Blick auf die Weingärten in der Champagne

Die Aufstände in der Champagne von 1911

Reblaus, Trauben-Knappheit und dann auch noch ein Champagner-Gesetz, das auf großen Widerstand stößt. 1911 musste die französische Regierung gleich zweimal Soldaten in die Champagne schicken, um bürgerkriegsähnliche Zustände zu zerschlagen. Machen wir einen Ausflug in die Geschichte.

Es ist ja nicht so, dass erst 1911 in der Champagne Konflikte herrschten. Die ganze Sache fing bereits zur Jahrhundertwende an. Denn da machte sich die überall gefürchtete Reblaus, die 1883 mit einer Schiffsladung aus den Vereinigten Staaten nach Europa kam, in der Champagne breit. Die verheerenden Folgen dürften bekannt sein. Aber nicht nur das: Missernten verschlimmerten die Situation vieler Winzer zusätzlich.

Die großen Champagnerhäuser besaßen damals so gut wie keine eigenen Rebflächen. Für die Champagner-Herstellung wurden die Trauben von Winzern aus der Region gekauft. Die waren aber seit ein paar Jahren recht knapp. Die Häuser versuchten, die Preise zu drücken, die Winzer wollten indes mehr Geld sehen. Also kauften die Traditionsunternehmen einfach kurzerhand Trauben aus anderen Regionen Frankreichs. Einige holten sie sich sogar aus dem Ausland. Aus Deutschland, zum Beispiel.

Aÿ soll brennen

Das war den Winzern natürlich ein mächtiges Dorn im Auge. Die Situation brodelte lange vor sich hin. Als immer mehr Trauben aus anderen Regionen ihren Weg in die Champagne fanden, war für die Weinbauern im Januar 1911 Schluss mit lustig: Die Aufstände begannen in den beiden Örtchen Damery und Hautvilliers, wo sich viele Lager von Champagnerhäusern befanden. Hier hielten Winzer ankommende Transporte mit Trauben von der Loire auf und vernichteten sie. Dann stürmten sie die Champagnerlager und kippten die Grund- und bereits fertigen Schaumweine in die Marne.

Historische Postkarte, die die Verwüstungen der Aufstände in der Champagne aus dem Jahr 1911 zeigt
Im April 1911 konnte man die Verwüstung in Aÿ noch deutlich erkennen ©unbekannt/Wikicommons

Damit aber noch nicht genug: Der wütende Mob zog weiter nach Aÿ. Türen wurden eingetreten, Häuser verwüstet. Da war es auch ganz egal, ob die Bewohner überhaupt in der Champagner-Produktion arbeiteten oder nicht. Aÿ sollte brennen! Und das tat es dann auch. Fast die komplette Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt. Der Gouverneur der Region telegrafierte panisch gen Paris und berichtete von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Die Regierung schickte sofort 40.000 Soldaten in die Champagne, die ruckzuck für Ruhe sorgten. Vorerst.

Aube: Schaumwein oder Champagner?

Denn da gab es ja noch einen anderen Disput, der auch schon etwas früher anfing. Nämlich auch um die Jahrhundertwende. Damals fragte man sich nämlich, wo die Champagne anfängt – und wo sie aufhörte. Die Winzer am Fluss Aube sahen sich ganz eindeutig als Teil der Region – der Rest von eben dieser war da anderer Meinung. Deswegen erwirkten die Winzer 1908 ein Dekret, dass es Aube verbot, ihre Schaumweine Champagner zu nennen.

Das sorgte für mächtig viel Unruhe, die wiederum am 16. Februar 1911 explodierte, als das sogenannte Champagner-Gesetz von der französischen Regierung verabschiedet wurde, das nicht nur vorschrieb, welche Rebsorten für Champagner verwendet werden durften und wie dieser produziert werden mussten, sondern dass auch die Winzer von Aube ganz klar ausschloss. Diesen platzte die Hutschnur. Was folgte, waren gewaltige Straßenschlachten.

Schon wieder Soldaten in der Champagne

Winzer gegen Winzer. Weingärten wurden angezündet, Ernten vernichtet. Und immer wieder geriet man sich der Straße äußerst gewalttätig aneinander. Als es die ersten Toten gab, schritt die Regierung ein und schickte erneut Soldaten in die Champagne, die die Situation in den Griff bekommen sollten. Dieses Mal dauerte es allerdings etwas länger, bis sich die Lage beruhigte.

Historisches Bild von Soldaten, die durch die Stadt Épernay ziehen
Soldaten in Épernay, 1911 ©G. Garitan/Wikicommons

Immer wieder attackierten sich die Winzer in Nacht- und Nebelaktionen. Am 7. Juni 1911 gab die Regierung schließlich nach und änderte das Champagner-Gesetz. Aube galt mit sofortiger Wirkung als “deuzième zone” und durfte somit “Champagner zweiter Klasse” produzieren.

Willkommen in der Champagne!

Nun mag niemand zweitklassig genannt werden. Vor allem nicht, wenn es um so ein erstklassiges Produkt wie Champagner geht. Die Winzer kämpften weiter hartnäckig für ihre vollständige Zugehörigkeit zur Champagne – jetzt allerdings mit Argumenten statt mit den Fäusten. Das bedeutete natürlich auch, dass alles ein wenig länger brauchte.

Und dann kam ihnen auch noch der Erste Weltkrieg dazwischen. So sehr sich die Fronten zwischen den Winzern vorher auch verhärtet haben mochten – in Kriegen standen sie Seite an Seite fest zusammen. Nach dem Ersten Weltkrieg brauchte es dann noch weitere neun Jahre und ein durstiges Bürgertum, das den Champagner für sich entdeckte. 1927 durfte man in Aube endlich Champagner erster Klasse herstellen – als Teil der Champagne. Anders hätte man in der Region die mehr als 300 Millionen Flaschen, die pro Jahr reißenden Absatz fanden, nicht produzieren können. Angebot und Nachfrage. Die Wirtschaft war in diesem Falle Friedensstifter.

Copyright Titelbild: ©stmouy/Pixabay

*Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gesetzte Links dienen Service-Zwecken und sind nicht kommerziell.

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9 Kommentare

  1. …die Dichte der Blubberwasserartikel hier zeigt ja schon eine klare Affinität zu dieser Spielart des Themas Wein. Gerne (noch) mehr davon…
    😉 😀

    1. Absolut! Schaumwein und Weine aus Österreich – meine beiden Leidenschaften. Ich versuche zwar immer wieder, auch andere Themen zu bringen, aber zu diesen beiden komme ich irgendwie immer zurück. 🙂

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