Viñedo Singular: 14 weitere Einzellagen in der spanischen Rioja
Herkunft mag beim Wein nicht alles sein, aber eben doch viel. Das weiß man auch in der spanischen Rioja, wo man seit 2017 unter dem Begriff Viñedo Singular Einzellagen definiert. Jetzt sind 14 weitere Viñedo Singular dazugekommen. Schauen wir uns das System mal an.
Wenn es um den Herkunftsgedanken beim Wein geht, hat es Spanien nicht ganz so leicht wie zum Beispiel Frankreich. Denn neben dem Appellationssystem, das in seiner Einfachheit zugleich total kleinteilig und damit auch kompliziert ist, wartet Frankreich mit all den Premiers und Grands Crus halt auch noch mit klar definierten Qualitätsunterschieden, die an die Herkunft gekoppelt sind, auf. In abgeschwächter Form finden wir das auch in Deutschland und in sehr, sehr vielen anderen Weinländern dieser Welt. Aber Viñedo Singular geht als spanische Lagenbezeichnung dann noch etwas unter.
Natürlich hat auch Spanien klar definierte Weinanbaugebiete mit geschützter Ursprungsbezeichnung. Nur standen halt diese lange Zeit nicht so sehr im Vordergrund, da sich vor allem die Rioja-Weine vor allem über ihren Reifegrad definierten. Also Joven, Crianza, Reserva und Gran Reserva. Dazu schreibe ich vielleicht auch mal etwas. Denn dass die Güte eines Weines über die Reifezeiten im Holzfass sowie in der Flasche definiert wird, ist eigentlich schon so einzigartig wie das System der Prädikatsweine in Deutschland.
Einführung von Viñedo Singular
Nun sagt die Reifezeit ja nichts über die Herkunft aus. Das weiß man auch in der spanischen Rioja. Zum Glück reichte es dem dortigen Weinbauverband auch nicht mehr, die Rioja in die drei Unterregionen Alavesa, Alta und Oriental zu unterteilen. Oder den DOCa-Status (DOCa = Denominación de Origen Calificada = strengste geschützte Ursprungsbezeichnung in Spanien, die neben der Rioja nur noch das Priorat innehat) vor sich her zu tragen.
Deswegen kamen 2017 erstmals die sogenannten Viñedo Singular, also die Einzellagen, mit ins Herkunftsspiel. Dafür arbeitet das Consejo der DOCa Rioja seit 2017 mit dem spanischen Ministeriums für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung (MAPA) an einem Qualitätssystem, das die Herkunft der Weine hervorhebt.
Mit der Einführung des Konzeptes 2019 ist die Auszeichnung der Viñedo Singular eine wegweisende Initiative in der spanischen Weinlandschaft, die darauf abzielt, die Einzigartigkeit und die verschiedensten Ausprägungen der unterschiedlichen Terroirs in Rioja zu stärken und die ursprünglich eingeführte Klassifizierung ausschließlich nach Reifezeit der Weine zu erweitern. So können Erzeuger:innen ihre Weinberge individuell hervorheben und haben die Möglichkeit, ihr Angebot weiter zu differenzieren.
Qualitätsmerkmale für Viñedo Singular
Die Klassifizierung Viñedo Singular ist also direkt mit der Herkunft der Weine verbunden. Die Weinberge müssen eine Reihe einzigartiger Eigenschaften aufweisen und besondere Qualitätsmerkmale erfüllen. Was bedeutet das genau? Zum Beispiel müssen die Weinberge mindestens 35 Jahre alt sein und die Erträge dürfen 5.000 Kilogramm pro Hektar bei Rotweinsorten und 6.922 Kilogramm pro Hektar bei Weißweinsorten nicht überschreiten. Die Verarbeitung der Trauben ist auf 65 Liter pro 100 Kilogramm beschränkt. Außerdem darf ausschließlich per Hand gelesen werden.
Zusätzlich durchlaufen die Weine zwei qualitative Verkostungen: Die erste unmittelbar nach der Herstellung und die zweite Verkostung kurz bevor die Weine in den Verkauf kommen. Die Mehrheit der Verkoster:innen muss den Wein als exzellent bewerten, damit der Wein diese Klassifizierung Viñedo Singular erhält.
14 neue Einzellagen
Aufgrund des wachsenden Interesses an der Klassifizierung nach Herkunft wird die Bezeichnung Viñedo Singular nicht nur jährlich vom Ministerium überprüft, sondern auch um neue Parzellen erweitert. “Zum sechsten Mal in Folge ist es uns gelungen, das ohnehin schon vielfältige Angebot von Rioja um 14 neue Einzellagen zu bereichern“, erklärte deswegen unlängst Fernando Ezquerro, Präsident des Kontrollrats des DOCa Rioja, in einer Pressemitteilung.
Damit gibt es in der Rioja nun 162 Viñedo Singular, die 97 Besitzer:innen haben und eine Fläche von über 265 Hektar umfassen. Dabei erhielten Parzellen von sieben Weingütern erstmals den Status Viñedo Singular. Als Verbraucher:in erkennst du einen Wein mit Viñedo-Singular-Status am Etikett. Der Begriff muss verpflichtend auf der Rückseite zu lesen sein. Aber unter uns: Die meisten Winzer:innen lassen die Bezeichnung Viñedo Singular auch vorne mit drauf drucken, da sich die Weine so ein klein wenig besser vermarkten lassen.
Viñedo Singular Viña Glena 2018 von Villota
Denn ja, Weine, die ihre Herkunft hochhalten, verkaufen sich inzwischen besser. Aber keine Bange, die Viñedo Singular-Klassifizierung ist wahrlich nicht nur ein Marketing-Trick des Rioja-Verbands. Denn ja, aufgrund der strengeren Regelungen sind die Weine tatsächlich sehr unterschiedlich, sodass man halt die Herkunft schmecken kann.
Nehmen wir zum Beispiel mal den Viña Glena von Villota. Willkommen in der Rioja Alavesa! Die Tempranillo-Reben für diesen Wein wurden bereits 1930 in der Lage Capes Madre gepflanzt. Der Wein reift 18 Monate lang in 500-Liter-Fässern aus französischer Eiche und darf dann noch im Betonbottich zur Ruhe kommen. In der Nase paaren sich bei 2018er blumige Noten von Veilchen und Flieder mit Anklängen von roten Früchten. Am Gaumen fruchtig und fleischig zugleich, mit bereits sehr harmonischen Gerbstoffen und balsamischen Nuancen. Der Viña Glena ist ein ruhiger und sehr eleganter Wein, der eindringlich von seiner Herkunft flüstert, statt sie laut herauszubrüllen. Und: Er ist der erste Wein überhaupt, der als Viñedo Singular klassifiziert wurde. Nur mal so am Rande.
Los Tollos 2018 von Sínodo
Vom Viñedo Singular Los Tollos 2018 der Bodega Sínodo gibt es nur knapp 1.000 Flaschen. Da kann man schon ungefähr erahnen, wie sehr man hier den Ertrag reduziert und selektiert. Denn die Tempranillo-Reben wurden schließlich 1982 gepflanzt. Damit sind sie zwar alt, aber eben nicht uralt. Los Tollos liegt an einem Südhang im oberen Teil von Villamediana de Iregua auf 450 Metern über dem Meeresspiegel. Der Boden ist hier besonders karg, und die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sorgen dafür, dass die Säure gut erhalten bleibt.
Ganztraubengärung im Edelstahltank und ein abwechselnder Ausbau in gebrauchten Eichefässern sowie erneut Edelstahl sind die wesentlichen Vinifikationsmerkmale. Kommen wir aber mal zum Geschmack. Schwarze Früchte, geröstete Kaffeebohnen, Leder und getrocknete Gewürze dominieren die Nase. Am Gaumen kommen deutlich balsamische Noten hinzu, die sehr gut zum kräftigen Tannin passen. Dieser Viñedo Singular ist enorm selbstbewusst und spricht mit recht lauter Stimme von seiner Herkunft. Also komplett anders als der Viña Glena.
Reserva La Artisella 2019 von Lexa Garcia
Als drittes Beispiel für einen Viñedo Singular habe ich mir mal einen Weißwein ausgesucht. Denn ja, auch wenn man mit der Rioja automatisch Tempranillo verbindet, entstehen hier inzwischen recht einzigartige Weißweine. Die Reserva La Artisella 2019 von Lexa Garcia ist ein reinsortiger Viura aus der Rioja Alta. Der Weinberg La Artesilla auf 600 Metern Höhe in Sonsierra. Die Trauben der alten Rebstöcke profitieren also auch hier von den Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht, da sie so langsamer reifen und ihre Säure bewahren.
Die Trauben werden vor der Gärung mazeriert, der Ausbau erfolgt in amerikanischen und französischen Eichenfässern. Außerdem darf der Wein den biologischen Säureabbau absolvieren und der Hefesatz wird regelmäßig aufgerührt. Genau das hat einen sehr dichten und cremigen Wein zur Folge, der intensiv nach Pfirsich und Quitte riecht sowie zitrische und Fassnoten mitbringt. Am Gaumen sehr voluminös und kräftig, aber dennoch sehr harmonisch und ausbalanciert. Was mich hier persönlich sehr überrascht hat: Die 15 Volumenprozent Alkohol sind sehr gut eingebunden. Ich wäre im Leben nicht darauf gekommen, dass dieser Viñedo Singular derart viel Alkohol hat. Gut, ein Sommerwein ist er für mich nicht gerade. Dafür aber ein sehr seriöser Speisenbegleiter. Nicht nur zu Tapas, sondern auch zu Paella oder gegrilltem Lachs.
Viñedo-Singular-Weine? Lohnen sich!
Was übrigens alle Viñedo-Singular-Weine eint, ist ihre enorme Langlebigkeit. Egal, ob Weiß- oder Rotwein: Sie können alle viele Jahre lagern und reifen. Allerdings machen sie auch schon im jugendlichen Zustand viel Freude. Was dann für mich auch zugleich der große Unterschied zu den Rioja-Weinen ist, die man über ihren Reifegrad definiert. Gerade bei einer roten Gran Reserva muss man ja ein paar Jährchen warten, wenn man nicht so auf Tannin-Monster steht. Das ist bei Viñedo Singular dann aber eher die Ausnahme. Selbst die sehr kräftigen Varianten glänzen mit einer harmonischen Gerbstoffstruktur, wenn man sie zuvor kurz karaffiert.
Ich kann dir an dieser Stelle nur ans Herz legen, dich auch mal mit dem System der Viñedo-Singular-Weine im Glas zu beschäftigen. Die Unterschiede können gewaltig sein – die Qualität ist indes stets hoch. Was will man mehr als weinliebender Mensch?
Copyright Titelbild: © Rioja
Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei den vorgestellten Weinen handelt es sich um Kostmuster vom Rioja-Verband. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen alleine Service-Zwecken.
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