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Cristina Mariani-May: Die Frau hinter Castello Banfi

Ist Wein tatsächlich eine Männerdomäne? Darüber ließe sich stundenlang diskutieren. Mir ist das zu müßig. Ich stelle euch hier lieber interessante Frauen aus der Weinbranche vor. Wie zum Beispiel Cristina Mariani-May vom Castello Banfi, der ich im Vorfeld einer Brunello-Masterclass in Hamburg begegnen durfte.

Menschen laufen aus unterschiedlichen Gründen. Manche laufen um ihr Leben. Manche laufen für ihre Gesundheit oder ihre Figur. Und manche laufen nur für sich selbst. Zu der letztgenannten Kategorie gehört Cristina Mariani-May. Sie ist die Frau, die hinter Castello Banfi steht, dem toskanischen Weingut der Superlative, über das schon alles geschrieben wurde – und das auch noch mehrfach.

Über dessen Größe; dessen Professionalität im Hightech-Weinkeller namens Horizon; über dessen Verdienst, den Brunello mit eigenen Sangiovese-Klonzüchtungen (650 wurden gezüchtet, 180 davon gepflanzt und über 20 Jahre lang beobachtet und optimiert) und dem Teilen der dazugehörigen Ergebnisse (natürlich aus dem hauseigenen Forschungslabor) mit den Winzern aus der Region wieder groß gemacht hat. Und das alles gerade einmal in 41 Jahren. Denn älter ist das Weingut, das 1978 von zwei New Yorker Brüdern und Weinimporteuren mit italienischen Wurzeln aus dem Boden gestampft wurde, nicht.

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Inmitten der Toskana-Hügellandschaft findet man das Castello Banfi ©Castello Banfi/Alexander Brookshaw

Da könnte man schon fast von einer künstlich aufgeblähten Professionalität sprechen. Typisch Amis halt. Und vielleicht stimmt das sogar ein wenig. Denn bedingungslose Professionalität gehört zu einem nachhaltigen Erfolg nun einmal dazu. Und nichts anderes steckt ja letztlich hinter dem vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Prinzip, das von der Mariani-Familie gelebt wird. Schaut man sich aber die Menschen hinter der schubladendenkenden Fassade an, findet man hier ebensoviel Seele und Herzblut wie bei den kleinen und extrakleinen Weingütern.

Die Alleskümmerin: Cristina Mariani-May

Einer dieser seelenvollen Herzblutmenschen ist Cristina Mariani-May, Tochter des Gründerbruders John Mariani, die zwar schon seit Jahrzehnten für das Castello Banfi arbeitet, aber erst seit ein paar Jahren auch dessen Chefin ist. Dass sie das Weingut einmal leiten würde, war nicht der Plan. Weder ihrer, noch der ihrer Familie. Denn schließlich gab es ja genügend Cousins. Männer. Zum Leiten geboren. Und natürlich auch so erzogen. Nach ihrem Studium stieg Cristina Mariani-May in das Familien-Business ein.

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Wie aus dem Bilderbuch: Castello Banfi ©Castello Banfi/Alexander Brookshaw

Wochenendarbeit? Gar kein Problem! Zusatzarbeit? Ist vollkommen in Ordnung! Und wenn ein Kollege oder Business-Partner einen Kaffee wollte, dann wurde auch dieser von Cristina Mariani-May geholt. Während sich ihre männlichen Kollegen allein auf die wesentlichen Aspekte ihres Jobs konzentrierten, hatte Cristina auch alles andere im Blick – und agierte entsprechend.

Wurde ihre Stellung dabei herabgesetzt, weil sie eine Frau ist? Sie sieht das nicht so, verrät sie während unseres Gesprächs in einem Hamburger Hotel: „Männer haben eher einen Tunnelblick und konzentrieren sich ausschließlich auf ihre Aufgaben, während wir Frauen uns auch um das Drumherum kümmern. Das ist keine Wertung. Das wurde uns halt einfach so beigebracht.“

Und sie läuft und läuft und läuft

Mit Fleiß und viel Ausdauer arbeitete sich Cristina Mariani-May im Unternehmen immer weiter nach oben, zeigte ihre Fähigkeiten – und stieg noch weiter auf. Bis an die Spitze. Quasi nebenbei heiratete sie und bekam drei Kinder. Trotzdem arbeitete sie rund um die Uhr. Wozu natürlich ebenso die meisten Wochenenden gehörten. Auch mal Nein zu sagen, um Zeit für die Familie und für sich selbst zu haben, war ihr lange fremd.

„Wie alle Frauen hatte ich das Bedürfnis, perfekt sein zu wollen. Obwohl ich jetzt seit über dreißig Jahren im Geschäft bin, sage ich tatsächlich erst seit zehn Jahren auch mal Nein, um mich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Und das ist nicht immer der Job, sondern eben auch mein Mann, meine Kinder und natürlich auch ich selbst.“ Die Zeit, die sie für sich selbst hat, nutzt sie dann für etwas, das ihr auch aus dem Beruf nicht fremd ist: Ausdauer.

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Cristina Mariani-May in ihrem Element ©Castello Banfi/Gianni Rizzotti

Denn Cristina Mariani-May läuft. Und das nicht zu knapp. Mehrmals im Jahr läuft sie Marathon. Und wenn es die Zeit am Wochenende zulässt, dann trainiert sie auch schon mal vier bis fünf Stunden. Das macht sie nicht, um sich selbst etwas zu beweisen. Aus dem Alter ist sie raus. Sie will auch nicht fit bleiben oder ihre fantastische Figur damit in Form halten. „Ich laufe, um mich zu erden, um mich wieder zu fokussieren“, verrät sie. Außerdem ist das Laufen eine gute Gelegenheit, ein wenig von der Stadt zu sehen, in der sie sich befindet.

Mehrmals im Monat ist sie nämlich nicht bei ihrer Familie in New York, sondern geschäftlich in der ganzen Welt unterwegs. Wie kürzlich eben in Deutschland, wo sie in Berlin durch den Tiergarten und in Hamburg am Elbstrand lief. „In Hamburg wurde ich sogar von Touristen nach dem Weg gefragt, weil sie mich für eine Einheimische hielten.“ Etwas stolz schwingt bei dieser kleinen Anekdote mit.

Brunello und Castello Banfi

Stolz ist generell ein Thema. Natürlich ist sie stolz auf das, was ihre Familie geschafft hat. Und sie selbst. Ohne Castello Banfi hätte der Brunello heutzutage nicht den Stellenwert, den er eben hat. Und auch wenn Cristina Mariani-May sich hauptsächlich für die Geschäfte verantwortlich zeichnet und die Kellerarbeit denen überlässt, die es auch gelernt haben, entscheidet sie letztlich eben doch, welche Weinstilistik für das Weingut geeignet ist, welche Weine wie vermarktet werden sollen – und so weiter. Das Große und das Ganze eben.

Und das alles macht sie dann auch noch auf eine höchst charmante Art, ist dabei konsequent auf Augenhöhe des Gegenübers und trumpft mit einer ebenso gelassenen wie ehrlichen Herzlichkeit auf. „Es gibt soviele gute Weine auf der Welt, die alle Aufmerksamkeit verdient haben.“, sagt sie, „Da kann man bei den eigenen Weinen nicht nur auf bedingungslose Qualität setzen, was wir tun, sondern muss eben auch agil sein, viel reisen – und dabei Kontakte knüpfen.“

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Der Hightech-Weinkeller „Horizon“ ©Castello Banfi

Und das kann Cristina Mariani-May in Perfektion. In ihrer Gegenwart fühlt man sich sofort wohl, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie wesentliche persönliche Details sofort abspeichert – und auch behält. Hoch professionell. Aber eben auch nicht gekünstelt. Hinzu kommt dann noch die bedingungslose Liebe zu den Weinen von Castello Banfi. Eine beeindruckende Frau.

Copyright Titelbild: ©Castello Banfi/C. Gelsi

*Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er entstand im Zuge eines Pressegesprächs ist aber weder beauftragt noch gesponsert. Sämtliche gesetzte Links dienen Servicezwecken und sind nicht kommerziell.

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3 Kommentare

  1. Faktisch wohl nach wie vor eine Männerdomäne, aber die Frauen holen deutlich und mit großem Erfolg auf und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann es sich nicht mehr lohnt, darüber zu diskutieren.
    Aktuell ist es aber noch ein Thema, deswegen gab’s bei uns auch vor ein paar Wochen eine Runde mit dem Thema „Meedels-Weine“, die recht hochklassig war und viel Spaß gemacht hat. Deshalb steht „Meedels 2“ schon in den Startlöchern, die Weine dafür sind schon reserviert…

    1. Gute Sache! Ich denke auch, dass vor allem die Winzerwelt weiblicher wird. Gekauft wird Wein aber nach wie vor hauptsächlich von Männern. Ich bin gespannt, ob und wann die Frauen da mal aufholen.

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