Rödelseer Küchenmeister: Ein kleines Silvaner-Tasting
Franken und Silvaner gehören einfach zusammen. Mir persönlich hat es dabei aber eine ganz bestimmte Lage in Unterfranken angetan. Nämlich der Rödelseer Küchenmeister. Hier gedeiht natürlich nicht nur Silvaner, aber auf diesen habe ich mich nun einmal konzentriert. Wie sie waren? Darum geht’s jetzt hier.
Wenn du meinen Weinblog schon etwas länger liest, dann ist dir bestimmt schon aufgefallen, dass ich ein absolutes Franken-Fangirl bin – und Silvaner-Liebhaberin. Und zwar nicht nur, wenn gerade Spargel Saison hat. 😉 Meist zieht es mich einmal im Jahr in das nach wie vor total unterschätzte Anbaugebiet. Und jedes Mal versuche ich, wenigstens kurz in Rödelsee anzuhalten und Weine aus einer meiner absoluten Lieblingslagen zu verkosten. Dem Rödelseer Küchenmeister. Die Bezeichnung hat der 46 Hektar umfassende Weinberg nicht seinen geografischen Merkmalen zu verdanken, sondern einer Adelsfamilie, die eben Küchenmeister hieß und der die Fläche eben gehörte. Die erste urkundliche Erwähnung gab’s im Jahr 1360. Weinbau hat im Rödelseer Küchenmeister also eindeutig Tradition.
Der Rödelseer Küchenmeister ist übrigens eine Kessellage, die sich von unten an die „Schwingen“ des darüberliegenden Schwanbergs schmiegt. erstreckt sich in südwestlicher Ausrichtung von etwa 250 Metern über dem Meeresspiegel nahe Rödelsee bis hinauf zum bewaldeten Rand des Schwanbergs auf 350 Meter Höhe. Direkt unterhalb des Schlosses Schwanberg gelegen, profitiert der Weinberg von der „wärmenden Mütze“ des Hochplateaus, die ihn vor kalten Nord- und Ostwinden schützt.
Rödelseer Küchenmeister: Klima, Boden und Rebsorten

Das Ergebnis ist ein besonderes Kleinklima, in dem die Trauben optimal reifen können. Aber das ist noch nicht alles: Der Boden des Küchenmeisters ist stark von Gipskeuper geprägt. Diese Mischung aus kalkreichem Tonmergelgestein ist von einer bis zu zwei Zentimeter dicken Gipsader durchzogen. Und als ob das nicht schon speziell genug wäre, finden sich hier auch Sedimente von fossilen Kleinstmeerestieren. Ein Boden, der Geschichten erzählt!
Silvaner ist auf den 46 Hektar Rebfläche eindeutig Trumpf. Aber auch Riesling, Weißburgunder, Rieslaner, Scheurebe, Sauvignon Blanc und Spätburgunder (ich liebe übrigens den vom Weingut Paul Weltner) werden hier angebaut. Beim Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ist der Rödelseer Küchenmeister übrigens als Erste Lage klassifiziert. Früher war er sogar einmal Große Lage. Jetzt ist nur noch das Filetstück innerhalb des Küchenmeister als Große Lage klassifiziert: die Hoheleite. Diese Eingrenzung ergibt für mich durchaus Sinn, da so die Qualitäten noch differenzierter betrachtet werden können. Jetzt aber endlich mal Butter bei die Fische, wie es bei uns im Norden so schön heißt. Ich habe nämlich sieben Silvaner aus dem Rödelseer Küchenmeister verkostet, um endlich mal ganz konkret zu vergleichen. Schauen wir uns das Ergebnis mal genauer an.
GWF und Weingut Vollhals im Vergleich
Die Winzergemeinschaft Franken (kurz GWF) ist die größte Genossenschaft im Anbaugebiet. Ehrlich gesagt bin ich von ihr nicht so der große Fan. Einfach, weil ich immer wieder das Preis-Dumping der GWF mitbekomme – und weil ich der Meinung bin, dass einige ihrer Basis-Weine nicht im Bocksbeutel abgefüllt werden dürften. Der stand schließlich mal für herausragende Qualität. Die GWF karikiert das mit ihren Mainstream-Weinen dann doch arg. Aber hey, weil die Genossenschaft halt auch Flächen im Rödelseer Küchenmeister bewirtschaftet, habe ich mir deren 2023er Silvaner aus der Lage besorgt.
Zur Vinifikation verrät die GWF in ihrem Webshop nicht viel. Wobei ich auch nicht die „cremige Komplexität“ in dem Wein entdecken konnte, die im Shop so angepriesen wird. Don’t get me wrong: Der Silvaner hat mich positiv überrascht. In der Nase dominieren Quitte, Kräuter und eine angenehme Würze, am Gaumen angenehm rund, nicht zu sehr gemacht und mit langem Abgang. Das ist sehr ordentlich. 18,50 Euro würde ich dafür aber nicht noch einmal ausgeben. Da gibt es aus dem Rödelseer Küchenmeister weitaus bessere Weine zu einem ähnlichen oder sogar kleineren Tarif.
Vollhals überzeugt im ersten Flight
Winzer Jens Vollhals sitzt mit seinem Betrieb direkt in Rödelsee. Er bewirtschaftet lediglich acht Hektar Rebfläche – also das volle Kontrastprogramm zur GWF im ersten Flight. Sein Silvaner aus dem Rödelseer Küchenmeister hat auf der Website auch nicht viele Informationen zur Vinifikation etc. zu bieten. Die einzige Info, die es gibt: dass der Wein zur WertVoll-Linie gehört. Also ein Gewächs für besondere Momente. Und das für schlappe 13,50 Euro.
Trotzdem bekommt man hier schon wesentlich mehr Charakter als bei der GWF ins Glas. Die Nase ist gelber, herber, reifer. Am Gaumen präsentiert sich der Wein sehr strukturiert und vorwärts stürmend. Da ist schon deutlich mehr los. Schön. Zu besonderen Momenten würde ich persönlich etwas anderes aufmachen, aber für mich ist dieses Gewächs ein sehr feiner Speisenbegleiter zu Fisch und Geflügel. Und ja, meinetwegen auch zu weißem Spargel.
Rödelseer Küchenmeister: Weingüter Hemberger und Melber
Auf zum zweiten Flight. Hier kam zuerst der Silvaner von Tobias Hemberger ins Glas. Auch hier Jahrgang 2023 – wie bei fast allen Weinen. Ich wollte ja schließlich eine gute Vergleichbarkeit haben. Der Hemberger-Silvaner aus dem Rödelseer Küchenmeister hat es echt in sich. Ich habe selten einen Wein im Glas gehabt, der von Anfang an derart viel Zug und Intensität hat. Am Gaumen türmen sich die fruchtigen Eindrücke, die aber niemals zu üppig oder grell sind. Ja, der Wein ist laut und direkt. Dabei bleibt er aber konsequent ein Gentleman, der seine Grenzen kennt und seine Manieren bewahrt. Krass gut also. Und das alles dann auch noch in Bio-Qualität für schlanke 12 Euro. Und ja, das ist eine klare Kaufempfehlung.
Selbiges gilt aber auch für den Silvaner aus dem Rödelseer Küchenmeister von Michael Melber. Über das Weingut Melber habe ich ja bereits ausführlich geschrieben. Wie auch Tobias Hemberger kann Michael Melber glücklich schätzen, alte Reben im Küchenmeister stehen zu haben. Der Silvaner hat mich mit seiner gelben Nase sofort in den Bann gezogen. Während der Wein von Hemberger laut ist, gehört das Melber-Gewächs eher zur leisen, aber trotzdem eindringlichen Sorte. Hier hatte ich es dann erstmals mit einem konsequent eleganten Vertreter aus dem Rödelseer Küchenmeister zu tun. Wobei ich den Silvaner nicht alleine verkostet habe. Wenn ich mehr als drei Weine aufreiße, dann sind auch immer mein Mann und ein paar Freund:innen dabei. Und die haben dafür gesorgt, dass die Melber-Flasche als erste des Abends leer war. Was sehr für den Trinkzug spricht. Ach ja, 13 Euro kostet dieser Küchenmeister-Silvaner. Ein weiteres Schnäppchen also.
Dritter Flight: Weingüter Meyer und 3 Zeilen
Kommen wir zu weiteren Rödelsee-Betrieben. Beim Weingut Karl Meyer mischt inzwischen auch Sohn André kräftig mit. Was ich persönlich sehr toll finde. Die Meyer-Weine waren mir früher etwas zu direkt und laut und kräftig. Seitdem André mit im Betrieb ist, ist auch die Eleganz eingezogen. Bestes Beispiel ist da dann tatsächlich der 2023er Silvaner alte Reben aus dem Rödelseer Küchenmeister. Nase und Gaumen werden hier direkt von einer unheimlich gut ausbalancierten Kräuterwürze begrüßt, während der Wein elegant und feinsinnig über die Zunge tänzelt. Das ist ein echter Seelenberührer, der mal kurz den Gaumen ob der feinen und äußerst präzisen Struktur fliegen lässt. Jepp, großes Silvaner-Kino. Und das alles für unglaubliche 12 Euro. Wer da nicht zugreift, ist einfach selbst Schuld.
Im Jahr 2008 haben sich Alexandra und Christian Ehrlich ihren Traum von drei Weinzeilen in Rödelsee erfüllt. Aus diesen drei Zeilen, die zugleich Namensgeber für ihr Weingut waren, sind inzwischen vier Hektar geworden. Trotzdem betreiben die beiden Weinbau nach wie vor im Nebenerwerb. Das bedeutet zum einen natürlich viel zusätzliche Arbeit, hat aber auch den Vorteil, dass sie keinerlei Kompromisse eingehen müssen und somit ausschließlich Weine machen, die ihren Vorstellungen entsprechen. Und das bedeutet nicht nur ökologische Bewirtschaftung und konsequente Handarbeit, sondern eben auch, dass alle Weine von ihrem Terroir erzählen sollen. Dafür bekommen sie alle Zeit der Welt.
Christian hat den 2022er Silvaner aus dem Rödelseer Küchenmeister vergangenen Sommer so zum Beispiel noch nicht abgefüllt gehabt, mir aber eine Fassprobe mitgegeben – auch wenn ich das Tasting dann erst im Herbst gemacht habe. Ja, ich bin mit diesem Text spät dran. Aber zurück zum Silvaner. Bereits die Nase verrät: Hier wird’s groß und eigenwillig. Nüsse statt Frucht erreichen zuerst die Sinne. Am Gaumen begeistert mich die tiefe Komplexität, die fast schon majestätisch daherkommt – inklusive delikater Rauch-Anklänge. Aufgrund des recht hohen Alkoholgehalts ist die Struktur ein wenig mollig, dabei aber sehr präzise – und der Alkohol ist perfekt integriert. Das ist Charakter pur im Glas. Ich lieb’s. Mit ca. 25 Euro nicht eben ein Schnäppchen, aber den Preis allemal wert. Sehr fair.
Rödelseer Küchenmeister von Paul Weltner
Außer Konkurrenz lief der Silvaner Rödelseer Küchenmeister 2023 von Paul Weltner. Einfach, weil ich diesen Wein aus 1.000 Silvanern direkt herausschmecken würde. Und weil das Gewächs halt ein echter Seelenöffner bei mir ist. Was dieser Silvaner, oder eben Sylvaner – da ist Paul Weltner ebenso eigen wie konsequent – immer hat: Eleganz, Eleganz und noch mehr Eleganz. Der 2023 ist so klar strukturiert wie eine Gebirgsquelle rein ist. Das flimmert schon fast vor Präzision. Dazu noch die filigrane Kräuterwürze und die vibrierende Frisch. Ein Träumchen!
Und das Beste: Dieser Silvaner offenbart erst in einigen Jahren seine eigentlichen Charakter. Pauls Weine sind nun einmal Langstreckenläufer. Je mehr sie reifen, desto komplexer, tiefer und beeindruckender werden sie – ohne dabei auch nur ansatzweise an Eleganz zu verlieren. Das ist schon ganz großes Silvaner-Kino für round about 21 Euro. Und ja, ich habe davon immer verschiedene Jahrgänge im Keller. Das ist so ein Wein, der bei mir niemals ausgehen darf.
Rödelseer Küchenmeister: Was vom Tasting bleibt
Es war mega spannend, den Rödelseer Küchenmeister derart geballt im Glas zu haben – und die unterschiedlichen Interpretationen der Lage zu entdecken. So etwas sollte ich eigentlich viel häufiger machen. Nicht nur, um eine Lage besser zu verstehen. Sondern auch, um Weine zu entdecken, die ich vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Mein nächster Besuch in Rödelsee wird mich deswegen nicht nur traditionell zu Paul Weltner und Michael Melber führen, sondern auch zu André Meyer sowie zu Alexandra und Christian Ehrlich. Da möchte ich unbedingt noch mehr Weine kennenlernen. Hast du schon einmal ein gezieltes Lagen-Tasting gemacht? Falls nicht, kann ich es dir nur empfehlen!
Copyright Titelbild: © NK/Bottled Grapes
Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er spiegelt meine persönliche Meinung wider und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Weine habe ich selbst gekauft, einige Winzer ließen sich aber nicht davon abbringen, mir Kostmuster zur Verfügung zu stellen. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen alleine Servicezwecken.
Kommentar verfassen