Pinot Noir Reserve, Birgit Braunstein, Vertikalverkostung, Bottled Grapes

Vertikalverkostung: Pinot Noir Reserve von Birgit Braunstein

Ein Wein, unterschiedliche Jahrgänge. Oder anders ausgedrückt: Vertikalverkostung! Mein Mann, ein gemeinsamer Freund und ich haben uns für unsere kleine private Vertikale den Pinot Noir Reserve von Birgit Braunstein ausgesucht (weil er im Dreierpaket so bei einem Weinhändler meines Vertrauens zu einem wirklich fairen Preis angeboten wurde). Ins Glas kamen die Jahrgänge 2013, 2011 und 2009.

Vor dem Wein kommen die Informationen, so will es das Bloggesetz. Birgit Braunstein also. Österreichische Winzerin. Burgenland, um genau zu sein. Neusiedlersee, um ganz genau zu sein. Was für ein herrliches Stückchen Weinerde! Laue Winde und eine milde Wärme sorgen für eine sehr homogene Traubenreife. Und dann erst der Boden! Unter anderem Schiefer und Muschelkalk. Ideale Voraussetzungen für gute Weine. Braucht es nur noch eine gute Winzerin. Und das ist Birgit Braunstein allemal. Eine Frau, die ebenso viel Wert auf eine präzise wie auf eine naturnahe Arbeit legt. 2005 von Gourmedia als Winzerin des Jahres ausgezeichnet, stellte sie 2006 auf biologische Bewirtschaftung um. Im Jahr 2009 folgte ihr Beitritt in den Demeter-Verbund. Ein ganzheitliches Konzept ist ihr also wichtig. Hinzu kommt dann noch ihre ebenso liebevolle wie genaue Arbeit. Am Weinberg ebenso wie im Keller.

Womit wir jetzt endlich beim Wein wären. Handlese. Versteht sich bei Birgit Braunstein von selbst. Vinifikation: offene Vergärung mit 21 Tagen Maischestandzeit. Da weiß eine Frau, was sie macht. Anschließend wird der Pinot Noir dann noch 20 Monate im Barrique gelagert. Diesen Prozess haben alle drei Weine hinter sich, die bei uns in die Gläser kamen. Sie versprachen viel, wir waren gespannt. Und wir wurden mächtig überrascht.

Ab ins Glas, ihr Jahrgänge 2013, 2011 und 2009!

Normalerweise trinkt man bei einer Vertikalen ja die Weine nacheinander, fängt mit dem jüngsten an und landet irgendwann jubilierend beim ältesten. Da wir aber lediglich drei Jahrgänge hatten, probierten wir sie nebeneinander. Soviele gleiche Gläser ließen sich in diesem Haushalt ohne Probleme auftreiben. Außerdem wollten wir einen direkten Vergleich haben, wie sich die Weine mit etwas Luft und Zeit so entwicklen würden. Deswegen wurden die Flaschen auch erst direkt am Tisch aufgemacht. Beim 2013er war das kein Problem. Seine jugendliche Frische kam sofort durch, knackige Kirsche, knackige Tannine, alles knackig, etwas stürmisch, aber enorm viel Trinkspaß im Glas.

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Im Glas waren die Unterschiede zwar nur minimal zu sehen, dafür aber maximal zu schmecken © Bottled Grapes

Beim 2011er dachte ich zuerst, er könnte einen kleinen Fehler haben. Der Alkohol ballerte mir derart spritig in die Nase, dass ich ad hoc eine Abneigung entwickelte. Zum Glück kam mein Mann dann aber recht zügig auf die Idee, da einfach mal großzügig Luft ranzulassen. Oder anders ausgedrückt: raus aus der Flasche, rein in den Dekanter. Selbiges passierte nach dem ersten Schluck dann auch mit dem 2009er, der sich mollig mit sich selbst zufrieden gab und sich nicht öffnen wollte, nur weil man mal gerade nach einer Probe gierte. Nach ein paar Minuten, die wir fleißig mit Glasschwänkerei füllten, offenbarte er ein zarte Rauchnote und wunderschöne mineralische Noten, die zu den runden und sanften Tanninen ganz wunderbar passten.

Das Salz im Wein

Und dann die Achterbahn: schluckte man den 2009er runter, kam es zu einem salzigen „Rückstoß“. Keine Ahnung, wie dieses Phänomen in Fachchinesisch heißt. Ich beschreibe es mal: man schluckt, der Wein rinnt den Rachen runter. Gleichzeitig hat man aber das Gefühl, als würde einem ein Salzstrahl wieder nach oben schießen. Und zwar ein höchst angenehmer! Ich hatte bei jedem Schluck meine helle Freude. Nach einer Stunde war die Achterbahn dann aber vorbei. Der Wein öffnete sich vollends, umschlang einen mit Kräutern, Mineralien und satter Kirsche. Das Salz im Abgang fehlte zwar nicht, aber es schoss nicht mehr hoch, sondern fügte sich brav der Schwerkraft, indem es den Rachen runter- statt hochfloss. Ein wirklich wunderschöner gereifter Wein, der für einige Ohs! und Ahs! an dem Abend sorgte.

Unser Jungspund aus dem Jahr 2013 war ja in seiner Flasche geblieben. Eine gute Entscheidung. Denn während die anderen beiden Jahrgänge von der Belüftung profitierten, flachte er ein wenig ab. Aus der Sauerkirsche wurde Süßkirsche, was ich sehr angenehm fand, aber je mehr Luft mit der Zeit an ihn rankam im Glas, desto flacher wurde er. Vor allem im direkten Vergleich mit dem 2011er und 2009er. Was aber nicht heißen soll, dass der 2013er nicht gut war! Ganz im Gegenteil! Sollte ich mal einen „jüngeren“ (hallo, der ist immerhin auch schon fünf Jahre alt!) Pinot Noir brauchen, weil ich einen geselligen Abend mit Freunden verbringe, oder weil ich meine Rinderrouladen nicht ohne solch ein edles Stöffchen essen mag, dann werde ich auf jeden Fall zu diesem Wein und diesem Jahrgang greifen. Da muss man sich vorher um nix kümmern, nicht warten, nicht groß Luft dran lassen. Ab ins Glas und Spaß haben. Unkompliziert darf es schließlich auch mal sehr gerne sein.

Pinot Noir Reserve, Birgit Braunstein, Vertikalverkostung, Bottled Grapes
Ein Wein, drei Jahrgänge: 2013, 2011 und 2009 © Bottled Grapes

Wie es dazu kam, dass ich dem 2011er Pinot Noir Reserve komplett verfallen bin

Die Überraschung des Abends war für mich aber ganz eindeutig der 2011er. Ihr erinnert euch: komplett verschlossen, spritig. Weinfehler? Von wegen! Diese kleine Gottheit ist halt eine Diva gewesen. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Pflege und schon zeigt sie, wie schön sie ist. Es hat über eine Stunde gedauert, bis sich der 2011er auch nur ansatzweise öffnen wollte. Trotz einer Menge Luft („Und sie schwenkte, schwenkte, schwenkte ihr Glas“ – das wird mal auf meinem Grabstein stehen). Ich war ja schon leicht frustriert und wollte aufgeben, als plötzlich die miesepetrige Sauerkirsche in meinem Mund süß und freundlich erblühte, als Mineralien meinen Gaumen umschmeichelten und ich eine leichte, ganz zarte Salznote im Abgang wahrnehmen konnte. Gott! War das gut! Der 2011er wollte sein Geheimnis lange hüten, doch wir entlockten es ihm. Nämlich das er die jugendliche Frische des 2013ers besaß aber mit der weisen Opulenz des 2009ers locker mithalten konnte. Und so wurde aus meiner anfänglichen Abneigung Liebe. Große Liebe. Der 2009er ist auch fantastisch und grandios und ganz viele Superlative wert, keine Frage. Aber der 2011er! Der hat Feuer, der hat Biss, das ist Leidenschaft pur im Glas. Dieser Wein hat mit mir gespielt, bevor er mich verführte. Ich bin ihm mit Haut und Haaren verfallen!

Ihr merkt es sicher schon: es war ein fantastischer Abend! Um ehrlich zu sein, war es nämlich auch unsere erste Vertikale! Ich war da schon lange scharf drauf und wollte nicht warten, bis einer der Weinhändler meines Vertrauens eine dementsprechende Probe anbietet. Zum Glück ist mein Mann ebenso weinverrückt wie ich und hat sich auf dieses heimische Experiment eingelassen. Und auch toll, dass wir noch einen Freund finden konnten, der ebenso viel Spaß an solchen privaten Experimenten hat. Es wird in diesem Jahr bestimmt nicht unsere letzte Vertikale gewesen sein! Ich kann euch so was echt nur ans Herz legen. Aber wer weiß? Vielleicht seid ihr ja auch schon längst Vertikalprofis?

Bildnachweis Titelfoto: © Bottled Grapes

* Dieser Text entstand ohne dem Wissen von Winzerin und Weinhändler. Er wurde also weder beauftragt noch vergütet, sondern spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen alleine Service-Zwecken.

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