Master of Wine Konstantin Baum in Aktion bei der Masterclass in Hamburg

California-Tasting in Hamburg: Masterclass mit Konstantin Baum

Alle zwei Jahre veranstaltet California Wines Europe in Hamburg ein groß angelegtes Tasting mit über 600 Weinen von 100 unterschiedlichen Weingütern. Vergangenen Montag war es wieder so weit. Doch vor der Tischpräsentation kam die Masterclass mit Konstantin Baum, seines Zeichens der jüngste Master of Wine überhaupt. Und diese Masterclass hatte es in sich: es gab nämlich ein Blind Tasting.

Aber fangen wir von vorne an. Seit 2019 ist Master of Wine Konstantin Baum für California Wines Europe unterwegs. Um nämlich mit dem Klischee von den fetten und marmeladigen oder holzigen Wein-Wuchtbrummen aufzuräumen, das sich hierzulande inzwischen etabliert zu haben scheint. Dabei ändert sich der Weinstil Kaliforniens doch seit einiger Zeit. Die Weine werden schlanker, präziser. Und ja, auch kühler. Was nicht zuletzt an den unterschiedlichen American Viticulture Areas (AVA) liegt, die sich seit den 1980er-Jahren in allen Weinbaugebieten der Vereinigten Staaten etablieren. Sie sind so etwas wie Unterregionen. Oder besser: das Äquivalent zur geschützten Herkunftsbezeichnung.

The Big Tasting California 2020 mit Konstantin Baum in Hamburg
Willkommen bei The Big Tasting 2020! ©AK/Bottled Grapes

Und genau diese AVAs liegen Konstantin Baum sehr am Herzen, denn sie stehen für Weine mit höchst unterschiedlichem Charakter. Jede AVA hat dank Boden und Klima eine ganz eigene Stilistik. Was sie alle eint, ist der Pazifik. Denn der macht einen Weinbau in Kalifornien überhaupt erst möglich. San Francisco etwa liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Palermo, wie Konstantin Baum erklärte. Und Los Angeles auf Höhe von Nordafrika. Trotzdem ist in San Francisco das Klima gemäßigt – und auch in der Nähe von Los Angeles ist Weinbau noch möglich. Ein spannender Vergleich, den ich persönlich so noch nicht auf dem Schirm hatte.

Von Nebelschwaden und Spuckbechern

Noch spannender ist allerdings die Bedeutung der Nebel, die so durch die Weinbaugebiete Kaliforniens wallen. Nicht nur in Sonoma, sondern vor allem auch in Napa. Oder in Monterey. Das ist nämlich nicht so ein leichter, feiner Morgennebel, wie man ihn bei uns in der Regel sieht. Sondern es sind echt fette Schwaden, die komplette Täler füllen und dort stundenlang verweilen. Das bringt nicht nur genügend Feuchtigkeit an die Reben, sondern kühlt auch gründlich ab.

Nach der kurzen und allgemeinen Einführung ging es bei Konstantin Baum dann aber auch schon direkt ans Eingemachte. Mit großer Leidenschaft nahm er sich vier unterschiedliche AVAs zur Brust und erklärte sie den knapp 100 anwesenden Masterclass-Teilnehmern, die in Zeiten von COVID-19 allesamt mit einem eigenen Spuckbecher ausgestattet waren.

5 Chardonnays in der Blindverkostung
Blindverkostung der fünf Chardonnays ©AK/Bottled Grapes

Pinot Noir und Chardonnay gedeihen an der Küste

Wobei es Konstantin Baum mit der Einteilung der AVAs nicht ganz so genau nahm. Denn Santa Barbara besteht aus mehreren AVAs, die hier aber der Einfachheit halber zusammengefasst wurden. Die generelle Faustregel von Konstantin Baum: Je näher an der Küste, desto kühler ist es. Ergo können hier ganz wunderbar frühreife Sorten wie Pinot Noir und Chardonnay angebaut werden. Je weiter es ins Land geht, desto heißer wird es. Hier schlägt dann die Stunde von Cabernet Sauvignon und Zinfandel. An der Küste allerdings (und auf diese konzentrierten wir uns später) entstehen äußerst filigrane und sehr präzise Pinot Noirs und Chardonnays.

Selbiges gilt natürlich auch für die Sonoma Coast AVA, die als nächstes abgehandelt wurde. Nur, dass hier auch noch eine gewisse Frische und Gripp mit ins Spiel kommen. Denn im Vergleich zu allen anderen Sonoma-AVAs ist die Sonoma Coast das kühlste und regenreichste Region, die von Mendocino County im Norden bis hin zur Bucht von San Pablo im Süden reicht. Hier finden Pinot Noir und Chardonnay ideale Bedingungen, um besonders knackig und lebendig daherkommen zu können.

5 Pinot Noirs in der Blindprobe
Welcher Pinot Noir kommt aus welcher AVA? ©AK/Bottled Grapes

Profi-Tipp von Konstantin Baum

Es folgte – wie sollte es anders sein – die Russian River AVA. Ein recht großes Gebiet, das klimatisch vom namensgebenden Russian River geprägt wird. Hier befindet sich fast ein Sechstel der Rebfläche von Sonoma. Russian River wurde bereits 1983 zur AVA ernannt – und ist damit eines der ältesten Gebiete. Und nein, als Europäer sollte man das jetzt nicht belächeln, denn wenn man etwa mal nach Italien blickt, sind einige DOCGs und IGTs soooo alt nun auch noch nicht. 😉 Wenn es um Pinot Noir und Chardonnay geht, entstehen hier Weine mit enormer Kraft und Dichte, die schon sehr viel Power haben können. Pro-Tipp von Konstantin Baum: Wenn ein kalifornischer Pinot Noir Noten von Coca-Cola hat, stammt er meistens aus der Russian River AVA.

Als letzte AVA stellte Konstantin Baum Carneros vor. Es ist die einzige AVA, die sich sowohl in Sonoma als auch in Napa befindet und die sich von der Bucht von San Pablo bis zum Petaluma Gap erstreckt. Beide sind dann natürlich dank Wind und Strömungen für das Klima dort verantwortlich. Oder besser: für den Nebel. Denn der spielt in Carneros eine immens wichtige Rolle. Ohne ihn wäre es viel zu heiß und trocken, sodass dort weder Chardonnay noch Pinot Noir gedeihen könnten. Und das wäre eine Schande, denn die Weine haben zwar die gleiche Kraft wie die aus der Russian River AVA, sind aber viel frischer. Stellt euch da einfach so ein stilistisches Zwischending von Sonoma Coast und Russian River vor – dann habt ihr ungefähr die Stilistik der Carneros AVA.

Fünf unterschiedliche Chardonnays
Hier die fünf Chardonnays der Blindprobe ©AK/Bottled Grapes

Blind Tasting mit Konstantin Baum

Womit wir jetzt endlich bei dem Tasting selbst wären. Das, ich erwähnte es anfangs, blind durchgeführt wurde. Wir bekamen zuerst fünf Chardonnays und dann fünf Pinot Noirs ins Glas. Die Aufgabe war, herauszufinden, welche AVA in welchem Glas ist. Und ja, wir konnten auch rechnen. 😉 Vier AVAs und fünf Gläser – da geht irgendwas nicht auf. Denn ein Wein kam jeweils nicht aus Kalifornien. Den galt es dann auch zu identifizieren.

Was soll ich sagen? Ich habe gründlich daneben gegriffen. Beim Chardonnay ebenso wie beim Pinot Noir. Die Sonoma Coast steckte ich nach Carneros, Santa Barbara landete einmal sogar in der Russian River AVA. Da habe ich also noch gehörig Nachholbedarf in Sachen Geschmacksschärfung. Allein die beiden Franzosen habe ich sofort erkannt. Beim Chardonnay lag ich nicht nur mit dem Burgund, sondern auch mit Meursault goldrichtig. Und der Pinot Noir wurde von mir korrekt gen Côte de Beaune verortet – also erneut Bourgogne. Das hat mich ein wenig beruhigt, aber zugleich auch angespornt. Wenn ich Burgund im Glas erkennen kann, dann muss das doch auch mit Kalifornien möglich sein.

Masterclass: 5 unterschiedliche Pinot Noirs
Das waren die fünf Pinot Noirs der Masterclass ©AK/Bottled Grapes

Für mehr kalifornische Weine im Leben!

Zumal die Weine (allesamt 2017er) wirklich verdammt viel Spaß gemacht haben. Da war nichts fett oder gar marmeladig. Das waren sehr präzise und charaktervolle Weine, die weder auf Massengeschmack noch auf hohe Alkoholwerte getrimmt waren. So geht Kalifornien eben auch. Dank Konstantin Baum weiß ich das jetzt auch.

Was jetzt noch bleibt, ist ein Aufruf. Oder besser gesagt: zwei. Erstens: Leute, macht mehr Blindproben! Habt keine Angst davor, euch zum Affen zu machen. Denn das gehört dazu. Je mehr Weine ihr auf diese Art erforscht, desto mehr werdet ihr mit der Zeit erkennen. Ich hoffentlich auch. 😉 Zweitens: Gebt Kalifornien eine Chance. Meine Weinliebe hat ja bekanntlich mit den fetten und marmeladigen Kaliforniern angefangen, die ich inzwischen gar nicht mehr so gerne im Glas habe. Für mich war diese Stilistik in den vergangenen zwei Jahren das Synonym für Kalifornien. Und das stimmt einfach nicht. Damit lag ich komplett daneben. Deswegen freue ich mich jetzt schon unheimlich darauf, meine alte Weinliebe wieder neu aufleben zu lassen.

Nachweis Titelbild: ©AK/Bottled Grapes

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet, sondern spiegelt allein mein persönliches Weininteresse wider. Gesetzte Links dienen Service-Zwecken und sind nicht kommerziell.

6 Kommentare

  1. Blindproben sind vor allem für die Weine entlarvend. Denn häufig ist man ja beim Anblick einer Flasche, der man -aus welchen Gründen auch immer- einiges zutraut, schon ein gutes Stück voreingenommen. Ich mir sicher, daß einige Verrisse bei unseren Blindproben so nicht stattgefunden hätten, wenn wir vorher gewußt hätten, was da jeweils ins Glas kommt. Umgekehrt gilt das natürlich auch: darf ein Underdog-Wein für 5 Euronen überhaupt ein gewisses Qualitätslevel überschreiten? Wenn man diese gedankliche Schranke einfach ausschaltet, geht auch das immer wieder mal…

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