Comic-Zeichnung von vielen Mehrweg-Weinflaschen

Mehrweg-Weinflaschen: Eine Chance fürs Klima?

Der Energieverbrauch und der CO₂-Ausstoß bei der Herstellung von Einweg-Weinflaschen stehen seit Jahren immer wieder in der Kritik. Noch länger arbeitet die Weinbranche an verschiedenen Stellen an einem System für Mehrweg-Weinflaschen. Aber wie effektiv ist das?

Wusstest du, dass in Deutschland jährlich 1,1 Milliarden Einwegflaschen in den Lebensmittelkreislauf gelangen? Das ist eine ziemlich beeindruckende Zahl, die das Statistische Bundesamt 2023 veröffentlichte. Um eine Weinflasche herzustellen, braucht man etwa ein Kilogramm CO₂, denn der Energieaufwand ist beträchtlich. Schließlich schmilzt Glas erst bei einer Temperatur zwischen 1500 und 1600 Grad Celsius. Bei recyceltem Glas sieht die Bilanz nur minimal besser aus.

Zudem macht laut einer Untersuchung von Klimaschutzexpertin Dr. Helena Ponstein aus dem Jahr 2019 die Verpackung im Durchschnitt 57 Prozent der Treibhausgas-Emissionen einer Flasche Wein aus. 47 Prozent davon entfallen allein auf die Glasflasche! Die Flasche ist also ein wesentlicher Umweltfaktor und damit eine wichtige ökologische Drehschraube der Weinbranche. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Mehrweg-Weinflaschen bis zu 50 Mal wiederverwendet werden können. Ein ganz schöner Unterschied also. Kommen wir also mal direkt zum Eingemachten.

Berg von weggeschmissenen leeren Weinflaschen
Für den einmaligen Gebrauch ist einfach viel zu viel Energie bei der Herstellung nötig. © Laimdota/iStock

Warum es kaum Mehrweg-Weinflaschen gibt

Okay, Mehrweg-Weinflaschen sind keine neue Erfindung. Im Kleinen funktioniert das System seit Jahrzehnten sogar sehr, sehr gut. Sprich: Wenn der Konsum regional in Weingutsnähe begrenzt ist. Dann werden aus Einweg- nämlich schnell Mehrweg-Weinflaschen, weil die Weingüter, die ihr Leergut direkt zurückbekommen, dieses spülen und erneut verwenden können. Wobei das vor knapp zehn Jahren noch wesentlich besser funktioniert hat als heute. Aus einem ganz schnöden Grund, wie Winzer Markus Schmachtenberger aus Franken erklärt: “Viele Etiketten werden mit dauerhaft klebenden Etiketten verarbeitet und sind damit nicht für den Spülbetrieb geeignet.”

Da nützt es dann auch nichts, wenn man – wie Markus Schmachtenberger – ausschließlich laugenlösliche Etiketten verwendet, um eben diese besser abzubekommen. Denn man bekommt ja nicht immer nur die eigenen Flaschen zurück. “Ein weiteres Problem beim Spülen sind die zahlreichen Flaschenformen und Farben im Glas. Dies führte zu immer kleineren Stückzahlen der einzelnen Flaschenchargen, so dass am Ende nur noch die Literflaschen im Spülbetrieb wirtschaftlich war“, führt Markus Schmachtenberger weiter aus – und begründet zugleich damit, warum in seinem Weingut nur noch Literflaschen gespült und erneut genutzt werden.

Winzer Markus Schmachtenberger aus Franken lehnt sich an eine Mauer
Für Winzer Markus Schmachtenberger sind Mehrweg-Weinflaschen eine gute Sache. © Stefan Bausewein/Weingut Schmachtenberger

Mehrweg-Weinflaschen mit deutschlandweitem Rückgabe-System?

Wenn das Spülen also selbst regional begrenzt keine Lösung mehr ist, dann vielleicht doch flächendeckende Mehrweg-Weinflaschen? Immer wieder gab es von der Weinindustrie Versuche, diese auf dem Markt zu etablieren. Und immer wieder scheiterte die Branche an ähnlichen Hürden. Zum Beispiel, dass die vielen unterschiedlichen Flaschenformen und auch Farben die Rücknahme erschwerten. Kein Rückgabegerät für Pfandflaschen kann all die unterschiedlichen Formen lesen, weil es neben den Standardformen einfach zu viele Spezialanfertigungen gibt. Und eh! Eine flächendeckende Einführung war bis dato einfach nicht möglich.

Genau das ist dann auch der Knackpunkt für viele Betriebe, die bei einer deutschlandweiten Pfand-Rücknahme sofort dabei wären. Wie zum Beispiel das Weingut Galler aus der Pfalz, das 2023 mit ihren Piwi-Weinen in der Bierpfandflasche für Furore sorgten. Aber Winzer Ansgar Galler betont: “Wir würden sofort in ein Mehrweg-System mit einsteigen. Leider ist die Infrastruktur soweit noch nicht ausgereift. Der Verbraucher muss deutschlandweit in der Lage sein, sein Pfand wieder loszuwerden. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Der Handel stellt dieses flächendeckende Netz noch nicht zur Verfügung. Dies war der Grund, warum wir uns für die Bierflasche entschieden haben. Das System funktioniert bereits von Flensburg bis Garmisch.”

Winzer Ansgar Galler mit einer Bierflasche, die er für Wein verwendet
Mit seinem Wein in der Pfand-Bierflasche sorgte Ansgar Galler 2023 für Furore. © C. Tillmann/ Messe Düsseldorf

Hoffnungsträger aus Württemberg

Dieses flächendeckende System für Mehrweg-Weinflaschen kann aber Nachteile haben, wie Anja Sistonen von xbo® zu bedenken gibt: “Die Mehrweg-Flasche als Verpackung für Wein ist ein guter Ansatz, um die Nachhaltigkeit voranzutreiben. Regional wird dies seit Jahren von vereinzelten Weingütern betrieben und die neueste Gründung der Wein-Mehrweg eG in Württemberg zeigt, dass das Thema Fahrt aufnimmt und bundesweit gedacht wird. Zum aktuellen Zeitpunkt sind in Deutschland weder Bag-in-Box noch Mehrweg-Flasche in punkto Wein etabliert und machen nur einen geringen Anteil aus. Hohe Transportkosten und zu wenig Mehrweg machen die Umsetzung schwer. Kein LKW fährt hoch, runter und quer durchs Land, um eine Palette Mehrweg-Weinflaschen zirkulieren zu lassen.”

Es braucht also mehr Menge, damit ein Pfandsystem für Mehrweg-Weinflaschen auch rentabel ist und sich durchsetzen kann. Womit wir jetzt endlich beim großen Hoffnungsträger wären, wenn es ums Thema geht. Nämlich die von Anja Sistonen bereits erwähnte Wein-Mehrweg eG aus Württemberg, die Ende Januar 2023 aus gegründet wurde, um Mehrweg-Weinflaschen gezielt in den Handel zu bringen. Auf der ProWein 2023 stellte man bereits eine eigene 0,75-Liter-Flaschenform für ein Mehrweg-System vor, die inzwischen von 13 Mitgliedsbetrieben, die zusammen fünf Prozent der Gesamtrebfläche in Deutschland bewirtschaften, genutzt wird.

Anja Sistonen, Gründerin von xbo, steht mit verschränkten Armen da und lächelt in die Kamera
Hat eine ganz klare Vision: Anja Sistonen. © xbo-Anja Sistonen

Warum sich genormte Mehrweg-Weinflaschen lohnen

Wie? Noch eine Flaschenform? Ja, das dachte ich zuerst auch. Aber es ist ja so: Nicht jede Flasche ist für ein Mehrweg-System geeignet. Leichtflaschen sind zum Beispiel zu fragil. Und hohe Schlegelflaschen passen letztlich nicht in stapelbare Kisten, die ja auch praktisch und platzsparend transportierbar sein müssen. Mal ganz davon abgesehen, dass unterschiedliche Formen auch in den Spülstraßen problematisch sind, weil die Maschine für jede Form neu eingestellt werden muss.

Die 13 Mitglieder von der Wein-Mehrweg eG lassen ihre Flaschen übrigens derzeit von der Weingärtner-Service-Gesellschaft mbH (WSG) im Kreis Ludwigsburg spülen. Wobei jedes Mitglied auch woanders spülen lassen kann. Das ist eine gute Sache. Denn die teilnehmenden Betriebe kommen schon längst nicht mehr nur aus Württemberg, sondern inzwischen auch aus Baden, der Pfalz – und sogar aus Spanien und Italien. Das System rund um die Mehrweg-Weinflaschen hat in diesem Fall also die reine Regionalität inzwischen deutlich überschritten.

Mehrweg-Weinflasche der Wein-Mehrweg eG
So sieht sie aus, die Mehrwegflasche der Wein-Mehrweg eG. © Wein-Mehrweg eG

Eine Chance für den Lebensmitteleinzelhandel

Bleibt nur die Frage, ob man die derzeit 40 angebotenen Weine denn jetzt flächendeckend im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) kaufen kann. Noch nicht. Die Betonung liegt hier allerdings auf dem Noch. Denn auf der ProWein 2024 stellte die Wein-Mehrweg eG einen 6er-Mehrweg-Kasten für den Transport vor. Im März war es ein reiner Prototyp. Dieser geht aber zeitnah in Produktion. Mit dem Kasten will man das Rückgabesystem für den LEH vereinfachen – und zugleich dafür sorgen, dass keine Pfandflaschen versehentlich mit abgegeben werden, wie Werner Bender, Vorstand der Wein-Mehrweg eG, erklärt: “Wird der Kasten mit einer herkömmlichen Flasche befüllt, steht diese aufgrund ihrer Höhe über den Rand. So befüllte Kästen sind dann nicht mehr stapelbar.”

Das ist ein Vorteil für den LEH, um mit den Pfandautomaten dann tatsächlich ausschließlich Mehrweg-Weinflaschen anzunehmen. Doch auch an die Konsument:innen hat man gedacht. Denn die Kästen sind offen gestaltet, sodass man die Weinetiketten gut sehen kann. Außerdem gibt’s einen praktischen Tragegriff. Und selbstverständlich besteht der Kasten aus Recycling-Material. Es soll ja auch an dieser Stelle nachhaltig bleiben.

Mehrweg-Weinflaschen in einer Detailaufnahme
Erste Füllung der Wein-Mehrweg-Flaschen. © Karin Steinmann/Wein-Mehrweg eG

Mehr Fokus auf die Wein-Mehrweg eG, bitte

Jetzt aber mal Butter bei die Fische, wie man bei uns in Hamburg so schön sagt: Wo gibt’s die 40 Weine der Wein-Mehrweg eG inzwischen zu kaufen? Vor allem in inhabergeführten Wein- und Getränkemärkten sowie in Naturkostläden in Württemberg. Inzwischen sind auch zwei filialisierte Getränkegroßfachhändler mit an Bord. Das ist tatsächlich ein großer Sprung in die Überregionalität, auch wenn die einzelnen Filialen die Mehrweg-Weinflaschen erst nach und nach einlisten. Einen weiteren großen Sprung erwartet sich Werner Bender mit der Einführung der Mehrweg-Kiste, die die Weine dann auch für den LEH sehr attraktiv macht.

An dieser Stelle bleibt mir nur zu hoffen, dass sich noch mehr Winzer:innen der Wein-Mehrweg eG anschließen. Denn letztlich handelt es sich um ein Henne-Ei-Problem. Für den LEH werden die Weine erst so richtig attraktiv, wenn es noch mehr Auswahl gibt. Und Winzer:innen sind erst interessiert, wenn es deutschlandweite Listungen gibt. Wenn der Eine jeweils auf den Anderen wartet, dann kann da schnell die Luft ausgehen. Dabei ist es ja gerade für die Gutsweine eine große Chance, in großer Masse überall im Land in den Supermarktregalen zu stehen. Vor allem für mittelgroße und große Betriebe sowie für Genossenschaften ist das sehr attraktiv. Da braucht es jetzt nur noch ein wenig Mut. In diesem Sinne: Bitte einfach mal machen!

Copyright Titelbild: © Yana Lysenko/iStock

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine eigene Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen alleine Service-Zwecken.

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