocksbeutel. Klar, die Burgunder-Flasche kommt aus dem Burgund, die Bordeaux-Flasche aus dem Bordeaux. Aber diese sind halt überall auf der Welt im Einsatz. Sieht man allerdings einen Bocksbeutel, dann ist sofort klar, dass es sich eigentlich nur um einen Wein aus Franken handeln kann. Lediglich in Baden gibt es den Bocksbeutel noch hier und da. Allgemein wird er aber vorwiegend mit Franken in Verbindung gebracht. Diese (Beinahe-)Exklusivität kommt nicht von ungefähr. Denn tatsächlich wurde der Bocksbeutel in Franken “erfunden”. In Würzburg, um genau zu sein. Und zwar im Bürgerspital, um es noch genauer zu machen.

Erstmalig erwähnt wurde der Bocksbeutel in einem Dokument aus dem Jahr 1728, aus dem auch ganz klar der Grund für diese spezielle Form hervorgeht. Denn er sollte der “Steuerung allenfallsiger Handelsmißbräuche” dienen. Hört sich erstmal kompliziert an, ist es aber nicht. Damals stand Wein aus Franken überall in Deutschland hoch im Kurs. Auch damals galten schon die Gesetze der Marktwirtschaft: was begehrt ist, ist auch teuer. Dass gewiefte Geschäftsleute also den Frankenwein fälschten, panschten oder streckten, um sich an ihm zu bereichern, war eigentlich nur eine logische Konsequenz.

Sinn und Zweck des Bocksbeutels 

Mit der Einführung des Bocksbeutels wurde der Frankenwein dann fälschungssicher gemacht. Wer solch eine Flasche in Händen hielt, konnte sich sicher sein, dass der Wein auch tatsächlich aus Franken stammte. Wir sind hier schließlich lange vor der industriellen Revolution unterwegs. Glasflaschen waren noch nicht verbreitet, Wein verkaufte man vorrangig in Fässern. Und wenn eine Flasche zum Einsatz kam, musste sie aufwendig per Mund geblasen werden.

Viele unterschiedliche Flaschenformen für Wein auf einem Blick.
Unter allen Flaschenformen sticht der Bocksbeutel heraus. © Deutsches Weininstitut

Womit Sinn und Zweck des Bocksbeutels jetzt geklärt wären. Kommen wir zum Namen an sich. Denn dessen Herkunft ist in der Tat nicht zweifelsfrei geklärt. Lange Zeit galt als gesetzt, dass sich Bocksbeutel von “Booksbüdel” ableitet. Ursprünglich war das ein Beutel, in dem Mönche und Nonnen ihre Gebetsbücher aufbewahrten. Es gibt da die Legende, dass Nonnen einer Benediktiner-Abtei für die Flaschenform gesorgt haben sollen, damit diese in ihren Gebetsbeutel passte. Und wenn sich dann eine Nonne “zum Gebet” zurückzog, konnte heimlich gebechert werden. Eine herrliche Geschichte! Nur stimmt sie leider nicht!

Und woher kommt der Name?

Historiker und Linguisten sind sich inzwischen nämlich so gut wie sicher, dass sich der Name Bocksbeutel vom Hodensack des Ziegenbocks ableitet. Klingt erstmal unglaubwürdig. Aber tatsächlich fertigte man bereits im Mittelalter eine Art von Feldflasche aus dem Leder eines Ziegenhodens. Reisende konnten so Wasser oder eben Wein mit sich führen. Und wenn du das nicht so recht glauben magst, dann schau dir bitte mal den Holzschnitt “Bettlerfamilie auf der Landstraße” von Albrecht Dürer (1471 bis 1528) an. Dort kann man diese besondere Feldflasche ganz genau sehen.

Und dann gibt es da noch die Beschreibung des Bocksbeutels in dem Buch “Die Mundart der Stadt Würzburg”, das der Historiker Johann Baptist Sartorius im Jahr 1862 veröffentlichte. Hier beschreibt er die Flasche wie folgt: “Eine gedrückte, runde, nach Art des Beutels oder Hodensacks der Böcke geformte Flasche zum Einfüllen und Versenden des Steinweins.” Unter Steinwein verstand man damals übrigens alle Weine aus der bis heute existierenden Lage Stein. Rebsorten hatten im 19. Jahrhundert noch diesen großen Stellenwert wie heutzutage. 😉

Gedeckter Tisch mit weißem Spargel, Schinken und zwei Gläsern Weißwein sowie einer Weinflasche
Klassischer kann ein gedeckter Themen-Tisch gar nicht aussehen! © Deutsches Weininstitut

Bocksbeutel in allen Größen und Farben

Woher der Bocksbeutel seinen Namen hat und warum er erfunden wurde, hätten wir also geklärt. Kommen wir mal zu ein paar weiteren Fakten. In Deutschland wird der Bocksbeutel tatsächlich nur in Franken verwendet. Man verbindet mit ihm automatisch die Rebsorte Silvaner. Tatsächlich gibt es zum Beispiel aber auch viele fränkische Rieslinge in dieser Flasche zu kaufen. Gesetzlich festgelegt ist das also nicht.

So ein Standard-Bocksbeutel fasst genau so viel wie jede andere genormte Weinflasche. Also 0,75 Liter. Das Mini-Format fasst indes 0,25 Liter. Auch die klassische Halbflasche ist mit 0,375 Litern vertreten. Und dann ist da noch die 0,5-Liter-Flasche. Ein recht ungewöhnliches Format! Außerdem gibt es den Bocksbeutel noch als Magnum (1,5 Liter) und Doppelmagnum (3 Liter). Noch größer wird’s dann allerdings nicht. Die Flaschen sind entweder aus braunem oder grünem Glas. Ob es in Sachen Flaschenfarbe historische Unterschiede gibt, habe ich leider nicht herausgefunden. Was ebenso unklar ist: ob ein Wein im Bocksbeutel anders reift als in einer anderen Flaschenform. Da gibt es bis heute nämlich tatsächlich nicht mal den Ansatz einer Forschung zu. Leider. Wäre ja mal interessant zu wissen, zumal Bocksbeutel aufgrund ihrer speziellen Form bei der Weinlagerung ordentlich Platz wegnehmen.

Neue Bocksbeutelform von Peter Schmidt
So sieht der Bocksbeutel PS aus. © Frankenwein

Ein neuer Look und ein Rechtsstreit mit Portugal

Wobei man die neuen Bocksbeutel ein wenig besser lagern kann. Denn weil das Image der Flaschenform schon ein wenig trutschig angestaubt war, erfolgte im Jahr 2015 eine Modernisierung durch den Designer Peter Schmidt, der den Bocksbeutel PS entwarf. Bei diesem sind die Kanten etwas eckiger. Das macht die Handhabung tatsächlich einfacher. Trotzdem weigern sich einige Winzer nach wie vor, den Bocksbeutel PS zu verwenden. Einfach, weil die alte Form schöner ist. Andere Winzer hingegen bevorzugen die PS-Form, weil sie Tradition und Moderne miteinander verbindet.

Jetzt habe ich die ganze Zeit von Deutschland geschrieben. Dabei haben auch andere Länder Flaschen, die dem Bocksbeutel recht nahe kommen. In Griechenland, Frankreich, Italien und Chile gibt es ähnlich aussehende Flaschen. Identisch mit der alten Form des Bocksbeutels ist indes eine spezielle Weinflasche, die in Portugal für den Roséwein Mateus zum Einsatz kommt. Den fränkischen Winzern schmeckte das gar nicht. 1983 forderte man am Europäischen Gerichtshof Markenschutz ein – und scheiterte mit der Klage. Was aber trotzdem nichts daran ändert, dass man fast überall auf der Welt den Bocksbeutel mit der Weinregion Franken assoziiert.

Copyright Titelbild: © nk/Bottled Grapes

*Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Er wurde weder beauftragt noch vergütet. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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