Frostkerzen gegen Spätfrost im Weinberg

Spätfrost im Weinberg: Wenn es die Reben eiskalt erwischt

Vom 21. bis zum 23. April 2024 brachten Minustemperaturen viele Winzer:innen in Deutschland und Österreich um den Schlaf. Denn Spätfrost im Weinberg kann einem die komplette Ernte ruinieren. Was kann man dagegen tun? Heizen wir das Thema mal ein wenig auf.

Hach, was waren das doch für romantische Fotos und Videos, die man zwischen dem 21. und 23. April 2024 in den sozialen Medien sehen konnte. Nächtliche Feuerstellen mitten in den Weinbergen. Und das einmal quer durch alle Anbaugebiete in Deutschland sowie in einigen Teilen Österreichs, Frankreichs und Italiens. Vor allem aus der Wachau kamen da massig Aufnahmen. Ja, das sah schon echt schön aus. Mit Romantik hatte das aber rein gar nichts zu tun. In genau diesen Nächten kämpften Winzer:innen tatsächlich um ihre Existenz. Denn aufgrund von Spätfrost drohte bereits jetzt ein Ernteausfall. Was heißt hier drohte? Es gibt Betriebe im nördlichen Rheinhessen, in Franken und an der Nahe, die es tatsächlich knallhart erwischt hat. Einige Winzer:innen berichteten, dass 50 oder mehr Prozent der Triebe in den unterschiedlichen Rebanlagen erfroren seien. Sachsen sowie Ruwer und Saar soll es noch härter erwischt haben. Mit bis zu 100 Prozent Schaden. Du siehst: Spätfrost ist eine echte Bitch.

Aber wieso hat der Spätfrost ausgerechnet dieses Jahr so einen großen Schaden angerichtet? Ganz einfach: Anfang April war es in den Weinanbaugebieten bereits erstaunlich warm. Für die Natur das beste Signal, um den Turbo anzuschmeißen. Sprich: Der Austrieb von Knospen und Blättern war extrem früh. Nämlich so etwa zwei, mancherorts sogar drei Wochen zu früh. Außerdem handelte es sich nicht um Bodenfrost, sondern um Luftfröste. Am Boden kann man Reben tatsächlich einigermaßen gut schützen. Die Triebe aber nicht, wenn schon das erste Grün vorhanden ist.

Was passiert bei Spätfrost?

Wenn der Austrieb bereits begonnen hat, spricht man bei dann folgenden Minustemperaturen von Spätfrost. Und dieser ist tatsächlich verheerend. Die jungen Triebe sind sehr empfindlich. Fällt das Thermometer unter 0°C, erfrieren Knospen und Blätter sofort. Sind die Blättchen welk und braun und die Knospen vielleicht sogar schwarz, dann ist da nichts mehr zu machen. Klar, es erwischt nicht alle Triebe gleichermaßen hart. Und es gibt dann ja auch noch die sogenannten Beiaugen, also quasi Ersatzknospen. Diese können nach einem Spätfrost austreiben. Das Problem: Wenn überhaupt, dann entwickelt sich da nur eine einzige Traube. Was den Ertrag per se sehr dezimiert.

Erfrorener Trieb einer Weinrebe
Eindeutig erfroren. © www.deutscheweine.de

Was aber vielleicht sogar noch etwas schlimmer ist: Obwohl die Winzer:innen bei einigen Rebanlagen bereits jetzt schon aufgrund der Schadensschwere des Spätfrostes wissen, dass es kaum oder sogar keinen Ertrag gibt, müssen sie diese Parzellen trotzdem ganz normal bewirtschaften. Damit es halt auch nächstes Jahr wieder Weintrauben gibt. Sprich: Sie sparen kein Geld, sondern verlieren nur welches. Dementsprechend ist eine Frage an dieser Stelle sehr berechtigt. Nämlich: Kann sich ein Betrieb vor Spätfrost schützen? Das schauen wir uns jetzt mal genauer an.

Sind Frostruten sinnvoll?

Vorweg: In so gut wie allen Weinanbaugebieten Deutschlands gibt es sogenannte Frostlagen. Also Weinberge, in denen der Spätfrost ziemlich regelmäßig sein Unwesen treibt. Es ist halt nur so, dass es inzwischen aufgrund des Klimawandels immer häufiger auch in den normalen Weinlagen zu Spätfrösten kommt. Deswegen treffen viele Betriebe auch in diesen Weingärten vorbeugende Maßnahmen, wenn sie merken, dass die Natur mal wieder besonders früh dran ist.

Eine der gängigsten und zugleich auch umstrittensten Methoden ist, eine Frostrute pro Rebstock stehen zu lassen. Dafür muss man sich als Winzer:in dann allerdings vor dem Rebschnitt entscheiden. Denn da lässt man dann halt nicht eine, sondern zwei Ruten stehen. Umstritten ist dieses Vorgehen, weil es halt auch Weinbauexpert:innen gibt, die sagen, dass man damit die Rebe unnötig schwächt und auslaugt, weil sie ihre Energie eben auf zwei Triebe verteilen muss. Andere behaupten wiederum, dass genau solch eine Frostrute den Rebstock schützt. Einig sind sich beide Lager nur darin, dass diese Praxis mit einem großen Aufwand verbunden ist. Wenn die Frostrute nicht gebraucht wird, muss sie schließlich abgeschnitten werden, sobald es nicht mehr zu einem Spätfrost kommen kann. Macht man das nicht, verschwendet man tatsächlich die Energie der Rebe, was dann zu einer minderen Traubenqualität führt. Diesen Mehraufwand können sich mittelständige Betriebe oft einfach nicht leisten, weil sie nicht genügend Zeit und Mitarbeitende haben.

Von Spätfrost geschädigter Trieb einer Weinrebe
So sehen Frostschäden an einem Trieb aus. © www.deutscheweine.de

Spätfrost und Rebschnitt

Bleiben wir ruhig noch ein wenig beim Rebschnitt. Denn gerade in frostgefährdeten Lagen kann es sich lohnen, diesen erst sehr spät zu machen. Es gibt Betriebe, die sind bereits im November damit durch. Andere Winzer:innen beginnen erst im Februar mit dem Rebschnitt. Da hat jedes Weingut eine eigene Philosophie. Unbeschnittene Reben sollen etwas widerstandsfähiger sein. Deswegen fangen einige Winzer:innen erst nach der Hauptfrostperiode mit dem Rebschnitt an. Ein später Rebschnitt verzögert den Austrieb um zwei bis drei Wochen. Und genau die können dann reichen, um einem Spätfrost zu entgehen. In diesem Spätfrostfall hätte das allerdings nur bedingt etwas gebracht, weil die Natur eben den derart den Turbo angeschaltet hat, dass auch bei einem späten Rebschnitt der Austrieb bereits begonnen hätte.

Bei neu angelegten Parzellen kann es übrigens auch sinnvoll sein, den unteren Stammbereich mit Erde zu bedecken, um ihn so vor der Kälte zu schützen. Denn bei jungen Reben ist auch der Stamm noch empfindlich. Die Triebe schützt das freilich nicht. Aber bei sehr hohen Minustemperaturen kann es eben auch den Stamm erwischen. Das kann man auch bei älteren Anlagen machen, hätte im April 2024 aber nichts gebracht, weil es ja Luftfröste waren. Was aber können Winzer:innen ganz akut tun, wenn Spätfrost droht? Auf in den Weinberg. Das schauen wir uns an.

Winzer:in macht den Rebschnitt
Ein später Rebschnitt verzögert den Austrieb – und das kann bei Spätfrost wichtig sein. © www.deutscheweine.de

Akute Maßnahmen gegen Frost im Weinberg

Am gängigsten sind tatsächlich sogenannte Frostkerzen. Wobei die Kerze hier schon die Größe eines soliden Eimers hat. Die Frostkerzen bestehen in der Regel aus Paraffin (Erdölbasis) oder Stearin (basiert auf tierischen und pflanzlichen Ölen) und können – je nach Kälte – bis zu 50 Quadratmeter Rebfläche “warmhalten”. Je kälter es ist, desto enger müssen sie stehen, um zu wirken. Nun ist Paraffin nicht eben umweltfreundlich. Und beide Varianten sind auch nicht so die Schnäppchen. Mal ganz davon abgesehen, dass auch immer jemand die Frostkerzen überwachen sollte, wenn sie erstmal brennen. Du ahnst es: Die meisten Winzer:innen nutzen diese Methode ausschließlich für ihre besten Lagen, um diese vor Spätfrost zu schützen. Die Anlagen für die Guts- und Ortsweine werden in der Regel ihrem Schicksal überlassen, weil man diesen Aufwand in der Masse nicht betreiben kann.

Es gibt Anbaugebiete, da sind Spätfröste übrigens derart häufig, dass man da im Weinberg selbst bereits fest Öfen installiert hat, um die Reben so zu wärmen. In den Crus von Chablis im französischen Burgund kann man solche Öfen zum Beispiel finden. Besonders umweltfreundlich sind diese Öfen nicht. Eine weitere Möglichkeit, die man ebenfalls in Chablis, aber manchmal auch in Deutschland findet, sind Sprinkleranlagen. Diese sprühen Wasser auf die Triebe, kurz bevor der Spätfrost einsetzt. Durch diesen gefriert das Wasser dann – und erzeugt dadurch eine latente Wärme, die die Triebe schützt. Hört sich gut an? Ja! Und es ist sehr teuer! Auch der Einsatz von Windmaschinen ist möglich. Hierbei saugt ein großer Ventilator wärmere Luft aus den oberen Schichten und mischt diese mit den kälteren Schichten am Boden. Und ja, das ist laut – und leider nur bis -2°C einigermaßen wirksam. Im April 2024 wurden aber bis zu -4°C gemessen. Diese Methode wird vor allem in den Vereinigten Staaten sowie in Neuseeland verwendet.

Brennende Frostkerzen in einem Weinberg bei Nacht
Sieht romantisch aus, ist es aber nicht: Kampf gegen Spätfrost. © SpiritProd33/iStock

Was noch bei Spätfrost helfen kann

Natürlich können Winzer:innen auch auf einem natürlichen Weg versuchen, ihre Reben vor Spätfrost zu schützen. Die burgenländische Winzerin Silvia Heinrich erzählte mir mal von einem Spätfrost, bei dem sie und ihre Kolleg:innen aus Deutschkreutz die Reben zuvor mit Heu oder Stroh bedeckten. Das hat in der ersten Nacht auch sehr gut funktioniert. Nur musste der Kram tagsüber dann halt wieder runter, damit die Rebe Luft und Sonne bekommen konnte. Für die zweite Frostnacht ließ sich nicht mehr viel Abdeckungsmaterial in der Region auftreiben. So nahm das Kälteschicksal dann seinen Lauf. Natürlich kann man die Rebzeilen auch mit Plastik oder Folien abdecken. Diese müssen aber auf jeden Fall so schnell wie möglich wieder runter, damit die Reben atmen können. Bei einem Hektar ist das möglich – ab fünf Hektar eher nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass solche Abdeckungen auch die Triebe zerstören können.

Und dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit, bei der Neuanlage eines Weingartens direkt darauf zu achten, dass Spätfrost den jungen Trieben nichts anhaben kann. Indem man zum Beispiel auf ein hohes Erziehungssystem (hilft nur gegen Bodenfrost) setzt oder Rebsorten wählt, die per se spät austreiben oder nicht ganz so kälteempfindlich sind. Wobei sich das jetzt wirklich lächerlich einfach schreiben lässt – die Realität sieht anders aus. Schließlich müssen die Betriebe vor allem mit den Lagen arbeiten, die sie so haben. Und nicht jede Rebsorte passt überall hin. Man hat ja als Weingut auch noch so etwas wie eine Philosophie oder vinophile Handschrift. Mal ganz davon abgesehen, dass unsere deutsche Parade-Rebsorte Riesling eh schon spät austreibt – was übrigens auch für Silvaner, Sauvignon Blanc oder Müller-Thurgau gilt.

Gegen Spätfrost kann eine Frostschutzberegnung im Weinberg helfen
Frostschutzberegnung hüllt den Weingarten in Eis. © www.deutscheweine.de

Wirtschaftliche Frostschäden

Du siehst: Ein wenig kann man bei Spätfrösten machen, aber leider eben nicht viel. Trotzdem bewahren die meisten Winzer:innen in dieser Situation Ruhe. Sie wissen halt, dass so etwas zur Arbeit mit der Natur dazugehört. Auch wenn Spätfröste in den vergangenen Jahren tatsächlich immer häufiger vorkommen, weil die Natur von Mal zu Mal früher dran zu sein scheint. Klar, es gibt Versicherungen. Man kann sich nicht nur gegen Hagel, sondern auch gegen Frost versichern. Doch das kostet halt auch nochmal ordentlich Geld. Und es ersetzt einem zwar einen Teil des finanziellen Ausfalls – aber eben nicht den Wein an sich, der im Frostjahr halt einfach nicht produziert werden kann.

Genau hier liegt das eigentliche Problem begraben. Denn Wein ist nun einmal ein Verdrängungsmarkt. Und die meisten Weine werden jung getrunken. Vor allem die Guts- und Ortsweine. Hier ist der Absatz des aktuellen Jahrgangs dann auch am größten. Besonders bei den Stammkund:innen. Wenn diese “ihren” Wein nicht bekommen, weil es ihn aufgrund von Spätfrost nicht gibt, dann gehen sie halt zu einem anderen Betrieb und kaufen dort. Die Rückkehr zum vorherigen Weingut ist nicht garantiert. Der Schaden hört im Zweifelsfall also nicht im Weinberg auf. Deswegen mein Appell: Sollte einer deiner Lieblingsweine mal aus Spätfrostgründen ausverkauft sein, dann halte dem Weingut deines Vertrauens bitte trotzdem die Treue.

Copyright Titelbild: © ZU_09/iStock

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen alleine Service-Zwecken.

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