Weingarten, der mithilfe eines Pferdes gepflügt wird

respekt-BIODYN: Gemeinsam für nachhaltige Individualität

Vereinigungen gibt es viele. Vor allem im Weinbau. Und das ist auch gut so. Denn mit einem starken Zusammenhalt kann man einfach mehr erreichen. Vor allem, wenn es um nachhaltige Qualität im Einklang mit der Natur geht. Voilà: respekt-BIODYN.

Mit Mist gefüllte Kuhhörner, die später stundenlang in Wasser aufgelöst werden, damit sie ihre magisch-homöopathische Wirkung entfalten können. Dazu noch ein wenig Mondanheulerei und kosmische Sternenschwingungen, Brennesseltee und Kupferbeigabe ohne Ende. Damit sind so ziemlich alle Klischees, die man in Sachen Biodynamie haben kann, bestens zusammengefasst. Klischees, die leider immer noch zu gerne bemüht werden. Davon können wohl alle 25 Mitglieder der Gruppe respekt-BIODYN ein Lied von singen. Denn natürlich enthalten diese Denkschubladen zwar ein Fünkchen Wahrheit, gehen aber konsequent an der Lebensrealität vorbei. Wenn es allgemein um biologisch-dynamischen Weinbau geht. Und bei respekt-BIODYN sogar ganz speziell.

Denn schließlich geht es den 25 Winzern nicht “nur” um die Natur (was ja als Grund schon mehr als ausreichend wäre), sondern um ein Gesamtkonzept. Respekt vor der Natur, Respekt vor dem Wein, Respekt vor dem Menschen. Eben allumfassender Respekt. Ein Wort, das man auch durch den Begriff Achtsamkeit ersetzen kann, wenn man es etwas weicher haben möchte. Zugegeben, das sind große Schlagwörter, die es mir nicht eben einfacher machen, in die Materie einzusteigen. Denn das philosophische Gerüst, das respekt-BIODYN trägt, ist schon recht allumfassend. Und dementsprechend gewaltig. Manch einer der inzwischen 25 Mitgliedswinzer mag da erstaunt gucken. Wenn man die Theorie auf die Praxis überträgt, dann lebt es sich nämlich recht gut damit. Und auch gar nicht so kompliziert. Schauen wir also erst einmal auf die praktische Seite, bevor wir die Theorie mit einfließen lassen.

Schade in einem Weingarten bei Sonnenuntergang
Bei den Winzern von respekt-BIODYN findet man oft Schafe im Weingarten. ©respekt-BIODYN/Andreas Hofer

Alles begann mit Andrew Lorand

Streng genommen hat alles um die Jahrtausendwende angefangen. In Österreich. Und zwar an mehreren Stellen gleichzeitig. Da war zum Beispiel Fred Loimer, der sich im Kamptal ob des Geschmackseinerleis der Weine langweilte und sich fragte, wie man denn bitteschön mehr Individualität und Charakter auf die Flasche bringen könnte. Ähnliche Fragen stellte sich ein paar Kilometer weiter auch Johannes Hirsch. Im Burgenland war derweil Gernot Heinrich auf der Suche nach mehr eigenständiger Qualität. Aber wo findet man die? Im Keller?

Es waren noch mehr Winzer, die sich unzufrieden zeigten, die weg wollten vom Glatten und Gefälligen. Hin zu mehr Ehrlichkeit und Authentizität im Wein. Von Biodynamie hatten sie alle schon mal was gehört. Wenn auch meist nur vage. So als theoretisches Konstrukt. Doch dann kam 2005 der Biodynamie-Experte Dr. Andrew Lorand nach Österreich. Nach einem Nachmittag mit ihm war Fred Loimer klar, dass er seinen Betrieb umstellen würde. Ihm schlossen sich neben den anderen bereits genannten Winzern auch noch Paul Achs, Judith Beck, Karl Fritsch, Michael Goëss-Enzenberg (nicht Österreich, sondern Südtirol), Hans Nittnaus, Bernhard Ott, Gerhard Pittnauer, Franz Weninger und Claus Preisinger an. Gemeinsam lernten sie die Prinzipien der Biodynamie, brauten Brennesseltee, vergruben Kuhhörner, sprachen über die Wichtigkeit von Tieren und Biodiversität.

Marienkäfer sitzt auf einer blauen Weintraube
Biodiversität im Weingarten ist Pflicht. ©respekt-BIODYN/Judith Beck

respekt-BIODYN und seine Mitglieder

Jeder für sich hätte während des Umstellungsprozesses vielleicht doch die Flinte ins Korn geworfen. Gemeinsam aber waren sie stark. Sie unterstützten sich, probierten aus, profitierten von Erfolgen und Fehlschlägen der Mitstreiter, wuchsen eng zusammen, hielten durch. Und wurden mit Weinen belohnt, wie sie sich vorgestellt hatten. Individuell, authentisch, ehrlich, lebendig. Warum nicht auch andere Winzer davon profitieren lassen? Und vor allem: wenn man sich auch offiziell zusammentut, kann man eben noch mehr erreichen. 2007 kam es so zur Gründung von respekt-BIODYN. Und weil gut Ding Weile haben will (vor allem gute Weine), präsentierte man 2012 auf der VieVinum in Wien den ersten zertifizierten Jahrgang. Zu diesem Zeitpunkt waren mit Andreas Gsellmann, Kurt Feiler und Fritz Wieninger weitere Mitglieder dazugekommen.

Mit Clemens Busch von der Mosel, Steffen Christmann und Hansjörg Rebholz aus der Pfalz sowie Philipp Wittmann aus Rheinhessen kamen 2015 gleich drei deutsche VDP-Weingüter mit an Bord. 2017 folgten Karlheinz und Franz Wehrheim, Fritz Wieninger mit seinem zweiten Weingut Hajszan Neumann sowie Herbert und Carmen Zillinger. 2018 stießen Martin und Georg Fußer aus der Pfalz hinzu. Und 2021 begrüßte respekt-BIODYN dann noch den Pfälzer Sven Leiner sowie Willi Sattler aus der Südsteiermark als Mitglieder.Wasser mit einem homöopathischen Präparat dynamisiert

respekt-BIODYN: Qualität statt Dogmen

Obwohl die Vereinigung immer mehr an Renommee gewinnt, wächst die Zahl der beitretenden Winzer nur sehr langsam. Aus gutem Grund. Denn im Unterschied zu Demeter oder Biodyvin – den anderen beiden großen Biodynamie-Interessensvertretungen – kann man sich bei respekt-BIODYN nicht bewerben. Man muss von einem Mitglied vorgeschlagen werden. Und auch dann sind Regeln einzuhalten, Kurse zu belegen, Zeiten abzuwarten, um ein vollwertiger Teil der Gemeinschaft zu sein. Wer bereits biodynamisch bewirtschaftet, braucht zum Beispiel ein Jahr zusätzliche Umstellungszeit, biologische Betriebe zwei und konventionell arbeitende Weingüter drei Jahre. Ohne Regeln geht es eben nicht.

Wobei das jetzt etwas zu streng klingt. Wichtig ist die Entwicklung. Und der Spirit. Denn respekt-BIODYN geht um Qualität – nicht um Dogmen. Womit wir bei den beiden zentralen Inhalten der Gruppe sind:

  1. Qualität für den Wein und den Prozess in der Landwirtschaft.
  2. Qualität im Zusammenleben mit Pflanzen, Tieren und Menschen.

Die sieben Säulen bei respekt-BIODYN

Daraus ergeben sich dann die sieben Säulen, auf die man sich innerhalb von respekt-BIODYN geeinigt hat:

  • standortgemäße Produktion
  • Biodiversität
  • Bodenfruchtbarkeit
  • Pflanzenpflege
  • tierisches Leben
  • Umgang mit Begleitwuchs, Schädlingen und Krankheiten
  • gesamtbetriebliche Maßnahmen

    Gemulchte Erde
    Sehr effektiv: Mulch. ©respekt-BIODYN/Robert Herbst

Standortgemäße Produktion und Biodiversität

Schauen wir uns diese sieben Punkte einfach mal genauer an, denn nicht immer wird auf den ersten Blick klar, was damit gemeint ist. Bei der standortgemäßen Produktion ist zum Beispiel darauf zu achten, dass die erforderlichen Maßnahmen mit dem Boden, den Pflanzen und den Tieren vor Ort, im Sinne der Erhaltung von Gesundheit, Produktivität und Unterstützung der natürlichen Immunität der Organismen zusammenpassen. Dabei spielen die regionalen und lokalen Bedingungen eine besonders wichtige Rolle.

Jeder Betrieb hat zudem Aufbauarbeit zu leisten, um die standortgemäße natürliche Biodiversität zu schützen und zu bereichern. Damit sind die “Helfer” der Landwirtschaft wie Würmer, Ameisen, Bienen und Schmetterlinge gemeint. Ihre Vermehrung und Bewahrung fördern die respekt- Mitglieder durch Nistkästen, Nützlingshotels, Säen von blühender Begrünung und durch die Pflege von Böschungen und Bäumen sowie deren Neupflanzung.

Begrünter Weingarten
Blühende Begrünung gehört mit zum Konzept. ©respekt-BIODYN/Robert Herbst

Bodenfruchtbarkeit und Pflanzenpflege

Als zentrale Aufgabe sieht respekt-BIODYN den Humusaufbau und die Humuspflege (die “Verlebendigung des Bodens”). Wo immer möglich, sind deswegen die vier Säulen des Aufbaus zu praktizieren:

  1. schonende Bodenpflege
  2. angepasste Begrünungen
  3. Bodenspritzungen, mindestens einmal jährlich mit Brennnesseltee und Hornmistpräparat
  4. Ausbringen von Komposten

Zur Unterstützung der Gesundheit der Kulturpflanzen, die vor allem durch geeignete Bodenpflegemaßnahmen und Laubarbeiten erreicht werden soll, gilt es, biodynamische und homöopathische Behandlungen in rhythmischer Anwendung zeit- und sachgerecht (abhängig von Mond und Witterung) vorzunehmen. Zur Steigerung der Immunreaktionsfähigkeit der Pflanzen müssen Tees und Auszüge biologischer Herkunft aus Brennessel, Ackerschachtelhalm, Kamille, Birkenblättern, Schafgarbe, Baldrian, Löwenzahn und Eichenrinde verwendet werden.

Dampfender Komposthaufen bei Sonnenaufgang
Kompost spielt eine wichtige Rolle. ©respekt-BIODYN/Robert Herbst

Tierisches Leben und Umgang mit Begleitwuchs

Alle Mitglieder von respekt-BIODYN verpflichten sich, innerhalb der Umstellungsphase Tiere in den Betrieb zu holen, um die Biodiversität zu fördern. Ob das nun das Vermehren von Würmern, Ameisen, Bienen oder Schmetterlingen ist, das Platzieren von Vogelnistkästen oder eine eigene Schaf- oder Rinderherde. Alle bemühen sich um eine individuelle Lösung, das tierische Leben im Betrieb zu fördern – bewusst, sichtbar und nachhaltig. Das betrifft nicht nur Acker- und Gartenbau, sondern auch Betriebe mit Nutztieren. Es zählen Vielfalt und lokale Anpassung.

Außerdem gibt es bei respekt-BIODYN kein “Unkraut”. Hier bevorzugt man Bezeichnungen wie “Beikraut” oder “Begleitwuchs”. Bei der notwendigen Regulierung eines unerwünschten Begleitwuchses dürfen bei respekt-BIODYN nur mechanische Methoden angewandt werden. Oberstes Ziel aller Maßnahmen ist es, die pflanzeneigene Widerstandfähigkeit des Rebstocks herzustellen oder weiter zu fördern. Vor allem Humusaufbau und Humuspflege sind die Basis für die Erreichung dieses Ziels. Biodynamische und homöopathische Pflanzenpflege in rhythmischer Anwendung tragen wesentlich zur Stärkung des Immunsystems der Kulturpflanzen bei.

Drei Kuhhörner mit Mist von respekt-BIODYN
Ja, auch die Kuhhörner fehlen nicht. ©respekt-BIODYN/Pittnauer

Gesamtbetriebliche Maßnahmen

respekt-BIODYN bemüht sich um eine ganzheitliche Sicht der Landwirtschaft, die Erhaltung der Ökosysteme, den sparsamen Einsatz von Energie, die Freude an der Landwirtschaft und die fortwährende Gesundung und Produktivität ihrer Weingärten mit möglichst wenig nachteiligen Nebenwirkungen für Erde und Menschheit. Deswegen bekennt man sich bei respekt-BIODYN zum Konzept der “landwirtschaftlichen Hofindividualität”. Die Herstellung eines weitgehend geschlossenen Produktionskreislaufs (allein oder mit Partnerschaften) ist anzustreben, weiter die Schaffung einer sicheren Existenz auf Basis gesunder Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Außerdem lebt man bei respekt-BIODYN das Konzept des “sozialen Anstands”. Jedes Mitglied bemüht sich bewusst und mit konkreten Schritten, dass alle seine Mitarbeiter*innen in verantwortungsvoller Weise behandelt und geachtet werden. Dies ist integraler Teil der gesamtbetrieblichen Maßnahmen – genauso wie die würdevolle Pflege von Boden, Pflanzen und Tieren. Nachhaltiges Wirtschaften und ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen (“reduce – reuse – recycle”) prägen die Arbeit am Hof. Brach- und Ausgleichsflächen sind wertvoller Bestandteil des Hofs und müssen ebenfalls im Sinne der Richtlinien gepflegt werden (“jedem Weingarten seinen Baum”). Und dann noch: respekt-BIODYN lehnt Genmanipulation ausnahmslos ab.

Ziegen, die über eine Wiese laufen
Diese Ziegen fühlen sich hier sichtlich wohl. ©respekt-BIODYN/Andreas Hofer

respekt-BIODYN etabliert sich

Uff, ihr seht: Esoterikgeschwurbel, das man ja gerne schnell mit Biodynamie gleichsetzt, gibt es hier nicht. Dafür eben sehr viel Verantwortung, Nachhaltigkeit, Achtsamkeit – und eben Respekt. Dieser ganzheitliche Ansatz ist nicht ohne. Wer ihn leben möchte, der braucht – vor allem in der Anfangsphase – die Unterstützung der erfahrenen Mitglieder. Und diese bekommt man auch.

Was als kleine, kaum beachtete Gruppe anfing, ist inzwischen eine richtige Bank in Sachen Biodynamie. Zahlen können das am besten belegen. Von den insgesamt gut 850 Hektar Rebfläche, die von den respekt-BIODYN-Mitgliedern bewirtschaftet werden, finden sich allein in Österreich 630 Hektar. Das sind übrigens 10 Prozent der biologisch bewirtschafteten Rebflächen des Landes. Da kann man dann schon seine Interessen gut vertreten. Noch mehr sprechen dann aber die Weine der 25 Winzer für sich, die von Robert Parkers Wine Advocate ebenso in regelmäßigen Abständen abgefeiert werden wie von Weinliebhabern auf der ganzen Welt. Eine dieser Liebhaberinnen bin übrigens ich. Denn ja, diese höchst unterschiedlichen und enorm lebendigen Weine, die sich in keine Geschmacksschublade stecken lassen, begeistern mich mit jedem Schluck wieder. Falls ihr also noch nie einen Wein von einem Winzer der Gruppe respekt-BIODYN im Glas hattet: nachholen! Es lohnt sich!

Copyright Titelbild: © respekt-BIODYN/Andreas Hofer

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet und spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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5 Kommentare

  1. Wirklich ein deutlicher Unterschied zu Demeter. Danke für den Einblick. Wenn man jetzt noch die Kuhhörner weggelassen würde…

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