Veuve Clicquot, Champagner, Buch, Rezension, Bottled Grapes

Buchrezension: „Veuve Clicquot“ von Tilar J. Mazzeo

Bis heute gilt Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin als die „Grande Dame de Champagne“. Kein Wunder. Schließlich war die Witwe (Veuve) die erste Frau überhaupt, die ein Champagner-Imperium aufbauen konnte. Und das auch noch im frühen 19. Jahrhundert. Grund genug für die amerikanische Kulturhistorikerin und Feinschmeckerin Tilar J. Mazze0, sich einmal genauer mit dem Leben dieser außergewöhnlichen Frau zu beschäftigen.

Man mag von dem Champagner Veuve Clicquot halten was man will (vielen passionierten Weinkennern ist er ja zu seicht und vor allem viel zu mainstreamig, was ja durchaus stimmt, was mich aber trotzdem nicht davon abhält, ein- oder zweimal im Jahr ein Fläschchen zu genießen, wenn ich gerade Bock drauf habe), aber eines ist ganz klar: die Frau, die dieses Champagner-Imperium ab 1805 zum Erfolg geführt hat, verdient den allerhöchsten Respekt. Die Rede ist von Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin, ihres Zeichens Tochter eines Tuchhändlers (und späteren Bürgermeisters von Reims) und Ehefrau von François Clicquot, den sie 1798 – die Französische Revolution lag quasi in den letzten Zügen – heiratete. Sie gebar ihm eine Tochter und war in Sachen Champagner von Anfang an involviert. Eine starke Frau an der Seite eines eher schwachen Mannes. Es ist nicht ganz klar, woran Francois 1805 starb. Die einen sagen, es war Typhus. Die anderen vermuten ob seines dunklen Gemütszustandes Suizid. Mazzeo nimmt in ihrem Buch kurzerhand beide Varianten auf.

Fest steht nur, dass Barbe-Nicole die Geschäfte ihres Mannes übernahm, statt sich ins Privatleben zurückziehen oder erneut zu heiraten. Anfang des 19. Jahrhunderts war das übrigens gar nicht so unüblich. Obwohl sich die meisten Witwen mit kleinen Geschäften begnügten. Nicht so aber die Veuve Clicquot! Natürlich hatte auch sie lange Jahre zu knabbern und sah ihre Existenz mehr als einmal gefährdet. Napoleonische Kriege und so. Dank Napoleons Arroganz verbot Russland, damals der größte Absatzmarkt für Champagner, die Einfuhr von selbigen. Okay, das ist zu ungenau. Es wurde der Import von Weinen in Flaschen verboten, die aus Frankreich kamen. Nur war damals halt Champagner der einzige Wein, der in Flaschen und nicht in Holzfässern transportiert und verkauft wurde. Blubberbläschen und so.

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Veuve Clicquot und der russische Triumph

Aber Barbe-Nicole überstand diese Zeit. Und als sich ihre männlichen Kollegen der anderen Champagner-Häuser nach dem Ende der Kriege noch die Wunden leckten und verdutzt den Kopf schüttelten, schlug die Veuve Clicquot zu. Noch bevor Russland das Embargo aufhob, schickte sie ein Schiff voll Champagner gen Russland. Mit an Bord: ihr Vertrauter, der Handlungsreisende Ludwig Bohne, der den guten Stoff an den Russen bringen sollte. Kurz bevor er ankam, wurde das Embargo aufgehoben – ein triumphaler Erfolg für die Witwe! Sie hatte nicht nur genügend Weitsicht, sondern auch mächtig dicke Eier bewiesen.

Es kam aber noch besser: Auch ihre zweite Champagner-Lieferung kam vor der Konkurrenz in Russland an. Bäm! Jetzt musste der Erfolg nur noch gehalten werden. Das war aber ein Problem. Zur damaligen Zeit war der Champagner zwar schon klar und nicht mehr trüb, aber es dauerte gewaltig lange, die Hefe der zweiten Gärung aus den Flaschen zu bekommen. Der Witwe ging der Nachschub aus! Kurzerhand schnappte sie sich ihren Kellermeister Anton von Müller und entwickelte mit ihm die Rüttelmethode sowie das Degorgieren. Bäm, Bäm, Bäm!

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Champagner damals und heute

Ihr seht: das Leben dieser Witwe ist höchst beeindruckend. Alleine für ihre Verdienste am Champagner lohnt sich dieses Buch. Auch erfährt man wahnsinnig viel über den Champagner an sich, der damals getrunken wurde – und der sich stark vom heutigen unterscheidet. Er war nämlich zum Beispiel viel, viel süßer. Denkt mal in Richtung Süßweine wie Sauternes und packt noch mehr Zucker rein, dann habt ihr ungefähr die damalige Champagner-Süße. Wirklich faszinierend.

Und doch gibt es einen kleinen Wehrmutstropfen. Denn über die ersten 25 Lebensjahre von Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin ist ebenso wenig bekannt, wie über die Zeit, nachdem sie die Firma an einen Mitarbeiter übergeben hatte. Keine geringe Zeitspanne, denn schließlich starb die Witwe erst 1866 im erstaunlichen Alter von 89 Jahren (Frauen wurden damals durchschnittlich 54 Jahre alt). Mit derart vielen Lücken, die sich auch mit bester Recherche nicht füllen lassen, kann man nicht unbedingt gut ein Buch schreiben. Deswegen ist an einigen Stellen der Konjunktiv der Liebling von Tilar J. Mazzeo. Hätte, könnte, wäre, müsste. Und immer wieder vielleicht, vielleicht, vielleicht. Derart viele Mutmaßungen waren für mich persönlich schon recht nervig. Wenn ich Fiktion lesen will, greife ich zu einem Roman. Andererseits sind diese ganzen „Es hätte so sein können“ derart gut in einem penibel recherchierten geschichtlichen Kontext eingebunden, dass ich die mutmaßenden Passagen recht gut ausblenden konnte. Und hey, wer sich generell für Champagner interessiert, für den lohnt sich die Lektüre allemal.

Tilar J. Mazzeo: „Veuve Clicquot. Die Geschichte eines Champagner-Imperiums und der Frau, die es regierte“, 320 Seiten, dtv

Alle Fotos: Bottled Grapes

*Buch und Champagner wurden selbst gekauft, die Rezension spiegelt meine höchst persönliche Meinung wider.

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