Kleine Vertikale mit dem Pinot Noir vom Weingut Schloss Halbturn
Vergangenen Samstag konnte ich meiner Burgenland-Leidenschaft freien Lauf lassen. Allerdings nicht mit Blaufränkisch, sondern mit dem Pinot Noir vom Weingut Schloss Halbturn. Ins Glas kamen die Jahrgänge 2008, 2007 und 2006. Was folgt, ist ein kleiner (und hoffentlich unterhaltsamer) Verkostungsbericht.
Nicht nur für Weinliebhaber dürfte das Weingut Schloss Halbturn eine Reise wert sein. Schließlich handelt es sich bei dem Gebäude um den bedeutensten Barockbau des Burgenlands. Tradition ist hier also quasi Pflicht. Bereits 1214 wurden in Jois die ersten Weingärten gepflanzt. Und seitdem kontinuierlich erweitert. So hätte es munter weitergehen können. Als ein Weingut von vielen, vielen anderen in der Gegend. Aber 2001 kam es zum Paukenschlag in Form einer großen Umstrukturierung. Man wollte sich dem internationalen Stil verpflichten, andere Weine machen. Deshalb wurde ein Großteil der 50 Hektar gerodet und neu bepflanzt. Ein mutiges Unterfangen. Seitdem dominiert der Pinot Noir. Wobei aber auch Rebsorten wie Blaufränkisch oder Chardonnay eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
2009 wurde mit den neuen Besitzern (Namen und Details könnt ihr auf der Website vom Weingut nachlesen – die haben das alles wunderschön übersichtlich ausgeführt) die nächste Qualitätsstufe gezündet. Sie trommelten ein internationales Team zusammen, das seitdem unter dem Motto „Qualität kennt keine Kompromisse“ arbeitet. Und das bedeutet: Naturnahe und ökologische Bewirtschaftung, selektive Handlese, ausschließliche Verwendung von Naturhefen – meist ohne Filtration – sowie eine längere Fass- und Flaschenreife. In der Regel kommen die Weine erst nach fünf Jahren auf den Markt. Wobei es die Spezialität von Schloss Halbturn ist, auch viele ältere Jahrgänge noch anzubieten. Für Vertikalen ist das natürlich ideal. Dementsprechend begeistert war ich, als mir das Weingut Pinot-Kostmuster* der Jahrgänge 2008, 2007 und 2006 anbot. Womit wir jetzt endlich bei den Weinen wären.
Die Lagen vom Weingut Schloss Halbturn
Die Trauben des Pinot Noirs stammen von den Lagen Wittmannshof in Halbturn und Jungenberg in Jois. Während die eine Lage mit ihrem Rotschotterboden, durch den sich Kalkschichten ziehen, für Komplexität und eine starke Frucht sorgt, ist die andere Lage mit ihren Quarz durchsetzten Schieferböden für die Mineralität und die Finesse verantwortlich. Jetzt könnte man meinen, dass drei aufeinander folgende Jahrgänge sooooo unterschiedlich schon nicht sein können. Jedenfalls dachte ich das, zumal die Farben und die Intensität der Kerne nur minimal variierten. Ein ganz, ganz großer Irrtum! Es gab eine Menge Überraschungen im Glas!
Fangen wir mit dem 2008er an. Die Nase ist ein Intensitätshammer: würzig, intensive Kräuter (getrocknet, nicht frisch), etwas Rauch – und ganz viel geräucherter Speck. Also so die Unterseite, die Schwarte, die ja meist noch mit Kräutern und Gewürzen eingerieben ist. Am Gaumen ist der Pinot Noir extrem vollmundig. Sehr intensiv, aber nicht zuviel. Vorwärtsstürmend, erobernd, sehr, sehr kraftvoll. Aber trotzdem elegant und mit vielen feinen Noten. Das muss man auch erst einmal hinbekommen. Respekt.
Drei unterschiedliche Charakterköpfe
Der 2007er ist komplett anders. Statt Würze und Kräuter dominiert hier die Frucht. In der Nase: Kirsche pur. Am Gaumen wird aus ihr dann allerdings eine Schattenmorelle. Also sehr rund und mollig und vollmundig. So ist dann auch die Textur. Es kommen noch ein wenig frische Kräuter und Mineralien hinzu, die dem Wein eine gewisse Komplexität und Tiefe verleihen. Ein sehr runder Wein, der mit sich selbst sehr zufrieden ist. Während der 2008er vorwärts stürmt, schlendert der 2007er eher gemütlich vor sich hin – und bekommt trotzdem aufgrund seiner Schönheit genügend Aufmerksamkeit.
Der 2006er wiederum ist in der Nase eine gelungene Mischung aus den beiden anderen Jahrgängen: Kirsche und Kräuter, Würze und ein Hauch von Rauch. Sehr fein. Was mich am Gaumen echt überrascht hat: die schöne lebendige Säure, die für eine gewisse Frische und Jugendlichkeit sorgt. Dadurch ist der Wein auch irgendwie schlanker und höchst elegant. Solo verkostet hat mir dieser Jahrgang ganz eindeutig am besten gefallen.
Daube Provençale: Pinot Noir im Härtetest
Damit war die Vertikale aber längst noch nicht vorbei. Mein Mann hatte nämlich auch noch gekocht, um die Weine auch beim Essen zu testen. Was es gab? Daube Provençale. Also ein französisches Gulasch. Das Besondere hierbei: das Rindfleisch wird zuvor zwei bis drei Tage in Rotwein und Kräuter eingelegt. Auch kommt kein Tropfen Wasser an das Gulasch – ausschließlich Wein. Am Serviertag selbst wird das Gericht dann stundenlang im Ofen geschmort. Ihr könnt euch also vorstellen, dass das eine intensive Angelegenheit war. Aber hey, bei nicht minder intensiven Weinen darf das auch ruhig mal sein. 😉
Dank der Kräuter und der Würze des Essens wurde das Pino-Noir-Ranking aus der vorherigen Verkostung dann auch noch einmal komplett durchgemischt. Mein Favorit, der 2006er, fiel ganz weit ab. Da im Essen auch ein wenig Zitrone war, verschwand die Säure im Wein fast komplett. Er konnte mit den intensiven Kräutern des Gulaschs einfach nicht mithalten und ging gnadenlos unter. Überraschend.
Überraschendes Ende einer Vertikale
Auch der 2007er konnte beim Essen nicht so recht überzeugen, was ja aber dank der molligen Schattenmorelle schon zu erwarten gewesen war. Die runde Frucht und das würzige Gericht passten ganz einfach nicht zusammen. Obwohl sich der Wein behaupten konnte – das war dann doch eine kleine Überraschung. Noch überraschender war allerdings der 2008er. Solo war er ja grenzwertig intensiv für mich. Und Specknoten im Wein muss man halt auch schon mögen. Zum Essen haben aber genau die und der Rauch ganz fantastisch harmoniert. Erwartet hatte ich das nicht. Umso mehr habe ich es genossen.
Da sieht man mal wieder, wie sehr Essen und Wein sich bedingen können. Eine faszinierende Angelegenheit. Wobei die Weine auch pur verkostet echt spannend waren. Ich hätte niemals gedacht, dass jeder Jahrgang einen so krass eigenständigen Charakter entwickeln kann. Höchst beeindruckend. Genau solche Überraschungen sind der Grund, warum ich Vertikalen so liebe. Immerhin lernt man so einen Wein richtig gut kennen. Und damit auch ein wenig verstehen. Ich bin jedenfalls hart dankbar, dass ich dem Pinot Noir vom Weingut Schloss Halbturn im Glas begegnet bin.
Copyright Titelbild: ©Bottled Grapes
*Bei den Weinen handelt es sich um Kostmuster, die mir zur Verfügung gestellt wurden. Dieser Text entstand mit Wissen des Weinguts, aber ohne dessen Einfluss. Er spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links dienen Servicezwecken und sind nicht kommerziell.
Kommentar verfassen