Weingut Aigner: Veltliner-Vielfalt aus dem Kremstal
Wenn es eins gibt, für das das Weingut Aigner steht, dann ist es Grüner Veltliner. Die Gewächse überzeugen ebenso mit einem enormen Facettenreichtum wie mit einer beeindruckenden Langlebigkeit.
Knapp 250 Jahre. Ein Vierteljahrhundert. So lange betreibt die Familie Aigner bereits Weinbau und Landwirtschaft in Krems an der Donau. Wobei die Landwirtschaft viele, viele Jahrzehnte lang dominierte. Wie es im 18. und 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eben so üblich war. Ein Mischbetrieb sicherte damals die Existenz. Dementsprechend was das bei Franz Aigner senior in den 1950er-Jahren auch noch so. Doch es gab da einen kleinen, aber wichtigen Unterschied. Denn der Senior war ein großer Weinliebhaber, der mit großer Freude auf drei Hektar seine Reben hegte und pflegte und daraus Weine bereitete, die ebenso kräftig wie langlebig waren. Und er wusste um das besondere, von tiefgründigem Löss geprägte Terroir der Lage Kremser Sandgrube.
Wissen wie auch Weinliebe gab er an seinen Sohn Franz Aigner junior weiter, der den Familienbetrieb dann zum Weingut Aigner umbaute. Großflächig legte der Junior neue Weingärten an. Viele von ihnen zählen noch heute zu den Filetstücken der Kremser Sandgrube oder dem Weinzierlberg.
Außerdem wagte Franz Aigner junior das ein oder andere Novum. Zum Beispiel lieferte er nicht brav alle Trauben an eine Genossenschaft, sondern behielt etwa die Hälfte davon, um daraus selbst Wein zu bereiten. Und das lohnte sich. Schließlich war der Junior einer der ersten Winzer im Kremstal, der konsequent auf Ertragsreduktion setzte – und sogar Trauben selektierte. Außerdem baute er sich durch geschicktes Marketing eine große Stammkundschaft auf. Auch das war damals recht ungewöhnlich. Doch so viel er auch erneuerte, die Liebe zu kräftigen Weinen blieb. Und die Passion für die Rebsorte Grüner Veltliner.
Weingut Aigner: Neunte und zehnte Generation am Ruder
Beides gab er nahtlos an seinen Sohn Wolfgang Aigner weiter, der den Betrieb im Jahr 1985 dann übernahm. Was, wie es ein Generationswechsel eben so mit sich bringt, nicht immer reibungslos über die Bühne lief. “Mein Vater und ich hatten da ziemliche Meinungsverschiedenheiten”, erinnert sich Wolfgang Aigner. “Aber ich hatte so klare Vorstellungen über die Zukunft unseres Betriebes und die Qualität der Weine, dass ich meine Standpunkte einfach durchsetzen musste.“ Was aber nicht hieß, dass er für das Weingut Aigner das Rad komplett neu erfand. Während vor allem in 1990er-Jahren andere Winzer einigen Trends hinterher liefen und im Kremstal internationale rote Rebsorten wie Merlot oder Syrah anbauten, konzentrierte sich Wolfgang vor allem auf die beiden Kremstal-Klassiker Riesling und Grüner Veltliner. Eine Entscheidung, die er nie bereut hat: “Ich wusste ja, was unsere Lagen können, und dass Riesling und Grüner Veltliner auf diesem Boden nicht zu überbieten sind.”
Eine Weisheit, die er auch seinen beiden Kindern Christian und Birgit in die Weinbauseele gepflanzt hat. Beide bilden die zehnte Generation auf dem Weingut Aigner, haben, wie ihr Vater, an der Weinbauschule Krems gelernt und sind seit 2015 beziehungsweise 2020 zusammen mit Wolfgang für den Betrieb verantwortlich. Während sich Birgit Aigner vor allem um das Marketing und die Weinpräsentationen kümmert, findet man ihren Bruder überwiegend in den Weingärten. Denn Keller indes verantwortet das Aigner-Trio gemeinsam. Und genau das kann dann schon mal recht spannend werden, wenn da drei Meinungen und Ansichten aufeinander treffen.
Große Reibereien bleiben aber tatsächlich aus. Zum einen, weil Vater Wolfgang Aigner mit seinen Kindern auf Augenhöhe zusammenarbeitet und anderen Argumenten sehr offen begegnet. Zum anderen, weil sie alle sehr ähnlich ticken. Modeerscheinungen sind nämlich auch für die zehnte Generation uninteressant, wie Birgit Aigner bestätigt: “Grundsätzlich kann man unsere Ausrichtung als sehr traditionell bezeichnen. Wir laufen nicht jedem Trend hinterher, sondern bauen lieber unsere Stärken aus. Und das sind vor allem unsere unterschiedlichen Lagen und das Wissen, wie vor allem Grüner Veltliner auf die unterschiedlichen Terroirs reagiert.”
Beim Weingut Aigner ist Grüner Veltliner Trumpf
Womit wir auch schon beim großen Stichwort wären, wenn es um das Weingut Aigner geht. Grüner Veltliner. Österreichs Parade-Rebsorte nimmt hier 60 bis 70 Prozent der insgesamt 16 Hektar umfassenden Rebfläche ein. Und tatsächlich könnten die Weine, die hier entstehen, nicht unterschiedlicher sein. Höchste Zeit, dass wir da mal einen genaueren Blick drauf werfen. Beim Weingut Aigner heißt der Basis-Veltliner “Weinzurl”. Den Namen wählte man mit bedacht, ruft man doch so im Lokalkolorit einen Menschen, der im Weingarten arbeitet. Im “Weinzurl” zeigt sich der Grüne Veltliner von seiner typischen Seite: frisch, knackig, mit einer schönen gelben Nase und einem Hauch von weißem Pfeffer. Ein idealer Begleiter für lauschige Sommernachmittage.
Während die Reben für den “Weinzurl” auf Löss und Urgestein gedeihen, ist der Boden des Grünen Veltliners Sandgrube zu 100 Prozent von Löss geprägt. Und ja, das kann man schmecken. Denn der Wein hat einen wärmeren Charakter, der zugleich aber tänzelt, weil er am Gaumen dank der präsenten mineralischen Noten fast schon prickelt, aber von einer leichten Honignote dann doch noch im Zaum gehalten wird. Kurzum: das ist ein Vorzeige-Wein, wenn es um Grünen Veltliner vom Löss geht. Hierzu jetzt ein Wiener Schnitzel oder Pasta oder Risotto oder Saltimbocca – dieser Wein ist ein schlichtweg ein fantastischer Speisenbegleiter.
Grüner Veltliner Ried Obere Sandgrube “Privat”
Beim Grünen Veltliner aus der Ried Obere Sandgrube, der den Zusatznamen “Privat” trägt, zeigt sich dann die Vorliebe für kräftige und tiefgründige Weine, die alle Familienmitglieder vom Weingut Aigner teilen. “Privat” ist hier wörtlich zu nehmen, denn früher verkaufte man diesen Wein nicht, sondern genoss ihn ausschließlich im privaten Umfeld. Ein Glück, dass sich das geändert hat! Die Reben profitieren hier von besonders tiefgründigem Löss, die Weinlese erfolgt sehr spät, die Trauben werden vorselektiert. Maischestandzeit und Feinhefelager sorgen für mächtig viel Tiefgang und Schmelz. Der Clou: einen kleinen Teil des Weins baut das Weingut Aigner für drei bis vier Monate im Akazienfass aus.
Das Ergebnis ist ein Wein, der mit Noten von Honig und Vanille ebenso überzeugt wie mit Anklängen von Pfirsich, Birne und weißem Pfeffer. Dazu dann noch eine herrlich präsente Würze, die dem Veltliner eine laute Stimme verleiht, ohne dass er dabei brüllt. Einfach, weil er perfekt ausbalanciert ist. Dieser Genosse macht in jungen Jahren schon viel Freude. Er kann aber noch viele Jahre in großer Würde reifen, wenn man ihn richtig lagert.
Grüner Veltliner Ried Frechau “Elitär”
Und dann ist da noch der Grüne Veltliner aus der Ried Frechau mit dem Beinamen “Elitär”, den das Weingut Aigner erstmals im Jahr 2011 vinifizierte. Elitär passt auch hier ausgezeichnet, denn der Wein wird nur bereitet, wenn alle Voraussetzungen perfekt sind. Die Ried Frechau ist ein Unterbereich der Sandgrube mit Donauablagerungen. Die Lese ist hier noch später und noch selektiver als beim “Privat”-Veltliner. Auch kommt mehr Akazienholz zum Einsatz. Ich durfte den Jahrgang 2017 probieren – 2018 fiel für den “Elitär” aus, der jetzt aber in der 2019er-Edition erneut auf den Markt kommt. Aber jetzt endlich mal zum Wein.
In der Nase hat man erstmal Phenolik ohne Ende, die sich mit etwas Luft und Zeit aber deutlich abmildert. Dann kommen getrocknete Wiesenkräuter, Birne, Pfirsich und mineralische Noten nach nassem Stein und zerstoßenen Muschelschalen zum Tragen. Ist der Wein dann am Gaumen, steht die Zeit still. Einfach, weil er mit seiner noblen Tiefgründigkeit, seiner Ausbalanciertheit und seiner schmelzigen Textur zur Ruhe zwingt. Obwohl zwingen hier eindeutig der falsche Begriff ist. Das hat er nämlich gar nicht nötig. Es ist eher wie eine Einladung zum stillen und staunenden Genuss. Für mich ein ganz, ganz großer Grüner Veltliner, dessen Preis von unter 25 Euro einfach lachhaft ist für diese Qualität, die für eine kleine Ewigkeit gemacht zu sein scheint.
Weingut Aigner: Und was ist mit den anderen Weinen?
Nun habe ich die ganze Zeit den Fokus auf die Grünen Veltliner gelegt. Dabei hat das Weingut Aigner natürlich auch noch einige andere Weine in petto, die überzeugen. Da wäre zum Beispiel der Riesling aus der Ried Weinzierlberg, der mit süßem Pfirsich, etwas Popcorn und zitrischer Note begeistert. Ein Wein, der mit einem ordentlichen Trinkfluss glänzt. Oder aber der Gelbe Muskateller vom Weingut Aigner! Die Trauben werden hier vor dem eigentlichen Lesestart geerntet, damit die schöne Säure erhalten bleibt. Ein leichter und charmanter Wein, mit einer schönen Muskatnuss-Note. Unter uns: das wird einer meiner Favoriten für den nächsten Sommer. Weil mich der schlanke Körper, der mit Leichtigkeit und Präzision gepaart ist, einfach so begeistert hat. Und in einer Frizzante-Version gibt es ihn auch noch.
Obwohl beim Weingut Aigner also Grüner Veltliner eindeutig Trumpf ist, lohnt sich auch ein Blick auf die anderen Weine des Betriebs. Falls du mal im Kremstal bist, dann probiere dich am besten einfach mal durch das gesamte Portfolio. Das Schöne: bei solch einer Verkostung musst du den Wein noch nicht mal ausspucken, sondern kannst hemmungslos genießen. Denn das Weingut Aigner hat auch ein Gästehaus mit Doppelzimmern und Apartments. Ein idealer Ausgangspunkt also, um das Kremstal für ein paar Tage zu erkunden.
Copyright Titelbild: © Weingut Aigner
*Dieser Text wurde vom Weingut Aigner weder beauftragt noch vergütet. Er spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.
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