Sherry-Fässer in einem Keller für ein Solera-System

Solera-System: Nicht nur groß bei der Sherry-Produktion

Übereinander gestapelte Fässer, in denen oben junger Wein rein- und unten ein Verschnitt aus ganz vielen unterschiedlichen Jahrgängen als Genussergebnis herauskommt. So lässt sich das Solera-System grob erklären. Aber: Wo wird dieses Verfahren angewendet? Welche Auswirkungen hat es auf den Geschmack? Und warum wurde es überhaupt erfunden? Schauen wir uns das alles mal etwas näher an.

Wenn man sich mit dem Prinzip des Solera-Systems beschäftigen möchte, muss man erst einmal gedanklich nach Spanien reisen. Und zwar nach Jerez, um genau zu sein. Denn diese Region ist die Hochburg der Sherry-Produktion. Vorab: es wird hier nicht um die Bereitung von Sherry gehen. Die ist nämlich durchaus komplex und würde eindeutig den Rahmen sprengen. Es schadet aber nicht zu wissen, dass einige Sherry-Arten unter einem Flor reifen. Also unter einer Hefeschicht. Diese entwickelt sich, wenn der fertig vergorene Wein mit neutralem Alkohol aufgespritet wird. Und zwar auf 15 bis 15,5 Volumenprozent Alkohol. Dieser Flor ist wichtig, damit Sherry seine typischen Aromen erhält.

Anders als beim Wein, ist ein Sherry meistens jahrgangslos. Also ähnlich wie ein Champagner. Hier wie dort gilt: steht kein Jahrgang vorne auf dem Etikett, ist der Inhalt ein Verschnitt aus mehreren Jahrgängen. Allerdings unterscheidet sich der Weg dahin. Während beim Champagner die unterschiedlichen Jahrgänge in der Regel (zur Ausnahme kommen wir später) separat gelagert und erst bei Bedarf miteinander vermählt (Fachchinesisch: assembliert) werden, geht man beim Sherry anders vor. Womit wir jetzt endlich bei der Solera-Methode wären.

Drei unterschiedliche Sherry auf einem Tisch mit Gläsern, im Hintergrund Eichenfässer im Solera-System gestapelt
Nicht jeder Sherry durchläuft das Solera-System – aber viele. © volkerschoen/Pixabay

So funktioniert das Solera-System

Das Solera-System besteht aus mindestens drei übereinander gestapelten Reihen von Eichenfässern. Diese sind natürlich genormt. Jedes Fass fasst genau 520 Liter. Drei Reihen sind aber tatsächlich nur das Minimum. In der Realität besteht ein Solera-System aus bis zu 14 Reihen. Und nein, die werden dann tatsächlich nicht mehr übereinander gestapelt, sondern separat gelagert. So einen riesigen Fassberg könnte man schließlich nirgends unterbringen. Mal ganz davon abgesehen, dass man aufgrund des Gewichts mit der Statik ein Problem bekommen könnte. Aber bleiben wir bitte mal weiter bei dem Bild, dass die Reihen übereinander gestapelt sind. Denn das macht es einfach, das Solera-System zu verstehen.

Denn jetzt wird es etwas komplizierter. Auch, wenn das Grundprinzip einfach ist. In den untersten Fässern ist der älteste Sherry, in den obersten der jüngste. Jedes Jahr wird ganz unten 30% des Inhalts entnommen. Danach füllt man diese Fässer mit dem Inhalt der darüberliegenden Reihe auf. Die wiederum mit der darüberliegenden. Und so weiter. Ganz oben kommt dann der brandneue Sherry rein. Da man aber immer nur 30% abzapft, vermischen sich unten natürlich die Jahrgänge. Je mehr Jahrgänge, desto mehr Reife, desto komplexer der Sherry. Einerseits. Andererseits wird so aber auch der Flor am Leben gehalten. Dieser besteht ja aus Hefen. Und die müssen durch Zucker und Co. von jüngeren Jahrgängen quasi gefüttert werden.

Das bedeutet dann aber gleichzeitig, dass die Hefebakterien den Zucker in Alkohol umwandeln. Damit produzieren sie quasi ihren eigenen Tod. Denn ab 17 Volumenprozent Alkohol sterben sie ab. Die Zugabe von jungem Sherry füttert den Flor also nicht nur mit Zucker, sondern “verdünnt” gleichzeitig auch den Alkoholgehalt, bevor er für die Hefe zu gefährlich sein könnte.

Weinkeller mit gestapelten Eichenfässern
Ein Solera-System muss mindestens aus drei Reihen bestehen. © sgrunden/Pixabay

Begrifflichkeiten und Herkunft

Ihr seht: das ist schon ein hochkomplexes System. Den Namen hat das Solera-System übrigens von der untersten Fassreihe. Denn aus dem spanischen übersetzt bedeutet Solera “am Boden liegend”. Die Reihen darüber nennt man Criadera (“Zucht”). Hat man so ein Solera-System erst einmal gestartet, ist die Betreuung so aufwändig dann nicht mehr. Es läuft und läuft. Es aufzubauen, ist allerdings eine ganz andere Nummer. Da braucht man schon enorm viel Geduld. Deswegen sind viele Solera-Systeme tatsächlich schon beeindruckend alt. Teilweise bis zu 100 Jahre! Und ja: Sherry-Reste aus dem Anfangsjahr sind immer noch in den unteren Soleras drin. Das ist schon ziemlich beeindruckend.

Heutzutage ist das Solera-System bei einem Sherry eindeutig ein Qualitätsmerkmal. Das war aber nicht immer so. Denn eigentlich wurde das Verfahren aus ganz pragmatischen Gründen von spanischen Winzern entwickelt. Man musste nämlich nicht ganze Fässer mit Sherry ausbauen. Und dementsprechend hatte man auch keine Verluste, wenn der gespritete Wein mal gerade nicht so gut verkauft wurde. Dass man auch heute noch dadurch sehr flexibel auf Verkaufsschwankungen reagieren kann, ist und bleibt natürlich ein nicht zu verachtender wirtschaftlicher Vorteil. 😉

Keller mit Solera-Fässern
Neue Solera-Systeme werden kaum noch gestartet, da der Aufwand einfach zu groß ist. © Mariamza/Pixabay

Solera und der Rest der Weinwelt

Dank des Solera-Systems kann man also wirtschaftlich produzieren. Und in Sachen Qualität bekommt man durch den Mix aus jung und alt eine wunderschöne Komplexität in den Sherry. Aber nicht nur in den. Denn das Solera-Verfahren findet man auch bei anderen gespriteten Weinen. Auch einige Portweine oder Marsalas durchlaufen es. Selbiges gilt für einige australische Muscats, bei denen der Alkoholgehalt durch Branntwein verstärkt wurde. Jahrgangslose Süßweine haben ein Solera-System ebenso gesehen. Und dann gibt es auch diverse Rotweine auf der Welt, die ohne Vintage daherkommen. Da können die einzelnen Jahrgänge natürlich auch unabhängig miteinander verschnitten worden sein. Die Anwendung des Solera-Verfahrens ist aber auch hier so unüblich nicht.

Und dann ist da ja noch die Champagne. Hier werden, wie eingangs bereits erwähnt, die einzelnen Jahrgänge für einen Non-Vintage miteinander assembliert. Der Grund ist denkbar simpel. Schließlich wollen vor allem die großen Handelsmarken Jahr für Jahr einen identischen Geschmack auf die Flasche bringen. Mit nur einem Vintage geht das nicht. Dafür ist das Wetter in der Region zu wechselhaft. Deswegen verschneidet man. Es gibt inzwischen aber auch Champagnerwinzer und kleine Handelshäuser, die für ihre höherwertigen Schaumweine (Stichwort Prestige-Champagner) auf das Solera-System zurückgreifen. Jacques Selosse macht das zum Beispiel. Oder Bonnet-Ponson. Diese Champagner tragen meist den Beinamen “perpétuelle” (“ewig”). Da könnt ihr also schon allein am Namen erkennen, dass es im Glas etwas komplexer zugeht. Eben wie überall, wo das Solera-Verfahren mit im Spiel ist.

Copyright Titelbild: © javarman3/iStock

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet und spiegelt ausschließlich meine eigene Meinung wider. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen alleine Service-Zwecken.

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3 Kommentare

  1. War mal wieder eine schöne Auffrischung liebe Nicole 🙂 und ich wurde darauf hingewiesen, dass ich schon viel zu lange keinen Sherry mehr im Glas hatte

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