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Buchrezension: „Amber Revolution“ von Simon J. Woolf

Ist Orange Wine bloß eine Modeerscheinung? Mitnichten! Auch wenn es nach wie vor viele Weinkenner gibt, die diese besondere Herstellungsart niedermachen, wo sie nur können, behauptet sich der maischevergorene Weißwein inzwischen auf der ganzen Welt. Aber wie kam es eigentlich zu dieser nachhaltigen Orange-Wein-Bewegung? Weinjournalist und Blogger Simon J. Woolf hat sich auf die Suche nach Ursprüngen, Meilensteinen und Zukunftswegen gemacht.

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Zugegeben, Orange Wine ist nicht jedermanns Sache. Ein Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wird. Also wo eben nicht nur der Traubensaft vergoren, sondern auch die Beerenhaut im Fermentationsprozess mit einbezogen wird. Manchmal sogar die Stängel. Wie bei einem Rotwein halt. Für mehr Gerbstoffe und Struktur im Wein, der dann eben jene berühmte Farbe bekommt, nach der er benannt wurde. Wobei das Orange von sehr hell bis sehr dunkel changieren kann. Wie bei Bernstein.

Weswegen viele Orange-Wein-Experten der Meinung sind, dass „Amber Wine“ die bessere Bezeichnung wäre. Nun hat man sich aber halt auf Orange Wine geeinigt, als vor erst zehn Jahren eine Begrifflichkeit hermusste, weil selbst die erfahrensten Weinkritiker nicht wussten, wie sie diesen speziellen Wein nennen sollten und Weintrinker auf der ganzen Welt auch endlich eine Definition an die Hand bekommen sollten.

Womit wir auch schon mitten im Buch von Simon J. Woolf wären. Der studierte Musiker und bekannte englische Weinjournalist und Blogger (The Morning Claret) hat mit „Amber Revolution“ nämlich das erste Buch geschrieben, das sich mit der Geschichte sowie den Besonderheiten und regionalen Unterschieden der Orange-Wine-Bewegung der Neuzeit auseinandersetzt. Dafür hat er weltweit die unterschiedlichsten Winzer und Orange-Wine-Ikonen besucht und porträtiert. Ein ebenso gewissenhafter wie teurer Aufwand, der sich nur dank einer Crowdfunding-Kampagne realisieren ließ.

Orange Wine weltweit

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Woolf beginnt seine Erklärungsreise in Italien. Denn der Herzschlag der Orange-Wine-Bewegung mag aus Georgiern und Slovenien kommen – die Seele allerdings findet man im Friaul. Bei Stanko Radikon, der inzwischen leider verstorben ist, und bei Joško Gravner. Gravner, der bis Ende der 1990er ein hoch angesehener Winzer im Friaul war. Bis er während einer Reise nach Georgien das erste Mal mit in Amphoren (auch Quevri genannt) maischevergorenen Weißweinen in Berührung kam.

Kaum wieder zurück in Italien, organisierte sich Gravner Quevris und stellte seine Weißweinproduktion um. Die gesamte. Der Aufschrei war gewaltig, die Weinwelt entsetzt. Wie konnte er nur! Weil er wollte. Und aus innerem Drang heraus musste. Gravner kämpfte jahrelang gegen Windmühlen und Schubladendenken, übersprang alle Steine, die man ihm in den Weg legte. Und wurde so zur Ikone, die er heute ist. Seine Orange Wines setzen nach wie vor Maßstäbe. Mal ganz davon abgesehen, dass er zahlreiche andere Winzer weltweit dazu inspirierte, selbst Orange Wines zu machen.

Die vierte Weinfarbe

Natürlich kommt auch in Woolfs Buch genügend Theorie vor. Ohne geht es nicht. Zum Beispiel, warum Orange die vierte Weinfarbe ist; warum ein Orange Wine zwar ein Naturwein sein kann, es aber nicht zwingend sein muss; dass man diesen Wein auch ohne Amphoren machen kann; dass die Maischestandzeit von Winzer zu Winzer stark variiert – von wenigen Tagen bis hin zu sechs Monaten oder sogar länger; warum keine Reinzuchthefen für den Gärungsprozess verwendet werden; warum in Georgien alle Amphorenweine auch Orange Wine genannt werden dürfen, obwohl sie vielleicht nicht maischevergoren sind; wie eine Quevri gefertigt und gepflegt wird oder auch, wie es dazu kam, dass der Orange Wine nun eben Orange Wine heißt.

All diesen Themen widmet sich Simon J. Woolf in kleinen Theorieschnipseln, die über das ganze Buch verteilt sind. Das Bindeglied sind die faszinierenden Winzergeschichten. Ob nun Italien, Slowenien, Rumänien oder immer und immer wieder Georgien – die Geschichten ähneln sich in Sachen Mut und Durchsetzungevermögen, könnten aber trotzdem nicht unterschiedlicher sein. Wie bei konventionellen Winzern eben auch.

Kritische Töne in „Amber Revolution“

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Wobei bei Simon J. Woolf nicht immer alles eitel Sonnenschein ist. So schreibt er emotional gegen die mangelhafte Gesetzgebung an. In vielen Ländern ist der Orange Wine im Weingesetz nach wie vor nicht verankert, hat zwar eine Stimme, aber eben keine politische Lobby, muss als einfacher Landweißwein verkauft werden, was dann wiederum unwissende Weintrinker verschreckt, die ob der Farbe denken, dass ihr Wein oxidiert sei. Und auch die ganzen Trendmitläufer, die halt nebenbei einen Orange Wine mitproduzieren, weil der gerade so schön angesagt ist (übrigens vor allem im asiatischen Raum oder auch in Dänemark), die aber weder aus Überzeugung noch mit Herzblut dabei sind, beäugt Woolf kritisch.

Simon J. Woolf und der Orange Wine

Und dann ist da natürlich noch die Übersicht mit den wichtigsten Orange-Wine-Winzern der Welt. Hier mag allein der kleine Wermutstropfen gelten, dass Woolf ausschließlich Winzer in die Minibiografien-Liste aufgenommen hat, die er auch persönlich kennt – oder aber einen tieferen Kenntnisstand zu deren Weinen hat. Das macht diese Auflistung zwar sehr authentisch, aber eben auch höchst subjektiv. Ich persönlich habe da den ein oder anderen Namen durchaus vermisst und war, zugegeben, etwas schockiert, dass Vincent Eymann als einziger Deutscher genannt wird.

Aber was will man machen? Auch in Sachen Orange Wine ist Geschmack nun einmal tatsächlich subjektiv. Das ändert sich auch nicht, wenn einer der inzwischen führenden Orange-Wine-Experten der Welt ein Buch über eben jenes Thema schreibt. Ein Buch, das übrigens schon jetzt von vielen Menschen als Standardwerk zum Orange Wine angesehen wird. Nicht nur, weil es das erste seiner Art ist, sondern weil Woolf auch noch höchst genau und umfänglich recherchiert hat. Mit „Amber Revolution“ hat er ein Zeichen für eine Bewegung gesetzt, die sich nicht mehr nur als bloßer Trend abtun lässt. Ich hoffe sehr, dass das Buch auch zeitnah ins Deutsche übersetzt wird, damit es noch mehr Leser erreicht. Wobei ich auch die englische Version nur wärmstens empfehlen kann. Selbst wenn Orange Wine nicht ganz so euer Ding sein sollte.

Simon J. Woolf: Amber Revolution. How the World Learned to Love Orange Wine. 300 Seiten, Interlink Publishing Group, 2018. 30,20 Euro.

Copyright Bilder: ©Bottled Grapes

*Diese Rezension spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Das Buch wurde selbst gekauft. Gesetzte Links dienen ausschließlich Servicezwecken und sind nicht kommerziell.

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