Süßegrad beim Schaumwein: Trocken ist nicht gleich trocken
Zéro Dosage, Brut oder Demi-Sec – wer vor einem Regal mit Schaumweinen steht, kann bei der Süßegrad-Angabe auf dem Etikett schon mal ins Schwitzen geraten. Kein Grund zur Panik! Ich drösel mal auf, was all die Begriffe bedeuten. Und erkläre, warum man einen trockenen Sekt nicht mit einem trockenen Wein gleichstellen sollte.
“Ach, der ist aber schön trocken!” Solche Sätze höre ich immer wieder, wenn ich im privaten Kreis mal einen Winzersekt oder Champagner einschenke. Meist folgt dann ein “Na, steht ja auch drauf!”, wenn der Blick gen Etikett wandert. Auf dem dann Brut steht. Und dann fange ich an zu erklären. Nämlich dass “Trocken” nicht die Übersetzung des französischen Wortes “Brut” ist. Auch wenn das naheliegend ist. Tatsächlich gibt es auch beim Schaumwein die Bezeichnung Trocken, wenn es um den Süßegrad geht. Auf Französisch lautet der dann aber Sec. Während mit Brut der Süßegrad Herb gemeint ist. Womit die Verwirrung dann meistens perfekt ist.
Worauf ich hinaus will: der Süßegrad wird bei Schaumweinen anders genannt als bei Stillweinen. Also Weinen ohne Kohlensäure-Geblubber. Bleiben wir da mal bei der Trocken-Thematik. Ein trockener Stillwein darf in Deutschland maximal neun Gramm Restzucker pro Liter haben. Ist ein Schaumwein indes trocken, hat dieser zwischen 17 und 32 Gramm Restzucker pro Liter. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied!
Aber hey, diese Verwirrung ist irgendwie hausgemacht. Gerade Winzersekt gilt ja zum Beispiel als edler Schaumwein, der sich deutlich von der industriellen Discounter-Massenware à la Rotkäppchen und Co. absetzt. Da will man dann ja nicht unbedingt “Herb” statt “Brut” aufs Etikett schreiben. Weil es eher grob und bäuerlich denn fein und edel klingt. Statt dass sich da mal ein paar Kreativköpfe fürs deutsche Weingesetz zusammensetzen und neue Begriffe kreieren, die allen verständlich sind, erwartet man halt einfach vom Verbraucher, dass er die Unterschiede kennt. Oder eben mit der Trocken-Verwechslung lebt.
Willkommen im Bezeichnungs-Dschungel!
Ihr könnt euch denken, was jetzt kommt. Genau. Eine Auflistung der Süßegrade, die tatsächlich so für alle Schaumweine, auf die hier in Deutschland die sogenannte Schaumweinsteuer erhoben wird, gilt. Also nicht nur für Sekt und Champagner. Sondern auch für Crémant und Cava. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Und weil der Cava-Markt gar nicht mal so klein ist (wer kennt nicht die Batterien an Freixenet-Flaschen, die da so im Supermarkt-Regal stehen), liste ich die spanischen Bezeichnungen auch direkt mit auf. Selbiges gilt für englische Begriffe, die hierzulande auch immer häufiger auf Flaschen zu lesen sind. Here we go:
- Brut Nature/Zéro Dosage/Bruto Natural/Naturherb
0 bis 3 Gramm Restzucker pro Liter - Extra Brut/Extra Bruto/Extra Herb
0 bis 6 Gramm Restzucker pro Liter - Brut/Bruto/Herb
0 bis 12 Gramm Restzucker pro Liter - Extra-Sec/Extra-Dry/Extra Trocken
12 bis 17 Gramm Restzucker pro Liter - Sec/Seco/Dry/Trocken
17 bis 32 Gramm Restzucker pro Liter - Demi-Sec/Semi-Seco/Medium Dry/Halbtrocken
32 bis 50 Gramm Restzucker pro Liter - Doux/Dulce/Sweet/Mild
über 50 Gramm Restzucker pro Liter
Süßegrad-Überschneidungen: Das ist der Grund
Falls du dich jetzt wunderst, warum sich die ersten drei Süßegrade quasi überschneiden, weil sie alle bei Null anfangen – das hat einen Grund. Und der heißt Geschmack. Okay, es gibt auch noch einen zweiten Grund. Nämlich gewollte Stilistik. Es kann sein, dass ein Schaumwein zum Beispiel 3 Gramm Restzucker hat, aber trotzdem sehr fruchtig schmeckt. Den geringen Zuckeranteil merkt man also nicht. Ein Winzer, dem es wichtig ist, zu zeigen, dass der Prickler fruchtig ist, schreibt eher Brut aufs Etikett.
Ein anderer Winzer hat aber etwa einen Sekt, der mit 3 Gramm Restzucker kaum fruchtig ist und sich eher mineralisch präsentiert. Da erwartet man also, dass er trockener (ha! Das Wort macht mich bei Schaumweinen echt wahnsinnig!) ist. Voilà: Extra Brut. Wieder ein anderer Winzer setzt auf Purismus pur. So richtig knochentrocken. Aber eben auch mit 3 Gramm Restzucker. Dieser Weinmacher ist dann mit dem Begriff Brut Nature oder Zéro Dosage bedient. Was uns dann direkt zum nächsten Aspekt bringt. Die Dosage. Denn diese bestimmt ja schließlich, welchen Süßegrad ein Schaumwein hat.
Dosage sei dank: Festlegung des Süßegrads
Die Dosage, auch Liqueur d’Expedition genannt, ist ein Gemisch aus Wein und Zucker, die einem Schaumwein nach dem Degorgieren beigefügt wird. Also nachdem man die noch vorhandene Hefe aus der Flasche entfernt hat. Wie sich die Dosage genau zusammensetzt, ist in der Regel ein streng gehütetes Geheimnis. Denn damit legt ein Winzer nicht nur den Süßegrad fest, sondern auch die Stilistik des Schaumweins. Die Dosage kann zum Beispiel fruchtige Noten betonen, eine gewisse Frische mit hineinbringen oder sogar Holzaromen. Aber letztlich läuft es alles auf Zucker und Wein hinaus.
Mit diesem Gemisch bestimmt man also, welchen Süßegrad ein Schaumwein haben soll. Es gibt lediglich eine Ausnahme. Will man nämlich die Bezeichnung Brut Nature (Naturherb) aufs Etikett schreiben, ist eine Zugabe von Liqueur d’Exposition nicht gestattet. Genau aus diesem Grund bürgerte sich für diese trockenste Süßegrad-Stufe auch irgendwann der Name Zéro Dosage ein. Uff, mit den Süßegraden bei Stillweinen hat das alles nun wirklich nichts mehr zu tun. Kein Wunder, wenn man da ein wenig den Überblick verliert! Ich hoffe allerdings, dass ich ein wenig Licht ins Dunkel bringen konnte.
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*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben, noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.
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