Winzer Leo Uibel in einer verrückt-spaßigen Nahaufnahme

Leo Uibel: Weine mit Biss aus dem Weinviertel

Es gibt Winzer, die man wohl ewig zu den “jungen Wilden” zählen kann. Einfach, weil ihre Weine derart eigenständig sind, dass sie sich konsequent gegen den Mainstream stellen – und dabei eine Menge zu erzählen haben. Genau solche Weine macht Leo Uibel im österreichischen Weinviertel.

Zugegeben, mit seinem wilden Bart und seiner fancy Brille sieht Leo Uibel schon ein wenig wie ein Großstadt-Hipster aus. Voll im Trend also. Dabei läuft der Winzer aus dem westlichen Weinviertel eben gerade nicht den Wein-Trends der Zeit hinterher. Im Gegenteil! Leo Uibel geht konsequent seinen eigenen Weg. Hat er schon immer gemacht. Obwohl es ihm als Winzersohn quasi in die Wiege gelegt wurde, den elterlichen Betrieb irgendwann zu übernehmen, brach der Österreicher erst einmal aus, sobald er es konnte. Und avancierte zum Weltenbummler. Freiheit leben und das eigene Menschsein definieren. Doch schließlich ging es wieder zurück in die Heimat, in feste Bahnen, in einen gegliederten Alltag. Und dann eben doch auf das elterliche Weingut in der Marktgemeinde Ziersdorf, das er im Jahr 2007 übernahm.

Genau da begann dann der nächste Findungsprozess. Die Welterfahrung, die jetzt in Leo Uibel rumorte, brachte eben auch Konsequenzen für sein Winzer-Dasein mit. Am Anfang stand das Kennenlernen. Nämlich das Kennenlernen mit den knapp 7,5 Hektar großen Rebflächen rund um das Weingut, mit den Böden und den Mikroklimata. Denn Leo Uibel ist davon überzeugt: erst, wenn man weiß, was man tut, kann man improvisieren. Ob nun Kies oder Schwemmland, Löss-Lehm oder Kalkmergel – der 1974 geborene Winzer weiß ganz genau, auf was seine Reben gedeihen – und was sie brauchen. Nicht viel. Und doch alles. Nämlich liebevolle Zuwendung im Einklang mit der Natur. Dass Leo Uibel biodynamisch arbeitet, versteht sich da quasi von selbst.

Schwarz-weiß Aufnahme des Winzers Leo Uibel aus dem österreichischen Weinviertel
Geht auch in seriös: Winzer Leo Uibel. ©Florian Schulte/Weinhof Uibel

Leo Uibel: Harmonisches Zusammenleben mit der Natur

Handarbeit ist für den eigenwilligen Winzer eine Selbstverständlichkeit. Ob es nun um das Ausbringen der Präparate geht, den Rebschnitt oder die Traubenausdünnung im Spätsommer. Kompromisslos geht’s ausschließlich um Qualität im Einklang mit der Natur. Wie sehr Leo Uibel auf ein harmonisches Miteinander mit seinen Reben bedacht ist, zeigt sich zum Beispiel in seinem Grünen Veltliner “Vollmondlese”, bei dem der Name Programm ist. Auf jeder Flasche dieses schmelzig-kräftigen Weins steht drauf, wann die Trauben geerntet wurden. Natürlich konsequent bei Vollmond. Und nein, das ist kein esoterischer Schnickschnack. Man kann nämlich tatsächlich Unterschiede schmecken. Aber das nur am Rande.

Zurück zur Philosophie von Leo Uibel, die konsequent sein Handwerk prägt. Die findet sich dann natürlich auch im Keller: Spontangärung, keine Additive, lange Hefelager und gerne auch mal Batonnage für noch mehr Textur. Oder Hautkontakt bei den Weißweinen. Und Zeit. Ein ganz großer und wesentlicher Faktor. Damit jeder Wein seinen Charakter voll entwickeln und entfalten kann. Und Charakter gibt es hier tatsächlich viel. Wie der Winzer, so nämlich die Weine. Die sind vor allem eines: kraftvoll und echte Dickköpfe, die nicht schmeicheln, sondern mit ihrer wilden und urwüchsigen Identität beeindrucken wollen.

Boden mit maritimen Ablagerung in Ziersdorf im Weinviertel in Österreich
Auch maritime Ablagerungen prägen die Böden rund um Ziersdorf. © Weinhof Uibel

Veltliner-Freak Leo Uibel

Was ihnen dann auch spielend gelingt. Vor allem den unterschiedlichen Grünen Veltlinern. Verwunderlich ist das nicht, denn Leo Uibel ist ein waschechter Veltliner-Freak. Natürlich. Wir sind hier schließlich im Weinviertel. Da versteht es sich von selbst, dass knapp 80 Prozent der Rebfläche weiß bestockt ist. Vor allem mit Grünen Veltliner. Aber auch Müller-Thurgau, Chardonnay und Frühroten Veltliner. Der Grüne Veltliner bildet in all seinen unterschiedlichen stilistischen Spielarten dann auch den Herzschlag in Leo Uibels Betrieb. Im Hundsberg aus der gleichnamigen Lage vereinen sich etwa verspielte Fruchtigkeit und herbe Opulenz. Zudem gibt es noch eine unfiltrierte Version aus dieser Lage, die noch engmaschiger und energiegeladener daherkommt. Nochmal eine Stufe weiter geht dann der Hundsberg aus dem Granitfass, das hier den Eichenausbau ersetzt. Für noch mehr eigenständigen Terroir-Charakter, der dann auch gleich mehr Ecken und Kanten zeigt, dabei aber immer in einer kühlen Eleganz verharrt.

Wobei das Wort Eleganz und Leo Uibel tatsächlich nur bedingt zusammenpassen. Denn all seine Weine sind keine Leisetreter. Sie sagen schon sehr laut und deutlich, wer sie sind. Es geht dem Winzer halt eben mehr um Stoffigkeit als um den vordergründigen Eindruck. Da kann es im Glas auch schon mal laut zugehen. Etwas filigraner sind da erstaunlicherweise die Orange Wines von Leo Uibel, die allesamt mit feinen Maschen daherkommen und mich persönlich durch eine tänzelnde Leichtigkeit beeindrucken. Sie sind etwas leiser, haben aber noch gehörig Ecken und Kanten, um “typisch Uibel” zu sein.

Winzer Leo Uibel schenkt sich ein Glas Grünen Veltliner ein
Leo Uibel und einer seiner Hundsberg-Veltiner. © Weinhof Uibel

Rotweine aus dem Weinviertel

Obwohl der Schwerpunkt von Leo Uibel glasklar beim Grünen Veltliner liegt, können sich meiner Meinung nach auch seine Rotweine mehr als sehen lassen. Da wäre zum Beispiel der Zweigelt “Circle Red”, dessen Trauben aus den besten Lagen des Weinguts stammen und der nur vinifiziert wird, wenn in dem Weinjahr auch alles perfekt gestimmt hat. Dann aber: ein Monat Maischestandzeit, 30 Monate Barrique. Da will’s jemand wissen! Ein Wein, der Zeit braucht. Nicht nur in der Bereitung. Auch beim Trinken. Wenn man sich aber auf ihn einlässt, bekommt man eine ganz neue Zweigelt-Seite gezeigt, die mit der beliebigen Fruchtigkeit der Rebsorte rein gar nichts mehr zu tun hat. Dicht, intensiv, mit ungeheuer breiter Struktur, die – jetzt kommt’s! – trotzdem leichtfüßig über die Zunge tänzelt. Großes Kino!

Endgültig in die Rotweine verknallt habe ich mich dann aber mit den Pinot Noir “Plafond”. Was für ein rassiger Turbo-Pinot! Tief konzentriert, unheimlich würzig, mit ganz viel Kümmel und Wachholder und Unterholz. 40 Prozent der Trauben lagen sage und schreibe ein Jahr auf der Maische. Es folgten drei Jahre im 500-Liter-Fass. Da muss man schon Eier haben, die Weine derart lange ruhen zu lassen und auszubauen. Chapeau!

Ein Mann fährt mit dem Fahrrad, vorne angeschnallt ist ein Karton mit Wein
Was die Uibel-Weine alle eint? Sie sind keine Leisetreter! © Weinhof Uibel

Leo Uibel: Weine für Fortgeschrittene

Dass solche Weine polarisieren, ist ganz klar. Leo Uibel betont dann auch immer wieder selbst, dass seine Weine für Fortgeschrittene sind. Ja, das stimmt. Allerdings nur bedingt. Denn es ist ja nicht so, dass der Winzer aus dem Weinviertel ausschließlich Weine macht, die sich dem Zeitgeist verweigern und die volle Aufmerksamkeit einfordern. Inzwischen hat Uibel nämlich auch den ein oder anderen befriedenden Brückenschläger im Portfolio, der zugleich ziemlich trendy daherkommt. Bestes Beispiel ist da der Orange Wine “#my sexy MF”, einer Cuvée aus Müller-Thurgau und Frührotem Veltliner, in der Maischegärung auf Ganztraubengärung trifft. Schon das von Roy Lichtenstein inspirierte Etikett und der fancy Name deuten es an: hier geht es um leichten Trinkspaß.

Ein Wein, der dann eben vor allem eben nicht die fortgeschrittenen Weintrinker, sondern eher die nächste Liebhaber-Generation anspricht und sie in die Welt der abgefahreneren Tropfen einführt. Was ja per se schon mal eine gute Sache ist. Irgendjemand muss ja den Nachwuchs auf anspruchsvollere Weine vorbereiten. Und wirtschaftlich klug ist es auch noch. Denn Weine, wie sie Leo Uibel macht, sind Nische pur. Im besten und höchst lobenden Sinne. Es sind Querköpfe, die sich von der geschniegelten Masse abheben. Harmlos geht anders. Und genau das ist eine sehr, sehr große Freude im Glas!

Copyright Titelbild: © Bernhard Kastner/Weinhof Uibel

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet und spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Bei den vorgestellten Weinen handelt es sich um Kostmuster von Leo Uibel. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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