Große Weine: Warum ich keine Alternativen empfehle
Sollte man als Weinliebhaber die großen Weine dieser Welt tatsächlich mal getrunken haben? Was sind eigentlich große Weine? Und gibt es vielleicht gute Alternativen, die etwas schonender mit dem Geldbeutel umgehen?
Mit der Erklärung von großen Weinen tun sich nicht nur private Liebhaber:innen, sondern auch professionelle Weinmenschen schwer. Einfach, weil es dafür keine offizielle Definition gibt. Unlängst hat sich Christoph Raffelt dem Thema in einem Magazin-Beitrag von Wein am Limit genähert, dessen Lektüre ich an dieser Stelle einfach mal empfehle. So kann ich mir einen Großteil an Wiederholungen nämlich jetzt sparen. 😉
Große Weine sind meiner Meinung nach vor allem eines: eine individuelle Einschätzung. Klar, man kann schon ein paar Parameter heranziehen. Zum Beispiel hohe Punkte der internationalen Weinkritik. Wobei 100 Parker-Punkte oder 20 Punkte von Jancis Robinson vielleicht etwas wertiger sind als die Höchstpunktzahl bei Luca Maroni. Aber der bewertet eh nur italienische Weine. Dass sie eine kleine Ewigkeit reifen kann, mag auch ein Kriterium für große Weine sein. Oder dass sie minutenlang nachhallen. Für manche Menschen spielt auch eine geringe Produktionsmenge eine Rolle. Und dann natürlich auch, dass der Wein im Glas von seiner Herkunft erzählt. Oder dass er besonders teuer ist.
Große Weine – eine Annäherung
Ich persönlich halte meine Definition für große Weine da etwas einfacher. Wenn mich bereits der erste Schluck derart staunen lässt, dass gefühlt mal kurz die Zeit anhält, dann habe ich einen für mich großen Wein im Glas. Und das muss wahrlich nicht immer der 300-Euro-Tropfen sein. Das ist mir auch schon einmal bei einem Gewächs für 17 Euro passiert. Aber das nur am Rande.
Denn eigentlich wissen wir ja alle irgendwie, um welche Gewächse es sich handelt, wenn von großen Weinen die Rede ist. Damit sind zum Beispiel die Weine der Domaine de la Romanée-Conti gemeint, die man auch gerne mal mit DRC abkürzt, wenn man ein wenig mit seinen Weinkenntnissen angeben will oder zu faul ist, den vollen Namen zu schreiben. Oder auch die Prädikatsweine von Egon Müller. Oder halt so Ikonen wie Penfolds Grange, Opus One, der Unico von Vega Sicilia oder Krug Champagner. Und natürlich gehören Sassicaia, Pétrus und Masseto ebenso dazu wie die Hommage à Jacques Perrin von Château de Beaucastel oder der Pingus.
Kultwein versus Ikone
Wobei ich kürzlich gelernt habe, dass man große Weine auch anders definieren kann. So wie es ein sehr großer und sehr bekannter und sehr traditionsreicher Weinhändler aus Hamburg macht. Dieser hat nämlich extra eine Landingpage für 25 Wein-Ikonen angelegt, zu denen er dann den Sauvignon Blanc Cloudy Bay, den Black Print von Markus Schneider oder den Rosé Miraval von Pitt & Perrin zählt. Das mögen allesamt Kultweine sein – groß sind sie meiner Meinung nach aber dann doch eher nicht.
Wenn man sich als Weinliebhaber:in allerdings an diese Kultmarken hält und nicht nach großen Weinen strebt, kann man eine Menge Geld sparen. Denn die Weine, die ich als groß bezeichne, kosten tatsächlich oft ein kleines bis mittleres Vermögen. Da stellt sich schnell mal die Frage, ob man diese tatsächlich getrunken haben muss. Dazu fällt mir eine kleine Anekdote aus meinen Weinanfängen ein. Damals stand ich vor der Schatzkammer in einer Filiale eines großen Weinhändlers, der ursprünglich aus der Schweiz kommt und eher mit Eiscreme und Hotels assoziiert wird. In der Schatzkammer sah ich einen Masseto und meinte zum Filialleiter: “Irgendwann kann ich mir den mal leisten!” Der Filialleiter antwortete mir: “Ach, dann kauf dir lieber den daneben. Der XY kostet nur die Hälfte und ist genauso gut.”
Alternativen für große Weine?
Diese Antwort hallte noch lange in mir nach. Auf der einen Seite wusste ich jetzt, dass es günstigere Weine gab, die so ähnlich wie die Ikonen schmecken. Auf der anderen Seite brachte mir diese Information aber rein gar nichts. Denn ohne sozusagen das Original verkostet zu haben, könnte ich doch niemals sagen, dass der andere Wein genauso schmeckt. Oder auch nur genauso gut ist. Will ich mich beim Vergleich einfach nur auf die Meinung eines anderen Menschen verlassen? Nein, will ich nicht. So war damals meine Entscheidung.
Inzwischen habe ich schon viele große Weine verkosten dürfen. Und jetzt bin ich es, die regelmäßig gefragt wird, ob ich nicht ein ähnliches Gewächs empfehlen könne, das man sich auch als “Normalsterblicher” leisten könne. Sorry, kann ich nicht. Denn einen Vergleich kannst du ja trotzdem nicht machen. Außerdem: Nur weil ich finde, dass sich zwei Weine ähnlich sind, muss das ja noch lange nicht heißen, dass du die gleichen Eindrücke hast, wenn du das Gewächs genießt.
Ohne Angeberei, aber mit viel Gefühl
Was uns nahtlos zu einem weiteren Punkt bringt. In schöner Regelmäßigkeit werde ich inzwischen gefragt, ob ich denn diesen oder jenen großen Wein schon einmal getrunken hätte – und ob ich den denn nicht mal beschreiben könnte. Mh. Ja, ich habe inzwischen tatsächlich schon einige große Weine im Glas gehabt. Und ich habe mich bewusst dazu entschieden, nicht darüber zu schreiben. Ich habe mal einen Text angefangen, dann aber ganz schnell gelöscht. Aus zwei Gründen. Zum einen, weil es sich während des Schreibens wie Angeberei angefühlt hat. Ich weiß, viele, viele Weinliebhaber:innen können nicht genug davon bekommen, teure Gewächse in den sozialen Medien zu posten. Der Grad zwischen authentischer Begeisterung und kalkulierter Angeberei ist sehr, sehr schmal. Nur wenige Menschen beherrschen diesen Balanceakt. Eine Angeberin, die dazu auch noch Hürden beim Weingenuss aufbaut, statt diese einzureißen, möchte ich halt einfach nicht sein.
Fehlt noch der zweite Grund. Was hättest du von detaillierten Beschreibungen großer Weine? Klar, du wüsstest, welche Aromen man darin schmecken kann, welchen Charakter er hätte und so weiter. Aber wie es sich anfühlt, solche großen Weine zu trinken, weißt du dann trotzdem nicht. Das ist halt so wie mit allen großen Emotionen: Durch die Gesellschaft weißt du, wie es sich anfühlen muss, wenn dein erstes Kind zur Welt kommt, wenn du bei deiner Hochzeit das Ja-Wort gibst oder wenn du den ersten richtig großen beruflichen Erfolg eingefahren hast. Wie es sich tatsächlich anfühlt, weißt du aber erst, wenn du es durchlebt hast. So ist das halt auch eben bei großen Weinen. Sorry.
Große Weine: Ein Muss?
Aber heißt das jetzt, dass man sich finanziell für große Weine ruinieren muss? Schließlich wird einem ja in schöner Regelmäßigkeit von Weinhändler:innen oder Sommeliers oder sonstigen Weinkenner:innen vorgebetet, dass man diesen oder jenen großen Wein unbedingt mal probiert haben sollte. Tja. Gegenfrage: Würde der Genuss eines solchen Gewächses tatsächlich dein Leben verändern? Wohl eher nicht. Klar, da ist diese Sehnsucht, mitreden zu können. Wenn dir das wirklich wichtig ist, dann go for it. Spare, tu dich mit anderen Weinmenschen zusammen, teilt die Kosten und habt gemeinsam ein einmaliges Erlebnis.
Wenn dir das jetzt wie zu viel Aufwand vorkommt, dann ist das ein gutes Indiz dafür, dass du den großen Wein vielleicht doch nicht unbedingt selbst im Glas gehabt haben musst. Dann brauchst du dir auch dieses MUSS nicht weiter einreden lassen. Vielleicht ist es ja auch einfach nur schön, dass du weißt, dass es solche Weine gibt? Und wer weiß? Vielleicht schenkt dir der Zufall (oder das Glück) eines Tages doch noch solch ein Gewächs ein. 😉
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Super Bericht, liebe Nicole. Einen großen Wein versteht man sofort, wenn man weiß, was die Region im Spitzenbereich kann. Man muss sich da ein bissl „rantrinken“. Wenn ich der Oma einen 82er Mouton aufmache, versteht die das überhaupt nicht. Ich hatte häufiger das Glück, zugegen zu sein, wenn große Weine ausgeschenkt werden. Meine Zusammenfassung ist hier allerdings, dass man große Ports für einen Bruchteil großer Weine bekommt (z.B. Große Häuser aus den 1960ern erhält man für rund 300 Euro und die bieten eine sensorische Vielfalt, die man bei unverstärkten großen Weinen suchen muss, und idR tiefer in die Tasche greifen muss). Probiert die mal.
Oh ja, an große Weine muss man sich auf jeden Fall rantrinken, lieber Axel. Meistens ergibt sich das ja von selbst, wenn man anfängt, sich tiefer mit Wein zu beschäftigen, oder? Anfangs liegt die finanzielle Schmerzgrenze vielleicht bei 25€, dann bei 50€ – und dann dehnt sie sich immer weiter aus. Je nachdem, was man sich halt leisten kann. Und damit trinkt man sich dann schon hoch. Ich gebe dir aber so was von recht, dass man dann solche großen Weine nicht unbedingt mit Oma teilen sollte. 😉
Herzlichen Dank für deinen Portwein-Hinweis. Wie phänomenal groß die sein können, habe ich ja am eigenen Leib während deiner ProWein-Masterclass erleben dürfen. Und da waren die ganz alten Ports ja noch gar nicht dabei! Dementsprechend trinke ich mich weiter in die Materie ein. Du hast mich da echt sehr neugierig gemacht. 🤩