Buch Bursting Bubbles von Robert Walters vor einer schwarzen Wand

Robert Walters: “Bursting Bubbles”

Lange Zeit war der australische Weinhändler Robert Walters kein großer Champagner-Fan. Bis zu einem Aha-Erlebnis im Glas, das ihn derart beeindruckte, dass er mit “Bursting Bubbles” ein Champagner-Buch der etwas anderen Art geschrieben hat.

Lebensfreude, Luxus, ganz viel Blingbling und die Leichtigkeit des glamourösen Seins an sich. Genau das verbindet man mit Erzeugnissen aus der Champagne, wenn man ganz tief in die Klischeekiste greift. Geht es nach den großen Häusern und Marken der Region, dann ist das tatsächlich auch so gewollt. Champagner soll eher ein nobles Gefühl denn ein nachhaltig geschmackvolles Weinerlebnis sein, das halt zufälligerweise auch noch schäumt. Die Bubbles stehen im Vordergrund. Und da sollen sie bitteschön auch bleiben. Um das zu bewerkstelligen, braucht es dann eben auch die Klischeekiste. Gepaart mit ein paar Tricks. Mit dieser doch recht provokanten Ansicht beginnt der australische Weinhändler Robert Walters sein Buch “Bursting Bubbles. A Secret History of Champagne & the Rise of the Great Growers”, das 2016 erstmals erschienen ist.

Robert Walters, der Provokateur

Ok, eigentlich beginnt er in seinem Vorwort noch provokanter. Denn er gesteht direkt, dass er nicht unabhängig ist. Und dass er das als Weinhändler auch gar nicht sein kann. Denn schließlich arbeitet er mit neun der elf im Buch vorgestellten Winzern zusammen. Bevor er mit dem Schreiben anfing waren es lediglich vier. Er hat also per se schon seinen Nutzen daraus gezogen. Diese Transparenz ist entwaffnend ehrlich. Was Robert Walters aber sich selbst abverlangt, erwartet er tatsächlich von anderen. Transparenz und Champagne sind seiner Meinung nach allerdings zwei Worte, die sich gegenseitig ausschließen.

Was dann folgt, ist eine recht schonungslose Abrechnung mit der Marketing-Maschinerie der großen Handelshäuser. Obwohl … eine Abrechnung ist es tatsächlich nur bedingt. Denn Robert Walters kritisiert zwar recht offen, bleibt dabei aber auch so fair und weist darauf hin, dass die Region auf die alles überstrahlenden Marken angewiesen ist. Sie formen schließlich nicht nur das Prestige, sondern sind als wirtschaftliche Kraft enorm wichtig. Vor allem, weil eben nur die wenigstens Weinbauern ihre Trauben selbst verarbeiten. Es ist nach wie vor Standard, dass man den großen Häusern die Trauben verkauft.Detailaufnahme des Buches Bursting Bubbles von Robert Walters

Robert Walters und das Marken-Bashing

Bei allem Verständnis für diese Umstände spart Robert Walters aber trotzdem nicht mit Kritik. Und die beschränkt sich nicht nur auf das Blingbling-Marketing, mit dem Moët & Chandon zum Beispiel immer noch Dom Pérignon als “Erfinder” des Champagners glorifiziert. Und natürlich auch als solchen bewirbt. Von den Negativ-Erfahrungen, die Robert Walters während einer Touri-Tour durch die heiligen Moët-Hallen gemacht hat, mal ganz zu schweigen. Aber hier steht dann mal im Zweifelsfall Aussage gegen Aussage. Denn natürlich steckt hinter dem Handelshäuser-Bashing auch ein klein wenig Kalkül. Umso heller strahlen im Anschluss dann schließlich die Vignerons, die eben keine Masse produzieren, sondern zu der sogenannten Grower-Bewegung zählen. Sprich: Winzer, die ihre eigenen Champagner machen und bei denen das Terroir im Vordergrund steht und nicht die Kellerarbeit. Weil sie konsequent auf Qualität im Weingarten setzen, um Charakterweine statt in Perfektion manipulierte Massenschäumer entstehen zu lassen.

Wein ist dann auch das nächste Stichwort. Denn Robert Walters hat eine ganz klare Meinung, wenn es um Champagner geht. Nämlich dass die Kohlensäurebläschen reine Nebensache sind. Ein Champagner ist für ihn in allererste Linie ein Wein. Dass er schäumt, ist nicht wichtig. Er muss also als Wein überzeugen. Und das geht nur mit viel Tiefgang und Komplexität, damit man Herkunft und Charakter erkennen kann. Dabei klingt bei ihm immer wieder durch, dass spritzig-frische Champagner per se langweilig sind. Zugegeben, das sehe ich etwas anders. Für mich muss ein Champagner nicht immer “weinig” sein, um seine Güte zu beweisen. Aber das nur am Rande.

Elite der Champagnerwinzer

Andererseits bleibt Robert Walters auch nicht viel übrig, als diese hochkomplexen Gewächse in den Himmel zu heben. Denn schließlich sind es die Macher von genau solchen Champagnern, die er in “Bursting Bubbles” vorstellt. Allen voran ist da natürlich Anselme Selosse. Der (zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung noch aktive) Urvater der Grower-Bewegung zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, bevor er dann endlich sein eigenes Kapitel bekommt. Er war einer der ersten Winzer, der das Terroir derart zelebrierte. Ebenfalls mit dabei sind aber auch andere Größen. Zum Beispiel Pascal Agrapart, Pierre Larmandier, Emmanuel Lassaigne, Cédric Bouchard, Bertrand Gautherot und natürlich Jérôme Prévost.

Zwischen den Seiten tummelt sich da also konsequent das Who’s who der gehypten Champagnerwinzerelite. Das ist schon mächtig beeindruckend. Aber auch unglaublich faszinierend und lehrreich. Fast alle wurden durch Anselme Selosse geprägt, bevor sie jeweils ihre eigenen Wege gingen. Was sie eint, ist der enorme Qualitätsanspruch und die Leidenschaft für das ihnen zur Verfügung stehende Terroir. Doch sie alle haben im Laufe der Zeit ihre eigene Philosophie entwickelt, die dann auch ihre Stilistik prägt. So, wie man die Böden und Lagen der Champagne nicht über einen Kamm scheren kann, kann man das eben auch nicht mit den Champagnerwinzern machen.Ein Buch über Champagner neben einer Vase mit rosa Schleierkraut

Robert Walters: Liebesbekundungen inklusive

Auch wenn die erklärenden Passagen von “Bursting Bubbles” oft bewusst auf Krawall gebürstet sind, schreibt Robert Walters hier echte Liebesbriefe, sobald es um die Winzer an sich geht. Allerdings nicht mit verklärter rosaroter Brille, sondern mit schlichter Bewunderung. Und ja, ich nehme ihm ab, dass das nicht nur pures Kalkül ist, weil er die Champagner eben auch verkauft – und dementsprechend gut finden muss. Wobei das natürlich auch eine Möglichkeit ist.

Aber direkt am Anfang gibt Robert Walters zu, dass Champagner für ihn lange Zeit nur eine banale Begleiterscheinung war. So als harmloser Aperitif oder trinkiger Spaß auf einer Party. Wenn überhaupt. Bis er das erste Mal den Terre de Vertus von Larmandier-Bernier im Glas hatte. Danach war’s um ihn geschehen. Champagner war plötzlich eine ernsthafte Angelegenheit für ihn. Jeder, der sich irgendwann aus der Geschmackswohlfühlzone der großen Handelsmarken wagt, hat genau diesen einen Schaumwein im Glas, der das Interesse an Winzerchampagner weckt. Bei mir war es übrigens 7 Crus von Agrapart & Fils – nicht wesentlich teurer als ein Brut von Veuve Clicquot und Co, dafür aber wesentlich interessanter.

“Bursting Bubbles”: Interessant und amüsant

Auch wenn “Bursting Bubbles” von Robert Walters schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und dementsprechend an einigen (wenigen) Stellen nicht mehr ganz aktuell ist, lohnt sich die Lektüre. Zum einen, um die Marketing-Mechanismen der Champagne ein wenig besser zu verstehen. Zum anderen, um sich mit der Region an sich ein wenig vertrauter zu machen. Und amüsant geschrieben ist es auch noch. Nur sollte man nicht allzu viel Wert auf eine edle Aufmachung legen. Hochglanz und schicke Fotos würden aber tatsächlich auch nicht so zur Grundaussage des Buches passen. Natürlich wurde es auch nie übersetzt, aber das Englisch ist einfach und verständlich. Falls du dich für Champagner fernab des Mainstreams begeisterst und dich ein wenig Marken-Bashing amüsiert, dann ist das Buch allemal interessant.

Robert Walters: Bursting Bubbles. A Secret History of Champagne & the Rise of the Great Growers. 240 Seiten, Quiller Publishing Ltd, 2019 (3. Auflage). 21,60 Euro.

Copyright alle Fotos: © NK/Bottled Grapes

*Bei diesem Buch handelt es sich um einen Eigenkauf. Die Rezension spiegelt ausschließlich meine eigene Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen alleine Servicezwecken.

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