Gemischter Satz: Vom Standard zur Rarität
Warum gibt es eigentlich nur in Österreich die Bezeichnung Gemischter Satz? Was ist das eigentlich genau? Und findet man ihn auch in anderen Ländern? All diesen Fragen widmen wir uns jetzt.
Am Anfang steht die Definition. Denn ein Gemischter Satz wird immer noch gerne mit dem Begriff Cuvée in einen Topf geworfen. Dabei gibt es da einen gewaltigen Unterschied. Auch wenn die Intention dahinter tatsächlich recht ähnlich ist. Für eine Cuvée werden unterschiedliche Rebsorten separat bewirtschaftet, gelesen, gekeltert und ausgebaut. Erst dann verschneidet man die fertigen Weine miteinander, um so eine bestimmte Stilistik quasi zu komponieren. Für einen Gemischten Satz allerdings wachsen die unterschiedlichen Rebsorten gemeinsam in einem Weingarten. Sie werden gemeinsam gelesen, gemeinsam gekeltert und ausgebaut. Also nichts von wegen Komposition. Eher fängt hier das gesamte Orchester direkt an zu spielen.
In einer Zeit, in der die meisten Weingärten dieser Welt ganz gezielt mit jeweils nur einer Rebsorte bestockt sind, wirkt dieses Durcheinander an Trauben recht exotisch. Tatsächlich war aber gerade in Europa diese Bewirtschaftung bis weit ins 19. Jahrhundert Gang und Gäbe! Ausnahmen bestätigen die Regel. Wie etwa die Benediktinerabtei Johannisberg, die heutzutage als Schloss Johannisberg bekannt ist. Dort im Rheingau entstand im Jahr 1720 der erste Riesling-Weinberg der Welt. Was aber nichts daran ändert, dass man damals gemeinhin im Gemischten Satz pflanzte. Das hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Denn auch, wenn es eine Rebsorte nicht bis zur Reife schaffte oder aufgrund von Wetter oder Krankheit komplett ausfiel – es gab immer eine Ernte. Gerade in kühleren Klimazonen ist das ein großer Vorteil.
Gemischter Satz: Wie er verschwand
Mal ganz davon abgesehen, dass man so manche geschmackliche Schwäche kaschieren konnten. Rebsorten werden nun mal nicht alle gleichzeitig reif. Wenn die Trauben aus einem Mischsatz stammen, sind also ebenso noch grüne wie auch überreife Beeren dabei. Und alle bringen eine eigene Note in den Wein. Stilistisch ist so ein Gemischter Satz dadurch natürlich recht unzuverlässig. Er kann jedes Jahr anders schmecken. Bei einer Cuvée hingegen kann man die Rebsortenanteile so geschickt miteinander vermählen, dass ein Wein Jahr für Jahr gleich schmeckt.
Wie kommt es aber, dass man heutzutage kaum noch Weingärten mit Mischsatz findet? Nun, das ist zuallererst einmal der Reblaus zu verdanken, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in Europa rasant ausbreitete und ein Großteil der Weinbauflächen vernichtete. Als man dann die Rebflächen wieder aufbaute, pflanzte man die Stöcke reinsortig. Denn damals hatte man bereits erkannt, dass sich einige Lagen für bestimmte Rebsorten aufgrund von Boden und Mikroklima besonders gut eigneten. Warum sollte das nicht genutzt werden? Mischsätze gab es trotzdem noch viele. Vor allem in Franken war es bis in 1970er-Jahre die übliche Pflanzform. Hier tummelte sich Silvaner neben Traminer und Riesling. Erst die Flurbereinigung machte dem Gemischten Satz in Franken als Standard ein Ende.
Gemischter Satz in Europa
Wobei es den sogenannten Fränkischen Satz natürlich auch noch heute gibt. Das Weingut Scholtens hat zum Beispiel einen im Portfolio. Ebenso wie Juliusspital oder Bickel-Stumpf. Auch der Badisch Rotgold, in dem man zumeist Grau- und Spätburgunder findet, kann aus einem Gemischten Satz stammen, muss es aber gesetzlich nicht. Weil hier weiße und rote Trauben gemeinsam vinifiziert werden, darf er sich übrigens nicht Rosé nennen, obwohl er wie einer aussieht. Selbiges gilt auch für den Schillerwein aus Württemberg oder den Schieler aus Sachsen. Kann im Gemischten Satz bewirtschaftet sein, muss es aber nicht. Und dann hat ja noch der ein oder andere Winzer einen Mischsatz im Portfolio. Bestes Beispiel ist da etwa der Wein von Jochen Beurer aus seinem Museumsweinberg.
Auch in der Schweiz gibt es mit dem Schiller vor allem in Graubünden einen Gemischten Satz. Und im Burgund gibt es mit Bourgogne Passe-Tout-Grain sogar eine eigene Gemischter-Satz-Appellation. Hier wachsen laut Vorschrift Pinot Noir und Gamay gemeinsam im Weingarten. Auch im portugiesischen Dourotal gedeihen die Trauben oft noch im Mischsatz, bevor aus ihnen Portwein oder aber ein normaler trockener Wein wird. Man findet den Gemischten Satz also tatsächlich häufiger als gedacht in Europa. Man muss nur genauer hinschauen. Wobei es ein Land gibt, bei dem man tatsächlich nicht lange suchen muss. Denn hier ist Gemischter Satz tatsächlich äußerst populär. Willkommen in Österreich!
Ein Begriff wird rechtlich gesichert
In der Alpenrepublik findet man sage und schreibe 1.400 Hektar, die im Mischsatz bewirtschaftet werden. Vor allem in Wien (14 Prozent der Rebfläche), aber auch Carnuntum und Wagram. Und in der Steiermark, wo er unter den Namen Steirischer Mischsatz bekannt ist. Dass der Gemischte Satz und Österreich derart stark in der Wahrnehmung miteinander verknüpft sind, hat übrigens einen guten Grund. Denn 2009 ließ sich das Land die Bezeichnung Gemischter Satz von der EU sichern. Seitdem dürfen alle anderen Mischsätze aus der europäischen Union den Begriff Gemischter Satz nicht mehr vorne auf dem Etikett tragen.
Ein durchaus übliches Vorgehen, übrigens. Die Champagne ließ sich so etwa die Bezeichnung Méthode champenoise für die zweite Gärung auf der Flasche sichern, sodass alle anderen jetzt den Begriff Méthode traditionnelle nutzen müssen. Und ausschließlich deutsche Winzer dürfen, wenn sie denn die Kriterien erfüllen, ihren Schaumwein Winzersekt nennen. Da hatte Österreich einst das Nachsehen und musste sich marketingtechnisch neu aufstellen.
Wiener Gemischter Satz
Aber zurück zum Gemischten Satz und Österreich. Denn dort gibt es seit 2011 auch noch die Bezeichnung Wiener Gemischter Satz. Man ahnt es: diese Weine stammen ausschließlich aus Wien. Und müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So ist es zum Beispiel zwingend, dass mindestens drei Rebsorten gemeinsam in einem Weingarten stehen. Dabei darf die Leitrebsorte nicht mehr als 50 Prozent ausmachen – und die dritte Traube muss mit mindestens 10 Prozent vertreten sein. Typische Rebsorten sind hier Grüner Veltliner (natürlich!), Riesling, Chardonnay, Neuburger oder Weißburgunder. Wenn es um den Wiener Gemischten Satz geht, gehören die Gewächse von Fritz Wieninger eindeutig zu den bekanntesten – und auch besten. Nicht minder populär sind die Mischsätze vom Weingut Mayer am Pfarrplatz.
Mir persönlich gefallen aber auch die Gemischten Sätze von Jutta Ambrositsch oder Ingrid Groiss enorm. Auch der Wein vom kleinen Weingut Pedalones lohnt sich sehr. Obwohl Wien wahrlich das größte Renommee in Sachen Gemischter Satz hat, lohnt sich auch ein Blick in die anderen österreichischen Weinregionen. In Carnuntum findet man zum Beispiel bei den Weingütern Artner und Lukas Markowitsch Gewächse mit einem fantastischen Preis-Genuss-Verhältnis. Einer meiner persönlichen Favoriten ist aber der “Rot und Weiss” vom burgenländischen Weingut Lichtenberger Gonzalez. Hier vereinen sich Blaufränkisch, Zweigelt und Grüner Veltliner zu einem höchst spannenden Gemischten Satz. Du siehst: ein Blick gen Österreich lohnt sich beim Mischsatz allemal!
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Wir mögen die besondere Komplexität des Gemischten Satzes. Hier ist natürlich ganz besonders der Wiener Gemischte Satz hervorzuheben, u.a. auch der von Fuhrgassl-Huber. Für alle Wien-Besucher lohnt sich der Ausflug zum Heurigen. Hier gibt es fast überall leckere Weine zu degustieren und neben gemischtem Satz manchmal auch Weinraritäten aus alten und seltenen Rebsorten zu probieren.
Es würde mich sehr interessieren, welcher Erzeuger in Österreich denn noch Weine oder gar Gemischte Sätze aus seltenen und alten Rebsorten anbietet. Bitte mal Namen nennen! Danke!
In diesem Beitrag – wie in den allermeisten zum Thema – fehlen zwei wichtige Unterscheidungen, nämlich erstens die zwischen wurzelechten gemischten Sätzen und gepropften Mischsätzen. Und dann die zwischen Mischsätzen mit seltenen historischen Sorten und solchen mit alltäglichen Sorten.
Wurzelechte Mischsätze (und aufgelassene Rebflächen) waren und sind vor allem in Franken, Saale-Unstrut und an der Badischen Bergstraße die letzten Refugien für seltene historische Rebsorten, die vor allem Andreas Jung und Josef Engelhart wiederentdeckt haben. Das Weingut Nico Scholtens erhält und bewirtschaftet vier dieser Raritäten in Zell am Ebersberg. Den ältesten wurzelechten Mischsatz hegt das Weingut Otmar Zang. Es gibt weitere, die insgesamt aber nur noch
Die gesamte Fläche mit (überwiegend) wurzelechten, gemischten Sätzen in der Bundesrepublik, aus denen noch Flaschenweine in den Verkauf kommen, beträgt nach meinen Recherchen nur noch 37.866 m² oder 0,00377 % der deutschen Ertragsrebfläche von 2019.
In zahlreichen neu gepflanzten, sogenannten „Alten Fränkischen Sätzen“ werden diese Sorten glücklicherweise wieder vermehrt und als Genpool erhalten. Der Mischsatz von Bickel-Stumpf ist da ein Beispiel.
In Österreich gibt es meines Wissens nur noch zwei wurzelechte Mischsätze bei Bernthaler und Koppitsch. Alle Wiener Gemischten Sätze enthalten zwar unterschiedlichste Mischungsverhältnisse hinsichtlich der Rebsorten, aber keine seltenen Rebsorten mehr.
Verschwunden sind die alten Mischsätze schon aufgrund der im 19. Jahrhundert aus Amerika eingeschleppten Pilzerkrankungen, dann kam die Reblaus, dann die Reichsrebsortenliste der Nazis und dann eine darauf aufbauende Bundessortenliste sowie eine auf Hocherträge zielende Landwirtschaftspolitik.. All das hat zu einer massiven Rebsortenarmut und einem schweren Verlust an Biodiversität geführt.
1875 konnte zum Beispiel die Rebschule Blankenhorn in Ihringen am Kaiserstuhl den Winzern noch über 400 Kelter- und Tafeltraubensorten anbieten. Von den ca. 300 historisch belegten Rebsorten, die im deutschen Sprachraum eine nennenswerte Bedeutung erlangt hatten, sind heute über 90% nicht mehr für den Anbau zugelassen und wurden und werden dementsprechend züchterisch vernachlässigt.
Unter den in Deutschland zugelassenen Standardsorten und Neuzüchtungen befinden sich nur noch 27 Rebsorten, die schon vor 1900 für Deutschland dokumentiert waren.
Ich befasse mich seit 15 Jahren so intensiv mit dem Thema „Seltene Historische Rebsorten“ wie sonst nur spezialisierte Profis. Hervorgegangen ist daraus das unveröffentlichte aber stetig aktualisierte „Kompendium der deutschen Weine aus seltenen historischen Rebsorten“.