Nachhaltiger Weinversand - geht das bei Delinat?

Delinat jetzt auch mit Mehrweg-Weinflaschen unterwegs

Der Schweizer Biowein-Versandhändler Delinat bietet ab dem 14. August 2024 nun auch Wein in Mehrwegflaschen an. Eigentlich ist das ja eine richtig gute Sache. Trotzdem hinterlässt die Pressemitteilung einen faden Beigeschmack bei mir. Und ich verrate dir auch, warum.

Mehr Mehrweg braucht das Weinland! Darin sind wir uns wohl alle einig, wenn man sich den CO₂-Ausstoß bei der Herstellung von Einweg-Weinflaschen so anschaut. Umso glücklicher hätte ich dementsprechend sein müssen, als am vergangenen Montag eine Pressemitteilung von Delinat in meinem Postfach landete. Bevor ich aushole, sollte ich an dieser Stelle aber vielleicht erst einmal erklären, wer oder was Delinat überhaupt ist. Für alle Menschen, denen der Name nichts sagt.

Exklusive Wein-Abfüllungen für Delinat

Also, Delinat ist ein Weinversandhandel aus der Schweiz. Das Familienunternehmen mit Sitz in St. Gallen wurde 1980 gegründet. Die „Mission“ von Delinat: Europaweit den ökologischen und nachhaltigen Weinbau zu fördern und zu etablieren. Samt hoher Biodiversität, versteht sich. Und ja, auch das ist erst einmal eine gute Sache. Denn die Öko-Standards von Delinat gehen tatsächlich weit über die Anforderungen der üblichen Bio-Siegel hinaus. Sie sind irgendwo zwischen biologisch und biodynamisch angesiedelt und tangieren nicht nur die Bewirtschaftung an sich, sondern auch die an der Weinproduktion beteiligten Menschen sowie den Weintransport.

Jeder Winzer, der die Auflagen von Delinat erfüllt, kann sich dort listen lassen. Der Rest funktioniert dann halt wie ein regulärer Online-Weinhandel. So weit, so normal. Nur, dass bei Delinat halt alle Weine per se biologisch sind. Was ich persönlich auch sehr gut finde. Inzwischen halten sich über 100 Weingüter an die Delinat-Richtlinien und werden dementsprechend vom Schweizer Händler vertrieben. Wobei es sich bei den Weinen um Exklusiv-Abfüllungen handelt. Und davon verkauft Delinat nach eigenen Angaben jährlich rund drei Millionen Flaschen. Mit schönen Grüßen vom Margen-Gott. Denn schließlich haben solche Abfüllungen keine Konkurrenz, wodurch der Gewinn in der Regel höher als üblich ist.

Mann greift nach einer Weinflasche in einem Weinkarton
Weinversand ist per se nicht gerade nachhaltig. © Oliver de la Haye/iStock

Die Sache mit den Kartons

Man kann es drehen und wenden wie man will: Versandhandel ist nur bedingt nachhaltig. Also regulär ist er gar nicht nachhaltig. CO₂-Ausstoß und so. Schließlich müssen die abgefüllten Flaschen von den Weingütern erst einmal in die Delinat-Lager und von dort zu den Kunden. Gut, gegen den Kartonage-Müll hat Delinat 2018 etwas unternommen und auf eine eigene Versandlogistik umgestellt. Die Delinat-Winzer:innen liefern die Weine nicht wie üblich in Kartons an, sondern unverpackt auf Stapelpaletten, dank denen schon rund zehnmal weniger Kartonabfall entsteht. Im Hauptlager werden die Weine dann für den Versand in sehr robuste Mehrweg-Versandkartons umgepackt, die zurückgegeben und dann wieder auf die Reise geschickt werden.

In 50 deutschen Städten kann man die Kartons sogar von einem Cargobike-Zusteller wieder abholen lassen. Hört sich prinzipiell erst einmal gut an. Weil so nach Delinat-Angaben 50 Prozent weniger Neukartonage im Umlauf ist. Doch auch wenn die Kartons mit dem Fahrrad abgeholt werden, kommt halt doch irgendwann ein Lkw zum Einsatz. Je nach Fahrtstreckenlänge kann das dann auch schon mal mehr CO₂ produziert als eingespart werden. Mein ja nur. Nachhaltig ist das für mich nur bedingt. Marketingtechnisch ist es allerdings genial. Man gibt den konsumierenden Menschen ein gutes Gefühl in Sachen Umwelt- und Klimaschutz. Da macht man doch gerne mit, oder? 😉

Mann hält Blatt mit einem Nachhaltigkeitssymbol zwischen den Fingern
Wie nachhaltig ist das alles wirklich? © Thx4Stock/iStock

Mehrweg-Flasche für Delinat-Weine

Und jetzt folgt mit einem eigenen Mehrweg-System für die Delinat-Weine eben der nächste Schritt. Delinat hat sich von Wiegand Glas nach deren Eco2Bottle-Konzept eine eigene Flasche designen lassen. Ab dem 14. August 2024 gibt es also noch eine weitere Flaschenform auf dem Markt. Halleluja! Aber schauen wir uns die Mehrwegflasche mal im Detail an. Diese besteht zu mindestens 92 Prozent grünem Altglas. Okay, das ist viel. In der Regel kommen maximal 80 Prozent zum Einsatz. Dadurch spart man bei Delinat 11 Prozent Energie und 13 Prozent CO₂ ein. Das ist super.

Zugleich wirbt Delinat aber auch damit, dass die Flasche mit 392 Gramm besonders leicht ist und damit beim Transport deutlich weniger CO₂ verursacht. Ähm. Sooo leicht ist das nun auch wieder nicht. Die Nachhaltig-Austria-Weinflaschen mit einem Anteil von 80 Prozent Altglas wiegen zum Beispiel nur 350 Gramm. In der Masse der produzierten Flaschen macht das schon einen kleinen Unterschied. 350 Gramm hat sich übrigens auch der Sustainable Wine Roundtable (SWR) als Ziel gesetzt. Hier ist Delinat übrigens nicht Mitglied. Und dann gibt es seit Ende 2023 ja auch noch die von Verallia produzierte leichteste Bordeaux-Flasche der Welt. Die wiegt lediglich 300 Gramm. Da geht also noch was, wenn man nicht krampfhaft an einer weiteren Sonderform festhält.

Mann greift sich leere Weinflaschen
Nein, das sind nicht die neuen Mehrwegflaschen von Delinat, aber ich habe halt ein Bild gebraucht. © Claudio San/iStock

Flasche, Flasche, du musst wandern

Es gibt aber noch einen weiteren Knackpunkt. Die Mehrwegflaschen von Delinat können im Mehrwegkarton zusammen abgegeben werden. Hört sich erst einmal gut an. Sie gehen dann aber nicht direkt zurück zu den Erzeugern, sondern erst einmal in das deutsche Delinat-Hauptlager in Grenzach-Wyhlen, das direkt an der Grenze zur Schweiz in Bayern liegt. Dort kontrolliert man die Flaschen und schickt sie dann zu Spülstraßen in der Nähe des Haupt-Abfüllungsortes. Zwar können die Winzer:innen auch selbst abfüllen, aber nicht in bereits gebrauchte Mehrwegflaschen. Da habe ich extra nachgefragt. Winzer:innen bekommen bis mindestens Ende 2025 ausschließlich neue Mehrwegflaschen. Die gebrauchten Mehrwegflaschen kommen somit nur in der Abfüllstraße von Delinat selbst zum Einsatz. Mh, da müssen dann wohl ziemlich viele gebrauchte Flaschen zwischengelagert werden? Oder will man bewusst auf Exklusiv-Abfüllungen setzen? Was aber auch egal ist, denn nachhaltig ist das für mich eh nur bedingt.

Kommen wir einfach mal zu einem Beispiel. Ich wohne in Hamburg. Wenn ich jetzt bei Delinat Weine in der Mehrwegflasche bestelle, dann werden diese verschickt. Leergut samt Karton kann ich dann von einem Lastenrad abholen lassen. Für das gute Nachhaltigskeitsgefühl und so. Tatsächlich müssen dann die leeren Flaschen aber erst einmal gut 830 Kilometer in den Süden reisen, dort kontrolliert man sie, dann transportiert man sie zu den Spülstraßen, dann zum Abfüllort und danach wieder zum Hauptlager. Dort verschickt man dann meine nächste Bestellung. Mein gutes Gefühl bleibt, aber die CO₂-Einsparung schrumpft trotzdem mit jedem Kilometer.

Weinflaschen in der Abfüllanlage
Wo füllt Delinat eigentlich die Weine ab? © Temis/iStock

Warum nutzt Delinat kein bestehendes Mehrweg-System?

Womit ich jetzt bei meinem höchstpersönlichen Beigeschmacksverstärker angekommen wäre. Warum entwickelt man ein eigenes Mehrwegsystem und nutzt nicht das bestehende der Wein-Mehrweg eG? Das habe ich natürlich auch die Dame gefragt, die mir die Pressemitteilung geschickt hat. Also, das System der Wein-Mehrweg eG sei zu regional und baut auf einem Pfandsystem aus. Delinat hat hingegen einen eigenen Kreislauf entwickelt. Okay, das ergibt Sinn. Doch man hätte ja trotzdem die Flaschen nutzen können. Denn genau das ist ja der Vorteil aus Württemberg: Es ist ein offenes System. Jedes interessierte Weingut kann mitmachen, man baut auf dem bestehenden Pfandsystem auf, in das die Mehrwegflaschen im besten Fall integriert werden sollen. Das Mehrweg-System von Delinat ist indessen in sich geschlossen und abgekoppelt von allen gängigen Rückgabewegen. Und: Es ist kein Pfandsystem. Was es dann dem Verbrauchenden besonders einfach macht, die Flaschen eben nicht zurückzugeben, sondern zu entsorgen, wenn die Rückgabe mal nicht in den eigenen Alltag passt. Gutes Gefühl hin oder her.

Klar, Delinat ist so etwas wie der Bertelsmann Buchclub samt Bofrost-Lieferung für Weintrinkende. Man will die Kundschaft an sich binden und nicht Gefahr laufen, dass sie vielleicht auch andere Weine trinkt. Und trotzdem. Drei Millionen Flaschen jährlich. Das wäre der Push gewesen, den die Wein-Mehrweg eG bräuchte, um aus dem regionalen Knick zu kommen und den Sprung ins Überregionale zu schaffen. Aber nein, da kocht jeder sein eigenes Süppchen. Ein wirtschaftliches Risiko wäre es meiner Meinung nach übrigens nur bedingt gewesen. Schließlich hätte man mittelfristig von den zusätzlichen Kontaktpunkten profitieren können – ohne sich allzuweit öffnen zu müssen. Schade. Echt schade.

Vier Frauen stoßen mit Weißwein an - ob der von Delinat ist?
Mit einem geschlossenen Mehrweg-System für Wein lässt sich halt wunderbar Kundschaft binden. © petrenkod/iStock

Wein? Egal! Es gibt doch Hannes Jaenicke!

Ach ja, die ersten Mehrweg-Weinflaschen von Delinat werden übrigens am 14. August 2024 in München ausgeliefert. Um was für Weine es sich handelt, weiß ich nicht. Wurde in der Pressemitteilung nicht mit einem Wort erwähnt. Der Inhalt scheint nicht so wichtig zu sein. Allerdings begann die Pressemitteilung mit der großen Ankündigung, dass Schauspieler und Delinat-Botschafter Hannes Jaenicke die ersten Auslieferungen persönlich begleiten wird. Ah ja. Ich persönlich erwarte mir da von einem Weinhändler irgendwie andere Prioritäten.

Außerdem hieß es weiter, dass es das Ziel sei, zukünftig einen Großteil der Delinat-Weine in diesen Mehrwegflaschen anzubieten. Was man unter Großteil versteht und bis wann dieser Schritt erfolgen soll? Ich habe nachgefragt. Man weiß es bei Delinat noch nicht. Aber „in den nächsten Monaten“ möchte Delinat etwa 500.000 Flaschen in den Kreislauf einführen. Ah, ja. Das ist ja mal super transparent. Nicht. Was bleibt, ist der schale Beigeschmack, dass Nachhaltigkeit manchmal vielleicht doch gar nicht so nachhaltig ist. Sorry, da bin ich raus.

Copyright Titelbild: © pcess609/iStock

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine eigene Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen alleine Service-Zwecken.

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