Wie es dazu kam, dass ich plötzlich spanische Rotweine mag
Jeder noch so passionierte Weintrinker hat bestimmte Regionen, die sich ihm am Gaumen einfach nicht erschließen können. Mit etwas Glück (und Durchhaltevermögen) kann es aber zu einem Aha-Erlebnis kommen. Wie bei mir neulich. Womit wir beim Thema spanische Rotweine wären.
Zugegeben, eine Region macht nicht ein ganzes Land aus. Aber ich nehme gerade, was ich kriegen kann, um Hoffnung zu schöpfen. Hoffnung, dass ich jetzt endlich mit den spanischen Rotweinen warm geworden bin. Auslöser für eben jene Hoffnung waren drei Rotweine* aus dem Ribera del Duero, der spanischen Weinbauregion schlechthin, die erst 1982 nach dem gleichnamigen Fluss benannt wurde, in kurzer Zeit zur Weinsuperstarregion mutierte und die von ihren Kontrasten geprägt wird.
Hier gibt es heiße Tage und kalte Nächte. Und weil sich die meisten Weingärten auf einer Höhe zwischen 750 und 900 Metern über dem Meeresspiegel befinden, ist es dort eben noch ein wenig heißer und kälter. Was ganz super ist. Denn diese krassen Temperaturschwankungen sorgen zusammen mit der Mischung aus kontinentalem und mediterranem Klima dafür, dass hier in Sachen Aroma, Farbe und Gerbstoff das Maximum aus der Tempranillo-Traube herausgeholt wird. Und diese wird hier nun mal verstärkt angebaut. Wobei sie ja eh absolut typisch für spanische Rotweine ist, diese Traube. Entweder als einziger Star in der Flasche oder eben als kräftige Cuvée.
Die Weine brauchen Luft!
Nun konnte ich bis dato mit Tempranillo nicht soviel anfangen, hatte eher andere Favoriten. Was für ein stürmischer, kantiger, wilder Geschmack! Mir war das immer zuviel. Vor allem die harten und übermächtigen Tannine machten mir zu schaffen. Trotzdem habe ich mich regelmäßig an der Traube abgearbeitet, nutze jede Gelegenheit, sie immer wieder zu probieren, bin aber regelmäßig an ihr verzweifelt. Bis sich das neulich eben änderte. Als wir nämlich Freunde für einen spanischen Abend zu Gast hatten und drei Rotweinflaschen aus der Region Ribera del Duero öffneten.
Zum Glück war eine Gästin einige Zeit im Weinfachhandel tätig. Sie schaute nur mit großen Augen und forderte dann alles an Dekantern ein, was unser Haushalt so zu bieten hatte. Luft! Luft muss da ran! An alle! Sofort! Und viel! Auf Profis soll man ja bekanntlich hören, also schleppten wir ran, was wir hatten. Und schütteten fleißig um. Entschuldigung. Wir karaffierten natürlich. 😉
Spanische Rotweine und die Gerbstoffe
Ich persönlich ging mit sehr geringen Erwartungen an die Weine heran. Spanien halt. Gut der erste Wein, der Torre Albéniz Reserva aus dem Jahr 2014 von Bodegas Peñalba Lopez war kein reiner Tempranillo, sondern hatte noch zwei Prozent Albillo und ein Prozent Garnacha zu bieten, aber hey, das sind Zahlen auf dem Papier, die dem Geschmack nix tun. Aber immerhin, es sollte einer der Icon-Weine der Region sein. Und leider im Barrique ausgebaut. Ist ja recht typisch. Immer noch schön Holz zu den Gerbstoffen, damit es im Mund so wild und unbändig wie nur möglich zugeht. Oder anders ausgedrückt: eigentlich hatte ich auf diesen Wein gar keinen Bock.
Ich! Dummes! Huhn! Statt Gerbstoffgezwiebel hatte ich nämlich den Mund voller Kirschen und Brombeeren, zu denen sich sogar Lakritz und ein Hauch von Tabak gesellten. Wie wunderbar! Und dann erst die Tannine! Ja, sie waren sehr füllig, aber sie erschlugen mich nicht! Was war das denn? Könnte es möglich sein, dass ich mir Spanien gerade ertrinke? Aber nicht doch!
Eine Begegnung mit 100 Prozent Tempranillo
Mein Erstaunen war groß, meine Ungeduld größer. Ran an den zweiten Wein des Abends. Ein 2015er Condado de Haza von Alejandro Fernandez für die Grupo Pesquera. Fernandez gilt als einer der Pioniere des Ribera del Dueros. So einen Ruf muss man sich erst einmal erarbeiten. Ich war also schon etwas neugieriger. Und offener. Nicht ganz offen. Denn hier bekam ich immerhin 100 Prozent Tempranillo ab.
Und wisst ihr was? Das machte gar nichts! Ja, der Wein ist noch zu jung und kann ruhig noch ein paar Jahre im Keller liegen und vor sich hin reifen. Die Tannine waren schon noch recht straff. Aber bei Weitem nicht so eckig und sauer wie befürchtet. Schon jetzt konnte ich erahnen, wie gut die in fünf Jahren aufwärts eingebunden sein werden. Und auch hier wieder volle Frucht mit einer Tabaknuance im Mund. Brombeeren ohne Ende. Ein saftiger Wein, der schon ein ganz klein wenig auf Samtpfoten daherkommt. Trotz seines jungen Alters. Boah, was für eine Überraschung. Tempranillo! Ich mag jetzt plötzlich Tempranillo! 🙂
Spanische Rotweine sind mehr als Tempranillo pur
Aber kommen wir zum Königswein (meinem Königswein) des Abends. Und zu meiner größten Überraschung. Dem 2010er Montecastro Reserva von Bodegas y Viñedas Montecastro. Das Weingut hat 2012 seinen Besitzer sowie seinen Önologen gewechselt. Aber 2010, da wurde dieser Wein noch vom Bordeaux-Experten Jean-Francois Hebrard gemacht. Ein Detail, das noch wichtig werden soll. Aber kommen wir erst einmal zu den Weininfos. Hier steckt nämlich mal kein Tempranillo drin! Für die Cuvée wurden Tinto Fino (90 Prozent), Merlot (sechs Prozent) und Cabernet Sauvignon (drei Prozent) verwendet – womit die Bordeaux-Experten, die wissen, dass Merlot und Cabernet Sauvignon für eben einen solchen Wein nicht gerade unwichtig sind, jetzt vielleicht schon ahnen, was gleich kommt.
Obwohl der Wein schon knapp eine Stunde der Flasche entronnen war und im Dekanter fleißig vor sich hin lüftete, war er anfangs so gar nicht meins. Zu herb, zu kräftig, zuviele Kräuter. Im Mund verschlossen und kratzborstig und widerspenstig und sogar etwas rabiat. Nö. Danke. Da trinke ich doch lieber den Condado de Haza weiter! Gesagt, getan, während sich die anderen diesen Montecastro langsam einverleibten, bis nur noch ein Glas übrig war. So ungefähr zwei Stunden später. Zum Glück fragte mich mein Mann, ob ich nicht doch noch mal probieren wolle. Und zum Glücksten stimmte ich zu.
Was Spanien mit dem Bordeaux zu tun hat
Bäm! Runde Tannine, eine feine und elegante Struktur mit zarten Kirscharomen. Ein purer Gentleman am Gaumen. Was für eine Wonne! Der kam plötzlich derart fein daher und hatte so gar nichts mehr mit diesen kräftigen Baller-Spaniern gemein! Mal ehrlich, der hätte auch aus dem Bordeaux sein können! Ja, lacht ihr nur. Ich wusste ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der edle Tropfen von einem Bordeaux-Papst vinifiziert wurde. Überrascht hat es mich im Nachgang dann aber eher weniger. Ein hinreißender Wein, der mich gelehrt hat, dass Spanien soviel mehr hervorbringen kann als kräftige Rotweine.
„Jaaahaaaa!“, mögt ihr nun denken. „Was haben wir denn nun davon, dass sie uns die Weine so vollmundig beschreibt? Probieren können wir sie dadurch nun ja auch nicht!“ Möp. Könnt ihr nämlich doch! Denn vom 31. Januar bis zum 2. Februar 2019 findet in allen Mövenpick Weinkellern eine große Spanien-Verkostung statt, wo auch diese drei Weine offen sein werden. Und nein, ihr müsst euch da nicht vorher anmelden. Und ja, die Verkostung ist gratis. Und Kaufzwang besteht auch nicht.
Auch wurde ich für diesen Artikel nicht bezahlt. Es wurden auch keine Affiliate-Links hier eingebaut. Ich erwähne die Verkostung nur, weil ich es prima finde, dass ihr, so ihr denn wollt, die hier umschwärmten Weine selbst einmal probieren könnt. Ich persönlich finde, dass diese Verkostungen eine tolle Sache sind. Vor allem, wenn man mit einer Rebsorte oder einer Weinregion noch nicht so ganz warm geworden ist. Da muss man dann nicht die Katze im Sack kaufen, sondern kann einfach probieren. Ist ja auch mal ganz entspannt.
Titelfoto: © Bottled Grapes
*Die drei Weine wurden mir von Mövenpick Wein kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieser Text entstand aber ohne deren Wissen und ist dementsprechend auch nicht gekauft. Das Geschwärme entspricht meinen persönlichen Empfindungen und spiegelt somit meine eigene Meinung wider. 😉
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