Franken: Weinregion mit Geschichte
Von wegen nur Silvaner! Franken hat als Weinregion viel mehr zu bieten als Spargelwein im Bocksbeutel – um mal ein Klischee etwas überspitzt darzustellen. Schauen wir uns das Weinanbaugebiet am Main mal genauer an.
Liegt es denn nun an den verträumten Fachwerkhäusern entlang des Mains oder doch am Bocksbeutel, dass Franken seinen etwas trutschigen Ruf einfach nicht los wird? Denn eigentlich spielt die Weinregion (mit 6.100 Hektar Rebfläche übrigens das sechstgrößte Weinanbaugebiet in Deutschland) nur einmal im Jahr in der Öffentlichkeit eine etwas präsentere Rolle. Pünktlich zu Beginn der Spargelzeit werden auf unzähligen Social-Media-Kanälen und in Genussmagazinen wieder die Silvaner rausgekramt und vor die Kamera gehalten. Und dieser Silvaner steckt natürlich meistens im Bocksbeutel. Ist ja so schön typisch für Franken.
In der Regel folgt dann ein Loblied auf die Region und ganz viel Applaus für die Rebsorte Silvaner. Man beteuert sich gegenseitig, dass Silvaner ja eh ein prima Speisenbegleiter sei, den man nicht nur zum Spargel genießen könne und der eigentlich auch ganzjährig ins Glas gehöre. Es folgen Versprechen, dass man der Weinregion sowie der Rebsorte fortan mehr Aufmerksamkeit schenken werde. Was dann aber schnell vergessen ist. Bis das Spiel dann pünktlich zur nächsten Spargelsaison von Neuem losgeht. Und ja, ich darf mir da auch ganz eindeutig an die eigene Nase fassen.
Mehr als Silvaner: Frankens Rebsorten
Falls du jetzt übrigens an einigen Stellen genickt hast, dann ist jetzt auch deine Nase dran. Denn Franken ist so viel mehr als “nur” Silvaner-Heimat! Widmen wir uns also direkt mal den Rebsorten. Und stellen Erstaunliches fest. Denn bis 2019 dominierte tatsächlich die weiße Rebsorte Müller-Thurgau die Rebflächen in Franken. Dir ist die Traube vielleicht auch als Rivaner bekannt. Ein Begriff, den immer mehr Winzer verwenden, weil es sich nicht ganz so altbacken und massentauglich bieder wie Müller-Thurgau anhört. Aber das nur am Rande. Also: Obwohl Silvaner den Ruf der Weinregion prägte, regierte hier halt Müller-Thurgau. 2019 dann eben der Wechsel im Ranking. Momentan sind 24,8 Prozent aller Weingärten mit Silvaner bestockt. Müller-Thurgau folgt mit 24,3 Prozent direkt dahinter.
Auf dem dritten Platz finden wir eine weiße Rebsorte, die noch enger mit Franken verbunden ist als Silvaner. Nämlich Bacchus. Aber doch recht weit abgeschlagen mit 12,3 Prozent. Bei Bacchus handelt es sich tatsächlich um eine kleine regionale Spezialität, aus der vor allem liebliche Weine gekeltert werden, die in den rustikaleren Wirtshäusern am Main nach wie vor sehr beliebt sind. Riesling, Scheurebe und Rieslaner (eine Kreuzung aus Riesling und Silvaner) gedeihen in Franken ebenso. Tatsächlich sind hier 83 Prozent aller Rebflächen mit weißen Trauben bestockt. Auf der roten Seite führt Spätburgunder den Reigen an, gefolgt von Domina, Portugieser und Regent. Du siehst: In Franken geht mehr als “nur” Silvaner!
Karl der Große und der Franken-Wein
Wobei Silvaner im Fränkischen dann halt doch DIE Paraderebsorte schlechthin ist. Was zum einen historisch bedingt ist, zum anderen aber auch mit der Geologie zusammenhängt. Schauen wir uns zuerst die Geschichte der Weinregion Franken an. Und die beginnt mit Karl dem Großen (768 bis 814), der als Urvater des fränkischen Weinbaus gilt. Eben weil er am Main die ersten Reben pflanzen ließ. Generell war der Frankenkaiser ein waschechter Weinfanatiker. Er trank die Gewächse nicht nur gerne, sondern half den Winzern dabei, ihre Rebflächen zu vergrößern oder neue Keltertechniken zu entwickeln.
Der Weinbau in Franken boomte unter seiner Ägide. Und zwar derart, dass es auch nach seinem Tod weiterging. Da übernahmen dann vor allem Mönche sowie der regionale Adel. Von deren erfolgreicher Arbeit zeugen heute übrigens noch die Staatliche Hofkellerei, das Juliusspital sowie das Bürgerspital zum Heiligen Geiste in Würzburg. Diese wurden nämlich genau in dieser Zeit gegründet. Apropos Bürgerspital: Hier lagert noch eine letzte Flasche des ältesten, noch trinkbaren Weins der Welt! Er stammt aus dem Jahr 1540 – und aus der Würzburger Spitzenlage Stein. Bis 1961 gab es davon zwei Flaschen. Doch dann öffnete man eine anlässlich einer Raritätenprobe in London, an der auch Hugh Johnson teilnahm, der dann wieder und wieder darüber schrieb. Aber das ist eine andere Geschichte.
Warum Würzburg Geschichte atmet
Kommen wir lieber zurück nach Würzburg. Falls du mal vor Ort bist, dann besichtige bitte mal den riesigen Weinkeller der Mittelalter-Festung Marienberg. Hier bekommst du eine Ahnung davon, wie hoch der Stellenwert von Wein damals in Franken tatsächlich war – und dessen wirtschaftliche Kraft im Mittelalter. Was natürlich auch gierige Profiteure anzog. Weil Betrüger den Wein aus Franken mit Wasser streckten, um ihn gewinnbringend zu verkaufen, wurde 1482 zum Beispiel in Kitzingen die “Ordnung zur Reinheit” verabschiedet. Warum das wichtig ist? Weil daraus dann zehn Jahre später das erste deutsche Lebensmittelgesetz entstand. Ist ja auch mal ganz interessant zu wissen.
Nicht minder interessant ist übrigens, dass sich das Weinanbaugebiet damals sogar bis zur heutigen Oberpfalz, rund um die Donau, dem Altmühltal und Oberfranken erstreckte. Im Spätmittelalter standen so 40.000 Hektar unter Reben. Was Franken dann zum größten zusammenhängenden Weinanbaugebiet in Europa machte. Heute erstrecken sich die aktuell 6.100 Hektar von der Rhön im Norden, dem Steigerwald im Osten, dem Taubertal im Süden und dem Spessart im Westen.
Willkommen in Franken: Bocksbeutel und Silvaner
Bevor wir aber zu den Gründen für diesen radikalen Kahlschlag kommen, beleuchten wir erst einmal zwei andere Glanzlichter, die Franken als Weinregion bis heute maßgeblich prägen. Und die zeitlich sehr nah zusammenfallen. Das 17. Jahrhundert brachte nämlich nicht nur den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) nach Franken, sondern auch den Bocksbeutel und die ersten Silvaner-Reben. Erster wurde, das ist dokumentiert, am 5. April 1659 eingeführt. Die spezielle Flaschenform sollte optisch ein Alleinstellungsmerkmal für die Qualität von Frankenwein sein. Streng genommen war das also der erste Marketing-Triumph in der Geschichte des deutschen Weinbaus!
Mit dem Silvaner hatte der Bocksbeutel damals aber noch nichts zu tun. Denn tatsächlich pflanzte man die ersten Silvaner-Reben erst am 10. April 1659 in einem Castell-Weingarten in Würzburg. Also fünf Tage nach Einführung des Bocksbeutels. Diese Silvaner-Stöcke bildeten den Grundstein für die Weine, die bis heute so prägend für Franken sind. Vor allem, seitdem man Silvaner und Bocksbeutel zusammenbrachte. Eigentlich hätte das doch der ideale Startschuss für eine Erfolgsgeschichte sein müssen! Warum aber kam der Weinbau in Franken dann trotzdem fast zum Erliegen? Schauen wir uns das mal genauer an.
Fall und Wiederauferstehung einer Weinregion
Bocksbeutel und Silvaner hatten ein paar mächtige Gegner. Da wäre zunächst die Säkularisierung zu nennen. Ab 1803 verlor die Kirche ihre Macht. Und damit eben auch die Fürstbischöfe und Mönche, die so wesentlich für den fränkischen Weinbau waren. Dieser schrumpfte langsam aber sicher. Mit dem Eintreffen der Reblaus, die natürlich auch in Franken wütete, wurden die Rebflächen noch einmal dramatisch dezimiert. Die beiden dann folgenden Weltkriege führten dann sogar fast zum Todesstoß. 1950 betrug die Rebfläche in Franken gerade einmal 2.485 Hektar.
Zum Glück half dann die bayerische Regierung aus. Man förderte Genossenschaften, fasste Rebflächen zusammen und ordnete sie neu. Der Weinbau in Franken berappelte sich wieder. Hinzu kam, dass sich die Winzer endlich auf ihr Terroir besannen. Womit wir jetzt endlich bei der höchst spannenden Geologie in Franken sind!
Franken und seine Böden
Um die besser zu verstehen, müssen wir zunächst 250 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit reisen. In das Urzeitalter der Trias. Damals zogen sich die Urmeere zurück, der Main formte sich ebenso wie die Landmassen. Geologisch war enorm viel los. Durch den Druck und die damit einhergehenden Verwerfungen bildeten sich drei Bodenarten heraus. Muschelkalk, Buntsandstein und Keuper. Diese prägen natürlich auch heute das Terroir in Franken. Das Besondere daran: Sie liegen in direkter Nachbarschaft zueinander. Und das ist tatsächlich einzigartig auf der Welt. Da lohnt es sich, jetzt mal etwas genauer hinzuschauen.
Maindreieck und Muschelkalk
Muschelkalk bildet so etwas wie die Seele des fränkischen Weinbaus. Das Besondere: Er ähnelt sehr dem Kimmeridgium, den man etwa im Chablis (Burgund) oder in Sancerre (Loire) findet. Rund um Würzburg prägt er den Boden. Toplagen sind hier zum Beispiel der Escherndorfer Lump oder eben der Würzburger Stein. Hier trumpft vor allem Silvaner groß auf, aus dem Weine mit einer rassigen Eleganz und verführerischen Honignoten entstehen.
Steigerwald und Keuper
Rund um das Örtchen Iphofen findet man im Steigerwald vor allem schwere Keuper-Böden. Auch hier ist Silvaner Trumpf. Allerdings sind die Weine ganz anders! Nämlich sehr körperreich und manchmal sogar wuchtig. Hinzu kommen dann noch sehr präsente gelbe Noten und viel Kräuterwürze. Diese Weine sind ganz fantastische Speisenbegleiter. Zum Spargel mögen sie etwas zu üppig sein, zum Grillen, zum Raclette oder zu Tapas können sie aber sehr viel Freude machen!
Mittelmain und Buntsandstein
Hast du schon einmal einen Spätburgunder aus Franken probiert? Wenn nicht, dann wird es höchste Zeit! Denn vor allem die Gewächse vom Mittelmain, aus Gemeinden zwischen Klingenburg und Wertheim, lohnen sich sehr. Hier sorgt Buntsandstein für eine filigrane Komplexität, zu denen sich würzige Noten gesellen. Wirklich feine Gewächse!
Besonderheit: Kristallin
Wusstest du, dass man sich in Franken lange davor scheute, Riesling anzubauen? Der Grund ist eigentlich recht simpel. Die Trauben wurden einfach nicht zuverlässig reif. Mit dem Klimawandel zog allerdings dann auch die deutsche Parade-Rebsorte in Franken ein. Denn seit 1996 reift Riesling selbst im Norden der Region zuverlässig aus. Womit wir jetzt rund um Aschaffenburg wären. Und hier gibt es eine geologische Besonderheit. Nämlich den Urgesteinsboden Kristallin. Dieser sorgt für sehr zarte Weine, die trotzdem eine Menge Extrakt haben. Genau hier läuft Riesling zur Hochform auf.
Franken ist eine Reise wert
Du siehst: Franken ist tatsächlich viel mehr als Silvaner und Bocksbeutel. Wobei beide natürlich schon die Weinidentität der Region prägen. Ebenso übrigens wie der Begriff “fränkisch trocken”. Die Franken stehen nämlich nicht so sehr auf Restsüße. 90 Prozent aller Weine werden mit weniger als vier Gramm Zucker mal so richtig trocken ausgebaut. Halt fränkisch trocken.
Ich muss gestehen, dass ich eigentlich noch viel, viel mehr über die Weinregion schreiben könnte. Aber einen Roman möchte ich ja nun auch nicht produzieren. Deswegen empfehle ich dir, die Vielseitigkeit des Weinanbaugebiets einfach selbst zu entdecken. Das Gute: in Franken ist eigentlich immer etwas los. Entweder du verbindest Wein mit Geschichte und Kultur in Würzburg oder du besuchst eines der 300 Weinfeste, die jedes Jahr stattfinden. Naturliebhaber kommen indes auf den fünf Wanderwegen von “Boden & Wein” auf ihre Kosten. Was dann auch für den Fränkischen Rotwein-Wanderweg oder aber terroir f gilt. Da ist also auch touristisch für jeden etwas dabei!
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