Blick von der Sonnenterasse von Gut Hermannsberg auf die Kupfergrube

Kupfergrube: Riesling-Vertikale auf Gut Hermannsberg

Eine legendäre Lage, ein legendäres Großes Gewächs. Als ich die Einladung vom Gut Hermannsberg bekam, an einer Kupfergrube-Vertikale teilzunehmen und auch noch den neuen Jahrgang des Sekts zu verkosten, der demnächst versteigert wird, konnte es meinerseits nur eine Antwort geben: Ja, ich will. Was folgt, ist eine begeisterte Erinnerung.

Wart ihr schon mal an der Nahe? Vielleicht sogar auf Gut Hermannsberg? Falls ja, dann kennt ihr ja diese schroffen, bewaldeten Felswände, die Weinbergsterrassen, die schmalen Pfade. Und das satte Grüne, das die gemütlich fließende Nahe umgibt. Kurzum: eine ebenso imposante wie wunderschöne und die Seele erdende Umgebung. Und Mitten in dieser Kulisse findet man sie: die legendäre Kupfergrube. Eine der besten Lagen an der Nahe – und in ganz Deutschland. Vor allem, wenn es um Riesling geht.

Dass das nicht immer so war, verrät der Name. Denn bevor hier Riesling-Reben gedeihten, fand man vor allem Eichenwälder. Und eben eine Kupfergrube. Kupfer wurde an diesem steilen Hang in Niederhausen schon lange abgebaut. 1465 das erste Mal. Dann wieder 1765, 1805 und 1857. Ihr seht: von Erfolg war der Kupferabbau nicht unbedingt gekrönt. Selbiges galt auch 1881 oder 1897. Immer wieder wurden Stollen in die steilen Felsen getrieben, die Schürfrechte indes wechselten fleißig den Besitzer. Bis das 20. Jahrhundert anbrach.

Wie aus der Kupfergrube ein Weinberg wurde

Als nämlich 1902 die Königlich Preußische Domäne Niederhausen gegründet wurde, ein staatliches Weingut, ward die Kupfergrube, auf die man vom Gut aus guckte, schnell als potenzielle Weinlage entdeckt. Zuerst zweifelte man, ob der Boden vielleicht zuviel Kupfer enthalten könnte. Aber Proben belegten schnell: nein, dem ist nicht so. Was man fand, war Melaphyr, vulkanisches Eruptivgestein, das von eingebrachtem Carbonschiefer überdeckt wird. Ein guter Boden, ein fruchtbarer Boden, ein Boden, der ideal für Riesling-Reben war. Auch dank der konsequenten Südausrichtung.

Was folgte, war ein Mammutprojekt. In Tausenden von Arbeitsstunden wurde aus dem ehemaligen Kupferbergwerk und dem schroffen Felsgelände ein Weinberg. Die Jahre andauernde Anlage war keine humanistische Sternstunde der Domäne. Denn die Arbeiter waren Gefangene, die hier zwangsverpflichtet wurden. Eine der Einzellagen von heute erzählt noch die damalige Geschichte: die Mördergrube. Eine besonders steinige und steile Parzelle, die schwierig zu kultivieren war. Hier arbeiteten ausnahmslos verurteilte Mörder, da das Risiko zu groß war, bei der Plackerei tödlich zu verunglücken.

Blick auf die Lage Kupfergrube von Gut Hermannsberg
Blick auf die Kupfergrube und das Nahe-Tal ©Nils Weiler

Die Kupfergrube heute

Wie gesagt: kein besonders ruhmreicher historischer Abschnitt. Und trotzdem ist die Kupfergrube dank ihres Bodens, ihrer Ausrichtung und den klimatischen Bedingungen im Nahe-Tal ein Juwel, wenn es um charaktervolle Rieslinge geht. Wie alle Weinberge von Gut Hermannsberg, wie die Domäne inzwischen heißt (das Weingut selbst stelle ich euch demnächst an anderer Stelle vor), ist auch die Kupfergrube als Große Lage klassifiziert. Wobei hier aber nicht nur Große Gewächse entstehen! Und diese wiederum gedeihen auch nicht in bestimmten Parzellen.

Denn Winemaker Karsten Peter hat sich da ein sehr schönes System erdacht. Junge Reben, die bis zu 15 Jahre alt sind, geben ihre Trauben für den 2018 erstmals abgefüllten Gutswein ‘7 Terroirs’ – einer Riesling-Cuvée aus allen Lagen von Gut Hermannsberg. Die Trauben von Rieslingstöcken, die bis zu 30 Jahre alt sind, werden für den Ortswein ‘Vom Vulkan’ verwendet. Und nur Reben, die älter sind (bis zu 70 Jahre, übrigens), kommen für das Große Gewächs ‘Kupfergrube’ in Betracht. Ausnahme: zwei Parzellen, die besonders kühl sind. Hier wird die Grundlage für den ebenso neuen wie bereits legendären Kupfergrube-Sekt geschaffen. Aber dazu später mehr.

Vertikal-Verkostung: Kupfergrube Riesling GG 2009

Bleiben wir erst einmal bei dem Kupfergrube Riesling Großes Gewächs. Und kommen damit endlich zu der Vertikal-Verkostung der Jahre 2009 bis 2015 – chronologisch aufwärts. Ein sehr bewusst gewählter Zeitraum. Ein paar Tage, bevor die Weinlese im Jahr 2009 losging, kaufte Familie Reidel das Weingut. Es war die Geburtsstunde von Gut Hermannsberg, wie wir es heute kennen. Önologe Karsten Peter war von Anfang an dabei. Nun ist es natürlich schwierig, mit Traubenmaterial zu arbeiten, für das man sich nicht verantwortlich zeichnet – und mit Lagen, die man erst einmal kennenlernen muss. Als Karsten Peter den Zustand der Trauben sah (viel Sauerfäule), traf er die erste von vielen schwierigen Entscheidungen: alle befallenen Trauben sollten im Weinberg bleiben.

Fast die Hälfte der Ernte landete deswegen auf dem Boden statt im Weinkeller. Nur so konnte Peter bei seinem ersten Kupfergrube-Riesling einen Essigstich vermeiden. Um auf Nummer sicher zu gehen, verwendete er zudem Reinzuchthefen. Normalerweise nichts für Peter, der ja das Terroir in seinen Rieslingen schmeckbar machen möchte. Aber in der berühmten Stunde Null hatte er keine andere Wahl. Außerdem wurde das GG versuchsweise mit Schraubverschluss abgefüllt. Und das alles hatte auf den 2009er auch Auswirkungen. Im Gegensatz zu den anderen Jahrgängen schimmerte der Wein nicht in einem satten, sondern in einem hellen Goldgelb im Glas. Die Säure war noch herrlich vibrierend, eine zarte Phenolik wechselte sich mit lang nachhallender Kräuterwürze ab. Ein schönes Großes Gewächs, keine Frage. Sehr präzise und nicht minder elegant. Aber auch ein wenig charakterlos.

Das Team von Gut Hermannsberg vor der Kupfergrube
Meet the Team: (v.l.n.r.) Jasper Reidel, Stuart Pigott, Karsten Peter und Achim Kirchner ©Nils Weiler

Von Altlasten und einem salinen Abgang

Was für ein Unterschied war da dann der 2010er! Hier wurde nach strenger Selektion spontan vergoren und nicht nur im Edelstahl, sondern auch im Halbstück ausgebaut. Erstmals konnte Karsten Peter die Reben über das komplette Weinjahr begleiten, hatte aber noch mit Altlasten zu kämpfen. So wollte er etwa die Kupfergrube begrünen, um die Bodenstruktur zu verbessern. An einigen Stellen ging die Saat aber nicht auf – die Herbizid-Rückstände der vergangenen Jahre waren einfach zu groß.

Trotz solcher Handicaps wurde während der Verkostung bei dem Kupfergrube Riesling GG 2010 aber klar, wohin die angedachte Geschmacksreise von Karsten Peter geht: ein Wein mit großem eigenen Charakter. Hier tänzelte die Säure nicht, denn es dominierte die gelbfruchtige Aromatik. Ein üppiger Riesling, der aber nicht brachial gegen den Gaumen brach, sondern stets elegant blieb, sehr harmonisch und ausbalanciert. Und ohne dabei zu langweilen. Der 2011er indes war von einer schönen Phenolik geprägt, bohrte sich mit seiner Würze an den Gaumen und tänzelte mineralisch über die Zunge. Dazu dann noch der saline Abgang – ganz anders, aber auch ganz, ganz groß! Hier fand ich ganz viel eigenem Charakter mit ordentlich Ecken und Kanten, sodass ich mich stundenlang mit dem Riesling hätte beschäftigen können.

Publikumsliebling trifft auf Ecken und Kanten

Die beiden Jahrgänge 2012 und 2013 bildeten dann ein Kontrastprogramm für sich. Karsten Peter zuckte entschuldigend mit den Schultern, als der 2012er eingeschenkt wurde. Es sei nicht sein Lieblings-Riesling aus der Kupfergrube. Mit ungeheurer Leichtigkeit und zarter Säure tänzelte das Große Gewächs am Gaumen. Man konnte sich wie auf einem Plüschsofa hineinfallen lassen und wohlfühlen. Karsten Peter war das zu harmlos. Ihm war da der 2013er mit seiner rauchigen Phenolik, den Kräutern und der geradlinigen Mineralik viel, viel lieber (mir übrigens auch). Hier gab es keinen Plüsch, keine liebreizende Frucht, sondern in Rauch geschwenkte Ecken und Kanten. Dieser Riesling forderte Aufmerksamkeit ein – und die hatte er auch mehr als verdient!

Der ebenfalls anwesende Sommelier-Weltmeister Marc Almert brachte beide Jahrgänge gut auf den Punkt: “Den 2012er würde ich sofort auf die Karte nehmen. Weil ich weiß, dass er vielen Gästen gefallen wird. Den 2013er würde ich mit Kollegen nach getaner Arbeit genießen.” Und es stimmt: für den 2013er schadet es nicht, wenn man schon ein wenig Kupfergruben-Erfahrung mitbringt, wenn man die Lage kennt und sie ein wenig versteht. Dann ist das allerdings ein wirklich großer Riesling. In der Verkostungsrunde gab es jedenfalls viele strahlende Gesichter – und ein zufriedenes Lächeln von Karsten Peter.

Ähnliches galt dann auch für den 2014er, der mit seiner Rauchnote und der zarten Phenolik die Herzen höher schlagen ließ. Der einzige Riesling übrigens, mit einer recht hefigen Note, die aber alles andere als unangenehm war. Am Gaumen sehr leicht, war mir persönlich der Abgang hier aber noch etwas zu quietschig. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich das wieder gibt, wenn der Riesling weiter reift.

Blick auf Gut Hermannsberg von den Weinbergen aus
Blick von der Kupfergrube auf Gut Hermannsberg ©AK/Bottled Grapes

Ein Riesling braucht Zeit – nämlich fünf Jahre

Mit dem 2015er Riesling Kupfergrube GG hatten wir ein echtes Kraftpaket im Glas. Ein Power-Jahr, das ein Turbo-Gewächs hervorgebracht hat. Anfangs eher fruchtbetont, kam schnell eine herrlich mineralische Note dazu. Steinig, kraftvoll und trotzdem elegant, zeigte dieses Große Gewächs, dass es zwar jetzt schon sehr viel Spaß macht, dass es aber auch noch eine laaaaaange Zukunft vor sich hat.

Das Besondere am 2015er: Das GG kommt jetzt zum zweiten Mal auf den Markt. Ein Re-Release sozusagen. Und in der Zwischenzeit perfekt im Weinkeller von Gut Hermannsberg gereift. Genau das soll für das Kupfergrube GG bald Standard werden: 2017 wird der erste Jahrgang sein, der erst nach fünf Jahren erstmals verkauft wird. Also 2022. Im nächsten Jahr wird die Reserve aus 2016 auf den Markt gebracht, um die Zeit zu überbrücken. Den hatten wir allerdings nicht mehr im Glas. Von den aktuellen Großen Gewächsen aus der Kupfergrube war der 2015er mit all seiner Kraft aber auch schon der ideale Schlusspunkt.

Highlight: Kupfergrube Riesling Spätlese 1949

Foto von einer sehr alten Riesling-Weinflasche aus dem Jahr 1949
Das Verkostungs-Highlight ©AK/Bottled Grapes

Wobei es aber noch ein ganz besonderes Schmankerl für alle anwesenden Verkoster gab. Nämlich eine Kupfergrube Riesling Spätlese aus dem Jahr 1949. So etwas hat man ja nun wahrlich nicht alle Tage im Glas! Ich gebe an dieser Stelle unumwunden zu, dass es mein bisher ältester Wein war. Mit dementsprechend viel Demut ließ ich mir mein Glas füllen. Was soll ich sagen? Ein mega Erlebnis! Was für ein höchst lebendiger Wein! Getrocknete Früchte (nicht kandiert!), getrocknete Kräuter gingen hier Hand in Hand mit Minze und einer Ahnung von grünem Tee. Dazu dann noch eine steinige Mineralität, die ewig lange am Gaumen blieb.

Im Verkostungsraum herrschte andächtige Stille, als wir alle den Wein probierten. Und ja, auch nicht jeder spuckte jeden Schluck wieder aus. Da muss man schon mal Prioritäten setzen. Karsten Peter indes lächelte glücklich, denn dieser Wein bewies ihm einmal mehr, zu welch großen Gewächsen (im wahrsten Sinne des Wortes) die Kupfergrube fähig ist. Genau solche Rieslinge sind für ihn ein großes Vorbild. In diese Richtung sollen auch seine Weine gehen: langlebig ohne Ende, damit sie auch noch folgenden Generationen ihre Geschichte erzählen können. Ein fast schon sakraler Moment, den dieser Riesling aus der Kupfergrube uns bescherte.

Prickelnde Kupfergrube: Sekt Extra Brut

Was jetzt im Kupfergrube-Kompendium noch fehlt, ist der legendäre Riesling Sekt Extra Brut. 2019 kam mit dem 2013er der erste Jahrgang heraus. Und zwar als Versteigerungswein, da die Menge einfach verschwindend gering war. Während sich die Händler schon die vinophilen Finger nach dem Sekt leckten, sorgte Winemaker Karsten Peter erst einmal für eine Preisregulierung. 50 Euro. Für mehr sollte eine Flasche nicht weggehen. Da kamen dann ja schließlich noch Steuern drauf – und der Handel wollte auch noch seine Marge haben. Peter aber gehört zu den Önologen, die möchten, dass ihre Weine auch getrunken werden. Deswegen die Preisregulierung.

An diesem Prinzip hält Peter auch in diesem Jahr fest. Er möchte, dass sein Sekt getrunken wird. Ob er deswegen den Preis deckeln wird, darüber kann herrlichst spekuliert werden, was meiner Meinung nach herzlich unnütz ist. Wen es interessiert, der kann sich am 20. September 2020 ja zur VDP-Versteigerung via YouTube dazuschalten. Nähere Infos dazu erfahrt ihr hier. Womit wir jetzt aber endlich beim Sekt selbst wären. Und der hat es – im wahrsten Sinne des Wortes – in sich.

Blick auf die Weinberge von Gut Hermannsberg an der Nahe
Oh, wunderschöne Kupfergrube! ©Nils Weiler

2013 und 2014 im Vergleich

Wie bereits anfangs erwähnt, stammen die Riesling-Trauben aus zwei ganz bestimmten Parzellen der Kupfergrube. Nämlich zwei Parzellen, die ein etwas kühleres Klima haben, wodurch die Trauben langsamer reifen und eine intensivere Aromatik ausbilden. Hinzu kommt, dass die Rebstöcke durchschnittlich 70 Jahre alt sind. Also geringerer Ertrag – und noch mehr Aromatik. Und zusätzliche Selektion. Was dem Winemaker Karsten Peter wichtig war (und ist): Trotz dem 60-monatigen Hefelager sollten weder Brioche- noch Phenol-Noten im Vordergrund stehen. Deswegen konzentrierte er sich vor allem auf den Grundwein, der die Weichen für das Geschmacksprofil stellt. Handlese, schonende Ganztraubenpressung, Spontangärung und keine Malo – soviel zu den Vinifikations-Stichworten. Und es ist auch kein Geheimnis, dass Peter auf bis zu 15% Reserveweine zurückgreift, um dem Sekt noch mehr Komplexität zu verleihen.

2013 war ein warmes und sehr kontinuierliches Jahr. Das kann man auch dem Kupfergrube Riesling Sekt Extra Brut anschmecken, der sehr cremig und auch recht gefällig ist (und ein sehr großes Reifepotenzial hat). Der 2014er indes besticht mit seinen kristallklaren mineralischen Noten und einer noch messerscharfen Säure. Auch hier ist das Reifepotenzial enorm. Wobei beide Schaumweine auch jetzt schon enorm viel Spaß machen. Also genau das, was große Weine auszeichnet: man kann sie jung genießen, aber auch noch eine kleine Ewigkeit liegen lassen. Hauptsache ist, dass der Sekt auch tatsächlich getrunken wird. Klar, dieser Schaumwein bringt enorm viel Prestige mit, aber es wäre eine Sünde, ihn einfach nur besitzen zu wollen. Solch ein vinophiles Juwel gehört genossen!

Copyright Titelbild: ©AK/Bottled Grapes

*Bei der Verkostung handelte es sich um eine Presse-Einladung. Aber: Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er entstand ohne Einfluss von Gut Hermannsberg und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

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