Zwei Tabletts mit Discounter-Champagner

Darum ist Discounter-Champagner so günstig

Mindestens einmal im Jahr kramen viele Fernseh- und Print-Redaktionen ihre Vergleichstest in Sachen Schaumwein aus den Archiven. Dauerhit ist dabei meist der Discounter-Champagner, der ja so viel preiswerter ist und bei dem man keinen Qualitätsunterschied schmecken kann. Aber ist das wirklich so? Schauen wir uns das mal genauer an.

Um zu verstehen, warum Discounter-Champagner so viel günstiger ist als die meisten großen Marken wie etwa Veuve Clicquot oder Moët & Chandon oder so ziemlich jeder Winzerchampagner, sollten wir uns erst einmal anschauen, wie der Schaumwein in der Champagne hergestellt wird. Denn da findet man eigentlich schon des Pudels Kern. Most ist dort nämlich nicht gleich Most.

In Sachen Champagnerproduktion gibt es beeindruckend viele Regeln. Es wird nicht nur vorgegeben, welche Rebsorten reinkommen dürfen und dass die Trauben mit der Hand geerntet werden müssen. Auch die Ertragsmenge ist knallhart reguliert. Und wird sogar jedes Jahr neu festgelegt. Das alles gilt für sämtliche Weinbauern in der Champagne. Auch die Mostmenge ist reglementiert. Aus 160 Kilogramm Trauben dürfen maximal 102 Liter Most gepresst werden.

Geöffnete Champagnerflaschen im Detail.
Es müssen wahrlich nicht immer Moët & Chandon oder Veuve Clicquot sein, aber besser als Discounter-Champagner sind sie allemal ©Mikuratv/Pixabay

Champagner-Herstellung auf einem Blick

Jetzt fasst eine Presse (vor allem eine Korbpresse, die nach wie vor gerne in der Region zum Einsatz kommt) natürlich mehr als 160 Kilogramm. Bleiben wir mal bei der traditionellen Korbpresse. Da passen 4.000 Kilogramm Trauben rein, die dann insgesamt 2.550 Liter Most ergeben dürfen. Der erste Most entsteht ganz ohne Druck allein aufgrund der Schwerkraft. Es ist der freilaufende Saft. Er gilt als besonders hochwertig, weil in ihm zum einen kaum Gerbstoffe aus den Kernen oder der Beerenschale sind. Zum anderen ist der Anteil an Weinsäure besonders hoch. Diese sorgt später dafür, dass der Champagner sehr lebendig wirkt und sich zudem auch lange lagern lässt. Diesen ersten, freilaufenden Most nennt man “tête de cuvée”.

Ist diese “tête de cuvée” erst einmal abgelaufen, presst man die Trauben erstmals sanft. Heraus kommt die “première taille”. Immer noch ordentlich, wenn auch nicht mehr so hochwertig wie die “tête de cuvée”. Bei der dann folgenden finalen Pressung, die man “deuxième taille” nennt, muss schon ordentlich Druck angewendet werden. Dieser Most ist gröber, hat mehr Apfelsäure und natürlich sehr viele Gerbstoffe aus den Kernen und Beerenschalen. Diese “deuxième taille” wird in der Regel weder von Champagnerwinzern noch von den großen Handelsmarken für den eigenen Champagner verwendet, da er den hohen Qualitätsansprüchen nicht mehr genügt.

Zwei Männer füllen eine Korbpresse mit weißen Trauben in der Champagne
Traditionelle Korbpresse in der Champagne ©Kloeg008/iStock

Basis für den Discounter-Champagner

Ihr ahnt es vielleicht schon: Genau diese “deuxième taille” ist die Basis für Discounter-Champagner. Auch dieser Most unterläuft später natürlich die zweite Gärung in der Flasche und muss dort – ebenso wie jeder andere Schaumwein aus der Region – mindestens 15 Monate auf der Hefe reifen, ehe er dégorgiert wird und auf den Markt gebracht werden darf. Diese zweite Gärung kann beim Weinbauern selbst stattfinden wie auch bei einer Genossenschaft oder einem der großen Champagnerhäuser. Wenn er fertig ist, landet dieser schlichte Champagner dann bei einem der zahlreichen Großabnehmer, auch “marque d’acheteur” genannt. Diese kaufen fertige Schaumweine aus unterschiedlichen Quellen in der Champagne ein, um sie dann als günstige Marke auf den Markt zu bringen. Voilà: Discounter-Champagner.

Also ein Champagner, der allen Richtlinien entspricht und sogar aus Premier- oder Grand-Cru-Lagen stammen kann, dessen Basis aber der gerbstoffreiche Most ist. Mal ganz davon abgesehen, dass auch auf die Assemblage, also den Verschnitt der verschiedenen Grundweine aus den unterschiedlichen Jahrgängen, nicht soviel Mühe entfällt wie zum Beispiel beim legendären Cristal von Louis Roederer oder dem noch legendäreren Champagner Dom Pérignon. Um mal das andere Ende des Qualitätsspektrums mit ins Spiel zu bringen.

Eine Flasche Dom Pérignon Champagner wird auf Eis gekühlt
Zwischen Dom Pérignon und einem Dicounter-Champagner liegen tatsächlich Welten ©Eminens/Pixabay

Zwischen Discounter-Champagner und Edel-Schaumwein

Das Problem ist halt, dass die Schaumweinerzeugung in der Champagne ganz viele strenge Richtlinien und Regeln hat, die den meisten Menschen unbekannt sind. Das ist auch nicht weiter schlimm. Was ich übrigens aus reinem Eigenschutz sage, denn gefühlt habe ich bis jetzt auch nur an der Spitze des Eisbergs gekratzt. Je mehr ich mich aber mit dem Thema Champagner beschäftige, desto deutlicher kann ich Unterschiede erkennen. Und vor allem: schmecken. Deswegen macht es mich einfach traurig, wenn zum Beispiel ein Discounter-Champagner mit einer Prestige-Kreszenz verglichen wird. Ihr wisst schon: Äpfel und Birnen!

Mal ganz davon abgesehen, dass die Schaumweinwelt der Champagne weit, weit mehr zu bieten hat als Discounter-Champagner, große Handelsmarken mit ihrem klar definierten Geschmack und die superteueren Prestige-Champagner. Denn dazwischen gibt es wahnsinnig viele spannende Winzerchampagner. Auch hier sollte man immer die Spreu vom Weizen zu trennen, keine Frage. Aber es lohnt sich allemal, bei diesem Thema etwas tiefer in die Materie einzusteigen, bevor man pauschal einen Discounter-Champagner mit einem tatsächlich edlen und individuellen Schaumwein gleichsetzt. Hier habt ihr zumindest erst einmal erfahren, warum Discounter-Champagner soviel weniger kosten. Und warum sie mit den hochwertigen Erzeugnissen der Region nicht wirklich viel zu tun haben. Bevor ihr also knapp 15 Euro für einen Champagner im Discounter ausgebt, investiert das Geld doch lieber in einen deutschen Winzersekt. Da bekommt ihr meist wesentlich mehr Qualität für den gleichen Preis. 😉

Copyright Titelbild: ©Pexels/Pixabay

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

9 Kommentare

  1. Unglaublich, aber wahr, aber die Heidsieck-Champagner-Familien sind tatsächlich entferntere Verwandtschaft meinerseits. Bis auf ein großes, mit Delikatessen überladenes Familientreffen habe ich da persönlich jedoch noch nicht viel von gehabt. (Ich wurde allerdings nach Reims eingeladen und bin dem damals nicht nachgekommen, ich Trottel) Dennoch muss ich gestehen, dass ich nen Schaumwein hin und wieder schon ganz gerne trinke. Und wenn es so weit ist, auch mal gern etwas mehr dafür ausgebe.

    Deinen Beitrag fand ich daher einmal mehr sehr interessant. Ich stecke nicht annähernd so tief in der Thematik, aber wenn man, wie ich gerade, damit anfängt, sich weitergehend im Internet schlau zu machen, hat ein Blog-Beitrag wieder alles richtig gemacht. 🙂

    LG
    Stefan

    1. Moin Stefan! Entfernte Verwandtschaft? Mega! Die Einladung hättest du aber tatsächlich annehmen sollen. Bei mir steht eine Reise in die Champagne ja noch aus. Was mich aber nicht daran hindert, sehr viel zu probieren und mich so richtig in die Thematik einzugraben. Ich suche mir jedes Jahr ein kleines Weinprojekt, ein Thema, das ich dann etwas tiefergehend erkunde. Da 2020 Urlaub weitestgehend ausgefallen ist, ist mein Projekt 2021 Rosé-Champagner. Das Urlaubsgeld wurde gnadenlos zweckentfremdet. Auf Insta stelle ich jetzt erst mal jeden Sonntag einen Rosé-Champagner vor. 😉 Freut mich übrigens sehr, dass du den Text interessant findest. 🙂 LG Nicole

      1. Ja, im nachhinein habe ich mich da auch etwas über mich selbst geärgert. Inzwischen habe ich leider auch keinerlei Kontakt mehr nach Reims. Und mein Französisch hat zudem ebenfalls ganz schön gelitten. 😉
        Da bin ich sehr gespannt, was du uns im laufenden Jahr hier kredenzt. Muss gestehen, dass du es auch bei einem mir eher fremden Thema immer wieder schaffst, die Neugier zu wecken. Und meine Freundin guckt jetzt bei deinem Blog auch immer öfter rein. 🙂
        LG Stefan

  2. Liebe Nicole, vielen Dank für diese super Aufklärung. Schade eigentlich, dass die Champagner- Häuser sozusagen selbst dafür verantwortlich sind, dass solch eher mindere Qualität im Umlauf ist 🙂

    1. Na ja, irgendwo muss die Taille ja hin. Ist ja trotzdem noch guter Most. Nur eben nicht so gut wie die Tête du Cuvée.

Kommentar verfassen