Aus einer Weinflasche wird bei Sonnenuntergang Wein in zwei Weingläser gefüllt

Feinherb versus halbtrocken: Das sind die Wein-Unterschiede

In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Begriff feinherb etabliert. Für viele Menschen ist diese Bezeichnung ein Synonym für halbtrocken. Tatsächlich gibt es da aber ein paar Unterschiede. Und die schauen wir uns jetzt mal an.

Eigentlich ist der Unterschied von halbtrocken und feinherb schnell auf den Punkt gebracht. Denn halbtrocken ist als Angabe für den Geschmack eines Weins im deutschen Weingesetz verankert. Feinherb nicht. Für die eine Bezeichnung gibt es also jede Menge Regeln, für die andere nicht. Widmen wir uns erstmal den halbtrockenen Weinen, um besser ableiten zu können, was feinherb ist.

Halbtrockener Wein – eine Annäherung

Also, laut deutschem Weingesetz darf ein halbtrockener Wein zwischen 9 und 12 Gramm Restzucker pro Liter haben, beziehungsweise bis zu 18 Gramm. Dann ist es aber wichtig, dass die Differenz zwischen Zuckergehalt im Vergleich zur Gesamtsäure nicht mehr als 10 Gramm betragen darf. Beispiel: Hat ein Tropfen 7 Gramm Gesamtsäure, darf der Restzuckergehalt höchstens 17 Gramm betragen, damit sich der Wein halbtrocken nennen darf. Bei 18 Gramm wäre er dann bereits lieblich. Das geht natürlich auch in die andere Richtung.

Bei einem trockenen Wein wiederum liegt der Restzuckergehalt zunächst einmal unter 4 Gramm pro Liter. Allerdings darf bei einer Differenz zwischen Gesamtsäure und Restzucker von höchstens 2 Gramm der Restzuckergehalt auch bis zu 9 Gramm betragen. Nehmen wir mal an, ein Wein hat 7 Gramm Restzucker pro Liter. Damit wäre er mit 5 Gramm Säure noch trocken. Nun hat genau dieser Wein aber 4 Gramm Gesamtsäure. Voilà, der Wein ist nicht mehr trocken, sondern halbtrocken. Durch diese Rechenregel soll sichergestellt werden, dass Säure und Zucker ausbalanciert sind. Wenn du denkst, dass all diese Regeln und Rechenbeispiele verwirrend sind, dann kann ich da noch ganz easy einen draufpacken. 😉

Zuckerwürfel in einer Holzschale und loser Zucker auf einem Holzlöffel und Holztisch
Wieviel Restzucker hat ein feinherber Wein? © EBlokhina/iStock

Süßegrade beim Schaumwein

Was für Weine gilt, greift nämlich nicht bei Schaumweinen. Da habe ich dir ja schon mal in einem anderen Text erklärt, dass man hier die Süßegrade anders definiert. Ein halbtrockener Prickler hat so zum Beispiel zwischen 32 bis 50 Gramm Restzucker pro Liter. Wobei nicht unbedingt halbtrocken auf dem Etikett stehen muss. Denn auch internationale Synonyme wie Demi-Sec, Medium Dry oder Semi-Seco sind hier durchaus zu finden.

Noch verwirrender wird es, wenn man Schaumwein mit feinherb in Verbindung bringen möchte. Denn bei Sekt und Co. gibt es so schöne Begriffe wie herb, extra herb und naturherb. Diese haben mit feinherb aber tatsächlich so rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil! Steht feinherb bei Stillweinen für eine gewisse Restsüße, handelt es sich bei Schaumweinen um brut, extra brut und brut nature um Gewächse mit besonders wenig Zucker. So kann man interessierte Weinneulinge dann ganz schnell abschrecken. Kein Wunder, dass es Winzer gibt, die immer mal wieder versuchen, diesen ganzen Weinbegriffdschungel etwas konsumentenfreundlicher zu gestalten. Und wirtschaftlicher. Womit wir dann mal bei der Entstehungsgeschichte von feinherb wären.

Drei Frauen sitzen im Wohnzimmer auf dem Boden und stoßen mit feinherben Weißwein an
Es ist übrigens ein Klischee, dass vor allem Frauen feinherben Wein bevorzugen. © monkeybusinessimages/iStock

Feinherb: Ein Begriff und seine Anfänge

Dafür müssen wir in die 1990er-Jahre springen. Damals änderte sich nämlich der deutsche Weingeschmack recht nachhaltig. Denn statt zu halbtrockenen oder gar lieblichen Weinen, griffen die Deutschen immer häufiger zu trockenen Tropfen. Was als Trend begann, setzte sich schließlich sehr nachhaltig durch. Plötzlich hatten Winzer Schwierigkeiten, ihre halbtrockenen Gewächse an den Weinliebhaber zu bringen. Selbst Prädikatsweine wie Spätlese und Co. baute man deswegen immer öfter trocken aus. Was nicht allen Weinen gleichermaßen gut tat. Ein Riesling Kabinett von der Mosel lebt zum Beispiel davon, dass es hier ein schönes Süße-Säure-Spiel durch eine gewisse Restsüße gibt. Um nur mal eines von vielen, vielen Beispielen zu nennen.

Dieses Problem lösten in den Jahren 2000 und 2001 ein paar Winzer von der Mosel auf eigene Weise. Denn statt halbtrocken nannten sie ihre Weine einfach feinherb. Die Intention: sie wollten einen Begriff verwenden, der nicht ganz so altbacken und vorbelastet ist. Ohne dabei natürlich die eigene Weinstilistik groß anpassen zu müssen. Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Anderen Winzern sowie dem Gesetzgeber war die Feinherb-Bezeichnung ein Dorn im Auge. Einfach, weil es dazu mal so gar keine Regeln gab. Natürlich landete die ganze Sache dann vor Gericht. Vor dem Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz, um genau zu sein. Und das gab den Feinherb-Winzern Recht! Danach breitete sich feinherb im Lauffeuer auf den Weinetiketten der Republik aus.

Blick auf die Moselschleife vom Weingarten aus
An der Mosel kreierte man mit feinherb einen neuen Weinbegriff. © DWI

Die vielen Gesichter von feinherben Weinen

Aber gerade weil es eben keine gesetzliche Regelung gibt, ist feinherb eben nicht gleich feinherb. Heutzutage wird der Begriff gerne als Synonym für halbtrocken verwendet. Um es zu vereinfachen. Tatsächlich kann der Restzuckergehalt eines feinherben Weins aber zwischen 9 und 45 Gramm betragen. Alles schon im Glas gehabt. Gerade am oberen Ende der Skala schmeckt der Wein dann tatsächlich nur noch süß. Um zu wissen, welcher Winzer was unter feinherb versteht, muss man also schon die Stilistik des Weinguts kennen. Also ähnlich wie im französischen Elsass. Jedenfalls bis vor Kurzem.

Denn da ist es seit dem Jahr 2022 Pflicht, den Restzuckergehalt auf das Weinetikett zu drucken, damit der Konsument eine bessere Orientierung hat. Wenn man sich dann anschaut, wie krass unterschiedlich der Restzuckergehalt bei feinherben Weinen hier in Deutschland sein kann, wünscht man sich diese Regelung hierzulande auch irgendwie. Oder man greift eben doch zu halbtrockenen Weinen, weil man da wenigstens weiß, in welchem Süßerahmen man sich bewegt.

Gerade, wenn man Weine mit Restsüße zum Essen genießen will, lohnt es sich schon zu wissen, wie viel Zucker da ungefähr drin sein könnte. Ein feinherber Wein am oberen Ende der Süßeskala mag zu einem besonders pikanten Curry oder einer feurigen Currywurst eine gute Wahl sein. Zu einem Flammkuchen darf es dann aber gerne etwas weniger Restsüße sein. Mehr Verbindlichkeit bei feinherben Weinen wäre da schon aus genusspraktischen Aspekten eine prima Sache.

Copyright Titelbild: © Rostislav Sedlacek/iStock

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

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