Geruchssinn trainieren: Junger Mann riecht an einem Glas mit Weißwein

Geruchssinn trainieren: So kannst du noch mehr Aromen im Wein erkennen

Übung macht den Meister. Dieses Sprichwort ist quasi universell anwendbar. Aber vor allem im Weinbereich trifft es zu. Denn sensorische Fähigkeiten wie etwa der Geruchssinn lassen sich tatsächlich trainieren. Hier erfährst du, wie das geht.

Petrolnoten, Anklänge von Kumquat und ein Hauch von zerstoßenen Muschelschalen. Fenchelsamen oder ein wenig weißer Pfeffer. Oder aber ein dezenter Oberton von Unterholz. Es sind Formulierungen wie diese, die man regelmäßig in Weinbeschreibungen lesen kann. Von nassen Steinen und Graphit ist da die Rede. Oder von Zigarrenkiste und frisch gerösteten Kaffeebohnen. Manchmal sind die Texte derart reichhaltig, dass man ob der Premiumsensoriker mit ihrem perfekten Geruchssinn aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Alles nur Show? Jein.

Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk. Ob man jetzt tatsächlich eine Kumquat riecht und schmeckt, sei mal dahingestellt. Wobei auch das nicht ausgeschlossen ist. Denn Menschen, die seit vielen Jahren professionell verkosten, haben tatsächlich einen sehr geschulten Gaumen. Und eben auch eine kenntnisreiche Nase. Von denen gehören nun wahrlich nicht alle zu den legendären Superschmecker, denen Aromen aller Arten förmlich zuzufliegen scheinen. Die meisten Verkoster haben halt einfach ihre sensorischen Fähigkeiten nach und nach geschärft. Und das kann man auch im privaten Weinbereich ganz prima machen. Als ich zum Beispiel mit WSET Level 3 angefangen habe, war ich echt nicht gut im Erkennen von Aromen. Dank steter Übung habe ich bei der praktischen Prüfung aber mit wehenden Fahnen bestanden. Meine Tricks, wie man den Geruchssinn trainieren kann, verrate ich dir jetzt.

Sommeliers trainieren ihren Geruchssinn für Wein
Den Geruchssinn kann man ganz bewusst trainieren. ©LightFieldStudios/iStock

Geruchssinn trainieren: Die Grundlagen

Um es mal vorweg zu nehmen: du musst dich nicht kasteien, um deinen Geruchssinn zu trainieren. Immer wieder hört man ja davon, dass weinbegeisterte Menschen so geschmacksneutral wie nur möglich essen, keinen Kaffee mehr trinken, eine zeitlang kein Deo benutzen und sogar auf gängige Zahnpasta verzichten. Alles nur, um die Sinne zu schärfen, damit man besser verkosten kann. Wenn sich ein Sommelier auf einen wichtigen Wettbewerb wie etwa die Weltmeisterschaft vorbereitet, dann ist das auch vollkommen legitim. Für einen normalen Weinliebhaber geht das dann aber doch ein paar Schritte zu weit.

Klar, man sollte nicht gerade Kaffee getrunken oder eine Zigarette geraucht haben, wenn man einen Wein fachgerecht verkosten möchte. Auch ist es keine gute Idee, direkt vor einer Probe Kaugummi zu kauen, sich die Zähne zu putzen oder Süßkram aller Arten zu essen. Das alles verfälscht den Geschmack. Und wirkt sich auch auf den Geruchssinn aus. Ebenso ist es eine gute Idee, mal auf das Aftershave oder das Parfüm zu verzichten, wenn man Aromen im Wein bewusst wahrnehmen möchte. Kasteien muss man sich indes aber nicht.

Parfüm wird auf ein Handgelenk gesprüht und beeinträchtigt so den Geruchssinn
Wenn man seinen Geruchssinn trainieren möchte, sollte man zuvor vielleicht mal aufs Parfüm verzichten. © Angelika-Angelika/iStock

Einmal Obstsalat für alle, bitte!

Die Grundvoraussetzung hätten wir also geklärt. Kommen wir jetzt mal zu ganz konkreten Tipps. Und die fangen sozusagen mit einem Obstsalat an. Denn der kommt dabei heraus, wenn du dir den Weg durch die Früchtewelt erschnupperst. Beginnen wir da mal mit den gängigsten Aromen. Kaufe dir zum Beispiel je einen gelben, grünen und roten Apfel. Gründlich abwaschen und dann dran schnuppern. Vielleicht fallen dir da ja schon Unterschiede auf. Falls nicht: keine Panik. Geschmacks- und Geruchssinn sind bei uns Menschen anatomisch eng gekoppelt. Also: Äpfel aufschneiden, wieder dran riechen. Und dann ganz bewusst essen. Jetzt fällt dir bestimmt auf, dass ein gelber Apfel ganz anders schmeckt als ein grüner oder roter.

Ich bin immer gut damit gefahren, bestimmte Obstsorten zu gruppieren. Nach Äpfeln kamen bei mir etwa unterschiedliche Birnensorten. Auch Mango, Ananas, Maracuja und Lychee lassen sich super in der Exotik-Kategorie zusammen verkosten, um den Geruchssinn zu trainieren. Und Steinobst! Pfirsich, Nektarine und Aprikose Seite an Seite erschnuppert und gegessen, trainiert enorm. Auch ein Klassiker: rote und gelbe Pflaume neben Zwetschge. Selbiges gilt dann auch für Beeren – von der Erdbeere über Himbeere bis zur Brombeere. Die sind natürlich nur saisonal verfügbar. Beeren aus dem Gewächshaus gibt es zwar das ganze Jahr über, aber ihre Aromen schwächeln dann doch etwas. Kleiner Pro-Tipp: kaufe dir gefrorene Beeren und taue sie sortenrein in Weingläsern auf. So entfalten sich die Aromen ganz wunderbar und dein Geruchssinn profitiert enorm.

Geruchssinn mit Obst trainieren: Obstkorb mit Birne, Trauben, Apfel und Pflaume
Und nach dem Training macht man sich einfach einen Obstsalat. © Webandi/Pixabay

Frische und getrocknete Früchte für den Geruchssinn

Und dann ist da natürlich noch die Welt der Zitrusfrüchte. Orange, Zitrone, Limette, Grapefruit und Mandarine sind da die Klassiker. Hier lohnt es sich, nicht nur an den aufgeschnittenen Früchten zu riechen, sondern auch an den Schalen. Noch eine Stufe höher gehst du beim Geruchssinn-Training, wenn du vorher Zesten von der Schale abschälst, diese für ein paar Stunden oder über Nacht antrocknen lässt und sie dann riechend mit frischen Zesten vergleichst.

Warum das nützlich ist? Weil du so besser einschätzen kannst, ob ein Wein gereift ist. Riecht es mehr nach gedörrtem Obst als nach frischen, hat der Tropfen schon einen Reifeprozess auf der Flasche durchlaufen. Stichwort Tertiäraromen. 😉 Deswegen lohnt sich auch mal eine vergleichende Runde mit frischen und gedörrten Aprikosen, Pflaumen, Äpfeln, Birnen und und und. Selbiges kann man dann auch prima mit Marmeladen und Konfitüren machen. Und immer schön die frische Variante daneben. Um meinen Geruchssinn zu trainieren hat es mir zudem sehr geholfen, an dem ein oder anderen Sirup zu schnuppern. Mit Holunderblüten konnte ich zum Beispiel lange Zeit nichts anfangen. Jetzt schon.

Ganze und halbierte Zitrusfrüchte auf einem Tisch von oben fotografiert
Zitrusfrüchte riechen tatsächlich sehr unterschiedlich. © Obodai26/Pixabay

Kräuter und Gemüse riechen

Womit wir beim weiten Feld der Kräuter und Gemüsesorten angekommen sind, die man nach dem Training dann ebenfalls zu einem Salat verarbeiten kann. Auch bei den Kräutern lohnt es sich, frische und getrocknete Varianten zu vergleichen, um den Geruchssinn zu trainieren. Basilikum, Salbei, Thymian, Rosmarin sind da sehr gängig. Aber auch Dill, Koriander, Schnittlauch, Petersilie oder Estragon. Ob nun frisch oder getrocknet: Kräuter zerreibst du am besten zwischen den Fingern, damit sie ihre Aromen freisetzen.

Manch einer mag bei Gemüse jetzt vielleicht etwas schräg gucken. Aber ja, auch die finden sich in einem Wein. Vielleicht jetzt nicht unbedingt Tomate selbst. Aber Tomatenblätter. Schon mal an einem Tomatenstängel gerochen? Nein? Einfach mal ausprobieren. Auch grüne Paprika oder weißer Kohl sind durchaus gängige Weinaromen. Extremer wird es dann schon mit Sauerkraut. Auch ein Abstecher zu Milchprodukten lohnt sich. Butter etwa. Und Joghurt.

Unterschiedliche frische Kräuter in einer weißen Schale auf einem weißen Tisch
Kräuter kann man super miteinander vergleichen. ©Gate74/Pixabay

Wichtig für den Geruchssinn: Gewürze

Noch feiner wird es dann, wenn es um den Geruch von Gewürzen geht. Anfangs stand ich oft mit meinem Weinglas am Gewürzregal, um herauszufinden, ob ich jetzt Piment oder schwarzen Pfeffer rieche. Denn ja, da gibt es Unterschiede. Und zwar gewaltige! Mein Tipp: mach dir kleine Gläser mit Gewürzen, die man jederzeit aufschrauben kann. Wenn du deinen Geruchssinn trainierst, musst du so nicht immer gleich das ganze Gewürzregal plündern. Ich rieche auch jetzt noch sehr häufig einfach so an Gewürzen. Am effektivsten kann es aber tatsächlich sein, wenn man abwechselnd am Wein und dann an den unterschiedlichen Gewürzen schnuppert.

Die Bandbreite an Trainingsgerüchen ist hier sehr groß. Weißer und schwarzer Pfeffer, Piment, Wacholder, Fenchelsamen, Muskatnuss, Kreuzkümmel, Curryblätter, normaler Kümmel, Paprikapulver in süß und scharf, Nelke, Zimt, Kardamom, Lebkuchengewürz. Die Liste kannst du beliebig fortführen. Und dann sind da natürlich noch Nüsse! Am gängigsten sind wohl Haselnuss, Mandel und Walnuss. Sie alle sind wichtig, wenn es um Reife- und Autolysenoten im Wein geht. Deswegen lohnt es sich auch, wenn man sich den Unterschied zwischen Toast, Brioche, Brotkruste und Keksteig mal zur Nase führt.

Unterschiedliche Gewürze auf Silberlöffeln aus der Vogelperspektive fotografiert
Immer mal wieder an Gewürzen zu schnuppern, kann den Geruchssinn enorm trainieren. © Westerper/Pixabay

Nicht alltägliche Gerüche

Bleiben nur noch Aromen, denen man im Alltag nicht ganz so regelmäßig begegnet. Petrol oder Benzin zum Beispiel. Falls du ein Auto hast, dann tanke mit offener Nase. Auch wenn’s schwer fällt. Oder aber kurbel bei einer Straßenbaustelle mal das Fenster runter. Denn auch Teer kann ein Aroma im Wein sein. Ebenso wie Leder. Falls du dich an den Geruch eines Neuwagens mit Ledersitzen erinnerst, voilà! Wenn nicht, lohnt sich ein Abstecher ins Kaufhaus, um da mal kurz an Ledergürteln oder Portemonnaies zu schnüffeln. Für Tabak und Zigarrenkisten kann man auch einfach mal kurz in ein Tabakfachgeschäft gehen. Falls es in der Familie keinen passionierten Zigrarrenraucher gibt. 😉

Und dann sind da natürlich noch die Ausflüge in den Wald oder ans Meer. Unterholz und nasses Laub sowie Erde oder ein feuchter Stein – mit ihnen lässt sich der Geruchssinn super trainieren. Und am Meer ist es die salzige Luft oder die Muschel, die man am Strand sammelt. Wobei es sich generell lohnt, mal ab und zu mit bewusst offener Nase durch die Welt zu gehen und Gerüche wahrzunehmen.

Blick zwischen den Dünen auf den Strand der Ostsee
Einfach mal ganz bewusst das Meer riechen. © Vait_McRight/Pixabay

Geruchssinn trainieren: Bleib am Ball!

Nun ist das Trainieren des Geruchssinns kein Sprint, sondern eher so etwas wie ein endloser Ultramarathon. Das Üben hört nämlich tatsächlich nie auf. Denn man kann sich Aromenerinnerungen leider auch schnell wieder abtrainieren. Wichtig ist allerdings, dass du dich dabei nicht selbst unter Druck setzt. Wie eingangs geschrieben, macht Übung tatsächlich den Meister. An einige Aromen erinnert man sich sofort, andere brauchen etwas länger, um sich im Gedächtnis einzubrennen. Das ist einfach so. Immer am Ball bleiben. Das ist wohl der wichtigste Tipp.

Um es der Vollständigkeit halber zu erwähnen: Es gibt auch Aromensets, die man sich kaufen kann, um den Geruchssinn zu trainieren. Die Qualitäten sind hier aber recht unterschiedlich. Viele Sets riechen sehr künstlich und gehen komplett an der Riechrealität vorbei. Einige wenige treffen den natürlich Geruch fast genau, sind dafür aber auch wirklich extrem teuer. Außerdem werden bei Weitem nicht alle Aromen abgedeckt. Ausnahme: Weinfehler. Da gibt es tatsächlich ein extra Set für. Es gehört aber schon etwas Mut dazu, freiwillig Korkton, Böckser oder Lichtgeschmack riechen zu wollen. Mit einem selbst zusammengestellten Geruchstraining fährt man da vielleicht am besten. Zumal es auch noch günstiger und abwechslungsreicher ist. Ich hoffe, ich konnte dir ein paar handfeste Tipps geben, wie du deinen Geruchssinn trainieren kannst. Für noch mehr Spaß im Glas.

Copyright Titelbild: © IL21/iStock

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben, noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

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