Valerie Kathawala probiert einen Wein

Valerie Kathawala: “Ein digitales Magazin über deutschsprachige Weine war unser Traum”

In dieser Interviewreihe kommen Frauen aus der Weinbranche zu Wort. Heute unterhalte ich mich mit Valerie Kathawala über “Trink” – dem ersten und einzigen englischen digitalen Magazin über deutschsprachige Weine.

Als Weinjournalistin schreibt die Amerikanerin Valerie Kathawala für so bekannte Formate wie “Pipette”, “Glug” oder “WineFolly”. Ihr Schwerpunkt liegt dabei nicht nur auf Weinen aus biologischem oder biodynamischem Anbau, sondern auch auch auf Gewächse aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz. Im Jahr 2020 gründete sie gemeinsam mit der Weinjournalistin Paula Redes Sidore das Online-Magazin “Trink”. In diesem Interview unterhalte ich mich mit Valerie Kathawala darüber, warum ein englisches Magazin über deutschsprachige Weine so wichtig ist, wie es überhaupt zu diesem Format kam und welche Herausforderungen die beiden Chefredakteurinnen meistern mussten.

Liebe Valerie Kathawala, wie hast du Paula Redes Sidore überhaupt kennengelernt?

Valerie Kathawala: Das ist eine interessante Frage! Denn tatsächlich haben wir uns bis jetzt noch nie persönlich getroffen. Wir kennen uns nach wie vor nur online. Vor ungefähr zwei Jahren ist mir der Instagram-Account Weinstory aufgefallen. Und dahinter steckte Paula. Ich fand die Themen, die sie ansprach, sehr interessant. Daraufhin habe ich ein wenig recherchiert und sie dann auf LinkedIn gefunden, wo auch ihr Lebenslauf stand. Und der las sich fast identisch zu meinem. Sie ist Amerikanerin, verheiratet, hat drei Kinder. Auch sie ist verliebt in deutsche Weine. Wir haben sogar zur gleichen Zeit an derselben kleinen Uni in Maine studiert – ohne uns dort aber zu begegnen. Ich habe Paula dann einfach angeschrieben und so entstand sehr schnell ein sehr sympathischer und produktiver Austausch. Mit dem gemeinsamen Nenner deutsche Weine, für die wir ja beide eine sehr große Vorliebe haben.

Und durch euren Austausch hat sich dann die Idee für ein gemeinsames Magazin entwickelt?

Valerie Kathawala: Quasi. Es gab da allerdings einen kleinen Umweg. Denn zu dieser Zeit kam ein amerikanischer Weinjournalist und Buchautor mit einer ähnlichen Idee auf mich zu. Wir holten direkt Paula mit ins Boot, die sofort begeistert war, weil sie auch schon lange die Idee hatte, ein eigenes Magazin zum Thema deutschsprachige Weine zu machen. Allerdings wusste sie nicht, wie sie das allein realisieren sollte. Ein Gemeinschaftsprojekt bot sich da geradezu an. Allerdings wollte der Weinjournalist letztlich eher ein Mailing machen. Und eben kein Magazin. Paula hingegen ließ die Magazin-Idee nicht los. Ich saß da quasi zwischen den Stühlen, habe mich dann aber im März 2020 – dem Weingott sei Dank! – für Paulas Weg entschieden. Die Idee eines digitalen Magazins mit einer festen und klaren Struktur hat mich einfach mehr überzeugt als ein Newsletter. Außerdem wollten wir ein Magazin mit vielen Stimmen unterschiedlicher Journalist:innen, was auch nicht unbedingt seinen Vorstellungen entsprach. Also war die Entscheidung für ein Magazin dann für mich recht einfach.

Zwei Weinmenschen führen ein Interview, auf dem Tisch stehen Weinflaschen.
In Aktion: Interview mit dem Winzer Kris Matthewson. © Valarie Kathawala

Hattet ihr anfangs Bedenken?

Valerie Kathawala: Ja, klar. Es war eine schwierige Entscheidung, diesen Weg nur zur zweit zu gehen. Paula und ich haben uns zwar direkt sehr gut verstanden und haben auch sofort gemerkt, dass wir gleich ticken. Aber wir haben ja beide  wenig Ahnung gehabt, wie man ein Magazin auf die Beine stellt, wie man es veröffentlicht oder managed. Der andere Journalist war sehr erfahren und wusste genau, was zu tun gewesen wäre. Aber Paula und ich haben uns vertraut und waren uns sicher, dass wir einen Weg finden, um unseren Traum von einem digitalen Magazin für deutschsprachige Weine zu realisieren.

Wie sahen eure ersten Schritte aus?

Valerie Kathawala: Die erste große Frage, die wir uns gestellt haben: Auf welcher Plattform machen wir das? Zuerst haben wir mit Medium geliebäugelt. Weil dort alles bereits vorformatiert ist und man da sehr leicht gestalten kann. Außerdem hat man sehr viel Kontrolle. Das war schon sehr reizvoll. Paula hatte aber Kontakt zu den Medienagenten. Und da hatten wir dann das enorme Glück, dass sie alles mit uns gemeinsam aufgebaut haben. Vom Logo bis hin zur kompletten Website. Einfach, weil sie an das Projekt geglaubt haben. Das hat uns die Realisation natürlich extrem vereinfacht – und uns auch einen starken Rückenwind gegeben.

Unser größtes Problem war aber auch das Thema Geld. Wir hatten anfangs schlichtweg keins. Um Journalist:innen zu bezahlen, braucht man nun mal aber welches. Wir hatten dann wieder riesiges Glück. Denn all unsere Kontakte und Freund:innen in der Branche, die wir für die erste Ausgabe kontaktierten, haben ihre ersten Artikel ohne Honorar geschrieben. Das war unglaublich. Zumal das Renommee einiger Journalist:innen ja sehr groß war. Wir hätten es niemals erwartet, dass sie sich da alle drauf einlassen würden. Das war sehr, sehr großzügig von ihnen.

Habt ihr euch Weinmenschen kontaktiert, mit denen ihr noch nicht vernetzt wart?

Valerie Kathawala: Ja, natürlich. Und die Resonanz war erstaunlich positiv. Das lag vor allem daran, dass alle Weinjournalist:innen direkt die Seriosität hinter diesem Projekt gesehen haben. Nämlich dass wir zum Thema deutschsprachiger Wein richtig in die Tiefe gehen wollten. Von Anfang an wollten wir mit dem Magazin Zusammenhänge zwischen Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz zeigen. Und überall auch richtig ins Detail gehen. Das kam sehr gut an. Zumal das Thema deutschsprachiger Wein im englischsprachigen Raum immer relevanter wird.

Wie seid ihr eigentlich auf den Namen “Trink” gekommen?

Valerie Kathawala: Die Namensfindung war keine leichte Entscheidung. Wir hatten viele verschiedene Ideen. Aber wir wollten unbedingt, dass man sofort am Namen erkennt, dass sich thematisch alles um deutschsprachige Weine dreht. Und es musste kurz und knapp sein. Außerdem sollte der Name von Menschen, die eben kein Deutsch können, auch aussprechbar sein. Aber letztlich haben wir uns für das ebenso kurze wie prägnante “Trink” entschieden. In Deutschland gibt es “Schluck”, in den Vereinigten Staaten “Punch”. Jetzt gehören wir mit “Trink” zu den kurzen und prägnanten Weinmagazinnamen dazu. lacht

Welche Hürden habt ihr dann beim Launch genommen?

Valerie Kathawala: Tatsächlich war das die nächste große Herausforderung, weil wir so etwas ja noch nie zuvor gemacht haben. Wir konnten uns keine PR- und Marketing-Agentur leisten. Also haben wir alles selbst gemacht. Und zwar ausschließlich über Social Media. Bereits im Sommer 2020 haben wir mit den sogenannten “Trink Talks” angefangen. Das waren Interview-Reihen mit bekannten Gästen. Eva Fricke war zum Beispiel mit dabei. Oder der New-York-Times-Weinjournalist Eric Asimov oder Master of Wine Anne Krebiehl. Die sind alle zu uns gekommen. Was super großzügig war. Schließlich haben all diese Menschen sehr wenig Zeit und wir hatten damals kein Renomee. Dadurch ist es uns aber sehr gut gelungen, in der englischsprachigen Welt auf “Trink” aufmerksam zu machen. Parallel dazu wurden dann alle Texte geschrieben, gegebenenfalls übersetzt und alles in Form gebracht. Und am 29. Oktober 2020 ist die erste Ausgabe dann live gegangen.

Weinjournalistin Valerie Kathawala vor einer Backsteinmauer
Hat sich mit „Trink“ einen Traum erfüllt: Valarie Kathawala. © Valarie Kathawala

Und die hat ja in den sozialen Medien bei Weingrößen wie Jancis Robinson für mächtig viel Begeisterung gesorgt. Namhafte Weinmenschen haben “Trink” direkt empfohlen…

Valerie Kathawala: Wir waren vor dem Release natürlich sehr angespannt, weil wir nicht wussten, wie das Format ankommen würde. Und ob “Trink” überhaupt wahrgenommen wird. Auch waren wir auf die ersten Reaktionen sehr gespannt, denn gerade auf Twitter gibt es oft sehr scharfe Kritiken. Auf die hatten wir uns innerlich sogar schon eingestellt. Aber dann waren die Reaktionen derart positiv – das hat uns echt beeindruckt. Und natürlich sehr gefreut. Obwohl wir im Laufe der Zeit dann doch ab und an sehr viel Kritik einstecken mussten. Zum Beispiel nach einem Artikel von Alice Feiring, den wir im September 2021 veröffentlicht haben. Ihr Thema: Wie Naturwein ihr geholfen hat, ihre Probleme mit Deutschland zu überwinden. Durch diesen Text haben wir einige Abonnent:innen verloren. Was natürlich nicht schön war, was sich aber nunmal nicht vermeiden lässt, wenn man auch schwierige Themen anspricht. Das ist uns auch weiterhin sehr wichtig. Schließlich sind wir unabhängig.

Mit Abonnent:innen meinst du vor allem Patreon-Unterstützer:innen, oder?

Valerie Kathawala: Ja, genau. “Trink” ist ein unabhängiges Magazin. Deswegen haben wir Patreon als Weg gewählt, wie man unsere Arbeit mit einem kleinen oder größeren Betrag regelmäßig unterstützen kann. Das fängt mit 4,50 Euro pro Monat an und geht bis 86,50 Euro monatlich. Dann natürlich mit zahlreichen zusätzlichen Features für die Leser:innen. So sind wir dann auch in der Lage, den Autor:innen ein Honorar zu zahlen. Als Unterstützer:innen sind sie für uns enorm wichtig für uns.

Könnt ihr davon alles finanzieren?

Valerie Kathawala: Leider noch nicht ganz. Obwohl das tatsächlich unser Ziel ist. Anfangs hatten wir eine Partnerschaft mit Vini Alto Adige, die uns bei den Themen komplett freie Hand ließen. So konnten wir uns unsere Unabhängigkeit bewahren. Unser zweiter Partner ist das Weinhandelshaus  P.J. Valckenberg, der unsere Learn-Sektion gesponsert hat. Diese beiden Partnerschaften haben uns vor allem am Anfang sehr geholfen. Trotzdem hoffen wir, dass wir alles zeitnah alles mit  Patreon-Unterstützer:innen und gleichgesinnten Partnern finanzieren können. 

In welchem Turnus erscheint “Trink” eigentlich?

Valerie Kathawala: In der Regel kommt alle sechs bis acht Wochen eine neue Ausgabe heraus. Wobei es sich auch mal verzögern kann. Qualität ist uns immer wichtiger als Quantität oder Regelmäßigkeit. Wenn etwas länger dauert, dann warten wir lieber, als dass wir was übers Knie brechen. Die zehnte Ausgabe ist gerade frisch herausgekommen.

Eine letzte Frage habe ich noch, liebe Valerie Kathawala. Was ist dein großer Wunsch für “Trink”?

Valerie Kathawala: Dass sich das Magazin noch mehr als etabliert. Und zwar als Sammelpunkt für seriöse Berichterstattung über deutschsprachigen Wein. Aber auch als Inspiration. Außerdem soll “Trink” zu einem größeren Verständnis für Weine aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz beitragen. Wir möchten, dass gerade im englischsprachigen Raum die Leser:innen die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Länder und Regionen verstehen – und auf welch tiefen Ebenen es da Vernetzungen gibt. Wenn “Trink” dabei helfen kann, auf die deutschsprachige Weinwelt neugierig zu machen und diese durch unsere Geschichten besser zu verstehen, dann macht mich das sehr glücklich.

Copyright Titelbild: © Valerie Kathawala

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben, noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung von Valerie Kathawala wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

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4 Kommentare

    1. Herzlichen Dank, lieber Christoph. Aus deinem Mund ein besonderes Kompliment für mich. Herzliche Grüße in mein Heimatviertel! 😊

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