Weingut Emrich-Schönleber: Eleganter Trinkfluss von der Nahe
Auf drei Säulen baut das Weingut Emrich-Schönleber aus Monzingen seine Weine auf. Gut schmecken ist zu wenig. Sie sollen bitteschön auch einen eigenständigen Charakter haben, ehrlich und authentisch sein – und dazu auch noch Spaß machen. Ob das funktioniert? Ein Ortsbesuch.
Routiniert betritt Frank Schönleber die Vinothek seines Weinguts, vorbei an den ebenso massiven wie stylisch-minimalistischen Holztischen, hin zur Theke. Als erstes wird der Bildschirm, der in der Mitte an der Wand hängt, angemacht. Ab jetzt laufen in perfektem Timing Fotos vom Winzer, seiner Familie, dem Weingut Emrich-Schönleber sowie den Weinen als Dauerschleife über den Äther. Bereits die ersten Minuten machen deutlich: hier wird ein ganzheitliches Konzept gelebt. Nicht einfach abgespult, bitteschön. Denn es ist die Liebe zum Detail, die hier sichtbar wird. Und der eigene hohe Anspruch.
Genau dieser kommt nicht von ungefähr. Schließlich baut die Familie bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts Wein an – und die Monzinger Weine wurden einst sogar von Goethe vollmundig erwähnt. Und trotzdem waren es erst Wilhelm und Werner Schönleber, Großvater und Vater von Frank Schönleber, die aus dem Mischbetrieb zwischen 1965 und 1985 ein reines Weingut machten. Gut Ding will Weile haben. Und die richtigen Lagen. Denn ja, durch das kühlere Klima ist die Weinregion Nahe inzwischen fast schon privilegiert. Damals aber hieß das noch, dass jede reife Riesling-Traube ein echter Segen war. Das schaffte man nur an steilen Hängen mit vielen Sonnenstunden und ergo mit Süd- bis Südwestausrichtung.
Vinophile Charakterköpfe vom Weingut Emrich-Schönleber
Die Trauben reif zu bekommen, ist heute kein Problem mehr. Die Lagen sind indes geblieben. Und das ist auch gut so. Mit dem Weingut Emrich-Schönleber verbindet man vor allem zwei davon: das Frühlingsplätzchen und den Halenberg. Beide Spitzenlagen einen ihre steilen Hänge sowie die Steinböden, die sehr vom Schiefer geprägt sind. Die besten Parzellen, aus denen etwa das Große Gewächs ‘Auf der Ley’ stammt, werden zudem von warmen Luftströmen beeinflusst. Diese Thermik verleiht den Weinen zusätzlich Charakter.
Und den brauchen sie auch, diesen Charakter. Denn es ist schon recht viel, was Frank Schönleber, der 2005 in den elterlichen Betrieb mit einstieg und inzwischen alle Belange beim Weingut Emrich-Schönleber übernommen hat, von seinen Weinen erwartet. Sie sollen nämlich nicht nur Charakter, sondern auch einen schönen Trinkfluss haben. Markant sollen sie sein, aber eben auch elegant. Und Beliebigkeit hat in den Weinen schon mal gar nichts zu suchen, weil sie ja schließlich auch von ihrer Herkunft erzählen sollen. Es sind Ansprüche, die man inzwischen von vielen Winzern hört. Nur mit dem Unterschied, dass Frank Schönleber sie auch tatsächlich in die Tat umsetzt.
Riesling rules!
Handarbeit ist da nur eines der Zauberwörter. “Handarbeit ist bei uns aufgrund der Steillagen zum Teil nötig, zum Teil aber nicht. Trotzdem entspricht sie unserem Selbstverständnis, denn schließlich wollen wir ja Qualität erzeugen”, betont Frank Schönleber. Und das bedeutet: ab in den Weinberg. Hier geht der Winzer stets mit großem Bedacht vor. Ebenso wie mit Umsicht. Er ist ein Mensch, der sich einen Sachverhalt erst von allen Seiten gründlich ansieht, abwägt und sehr viel denkt, bevor er eine Entscheidung trifft. Das merkt man auch bei der Verkostung.
Ruhig und gelassen schenkt er einen Wein nach dem nächsten ein. Wer nur die Rieslinge probieren möchte, bekommt vorher trotzdem Weiß- oder Grauburgunder ins Glas. Riesling wächst zwar auf 85 Prozent der insgesamt etwa 20 Hektar, aber auch die beiden Burgundersorten gehören eben dazu, haben ebenso viel Ausdruck und eine Geschichte zu erzählen. Das zeugt zum einen vom Selbstbewusstsein des Winzers, der ganz genau weiß, was er kann. Zum anderen ist aber auch das wieder ein Indiz für die gesamtheitliche Betrachtung, die beim Weingut Emrich-Schönleber zum Standard gehört.
Von Guts- und Ortsweinen
Dann also zuerst der feine und mineralisch-kühle Weißburgunder sowie der voluminöse Grauburgunder. Schöne Gaumenöffner, die direkt bei der Verkostung offenbaren, dass sie hervorragende Speisenbegleiter sind. Ich gehe im Kopf jedenfalls schon meine Rezepte für Kürbis und Pilze durch – und meine Bestellliste für den Einkauf nach der Verkostung. Aber jetzt erst einmal Riesling. Endlich. Der Gutsriesling? Ein typischer Vertreter seiner Art! Fruchtig, zitrisch, fein. Und bereits er ist mit einer feinen Feuersteinnote versehen. Da schau’ an! Trotz der absoluten Typizität, die nicht weiter verwunderlich ist, denn schließlich wird erst ab der Ortsweinstufe spontan vergoren, was ja per se ein wenig mehr Charakter bringt, kann man hier schon Eigenständigkeit sehen. Das überrascht mich. Und gefällt.
Wir steigern uns: Beim Riesling ‘Mineral’ ist der Name Programm – herrlich steinig und mineralisch! Die Jungreben aus dem Frühlingsplätzchen geben ihre Trauben für den ‘Frühtau’, der durch seine zarte Frische und leichte Eleganz besticht. Was folgt, ist die erste Begegnung mit dem Halenberg. In Form des Rieslings ‘Halengans’, benannt nach den Gänsen, die einst Namensgeber der Lage waren. Bereits hier bekommt man den vollen Halenberg zu spüren. Mineralisch, steinig, mit einer herrlichen Feuersteinnote. Das ist schon mächtig beeindruckend – und trotz der Komplexität mit einem super Trinkfluss ausgestattet. Als ich überrascht die Augen aufreiße, umspielt das erste Mal ein Lächeln die Lippen von Frank Schönleber, das mich in seiner Geschmackswelt willkommen heißt. Langsam aber sicher bekomme ich eine Vorstellung davon, was er damit meint, dass seine Weine Anspruch haben und zugleich Spaß machen sollen.
Weingut Emrich-Schönleber und die Großen Gewächse
Was bei den Ortsweinen angedeutet wird, ist dann bei den Großen Gewächsen ganz klar erkennbar: hier haben wir es mit langlebigen, eleganten und authentischen Charakterköpfen zu tun, die höchst unterschiedlich sind. Das ‘Frühlingsplätzchen’ etwa besticht mit einer präzisen und feinen Frucht sowie mit einer kühlen Mineralik. Die Säure vibriert beinahe im Mund vor Lebendigkeit. Höchst spannend, da zu beobachten, wie sich das GG im Laufe der nächsten Jahrzehnte so entwickelt. Wenn der 2019er-Jahrgang nicht ausverkauft wäre. Selbiges gilt leider auch für das Große Gewächs ‘Halenberg’. Hier dominiert eine feine Würze. Dieser Riesling hat definitiv mehr Kraft, bezaubert mich aber mit seiner höchst ausbalancierten Mineralik. Ganz großes Riesling-Kino!
Wenn ein Jahrgang ausverkauft ist, sinniert man zwangsläufig über einen anderen. Ich persönlich habe mit den Rieslingen aus 2018 ja so meine Probleme. Die meisten sind mir nach hinten raus etwas zu breit und diffus geraten. Kaum gesagt, fängt Frank Schönleber schon wieder an zu lächeln. Ich durchforste meine Notizen. Da schau’ her! Der Riesling ‘Mineral’ war ja gar kein 2019er, sondern eben ein 2018er! Und da hat mich die klare Präzision doch so beeindruckt! Jetzt lacht der Winzer vom Weingut Emrich-Schönleber offen. 2018 sei für ihn nicht so das Problemjahr gewesen. Im Gegenteil. “Wir haben erwartet, dass 2018 so wird wie 2003, als es so richtig heiß war”, verrät er. “Es war dann aber doch besser. 2003 sind uns die Trauben aufgrund der Hitze innerlich ja schon fast verkocht. Das war 2018 aber nicht der Fall. Wir hatten eine optimale Reife und ein hervorragendes Lesegut.”
Ein Winzer mit Bedacht und Umsicht
Wobei auch Frank Schönleber merkt, dass es wärmer geworden ist. Wie viele andere Winzer in der Region wässert auch der Vorsitzende des VDP Nahe seine Junganlagen inzwischen. Aber auch das mit viel Bedacht. “Den Reben soll nur der Stress genommen werden. Einen Gewöhnungseffekt möchte ich unbedingt vermeiden.” Deswegen wird auch nur gewässert, wenn sich die Blätter der Jungreben bereits verfärben. Und auch nur ein einziges Mal. Das hat dann aber wiederum vor allem mit der Logistik zu tun, wie Schönleber sagt: “Zum einen ist es ein großer Aufwand, das Wasser an die Steilhänge zu bekommen. Zum anderen braucht es 15 Liter Wasser pro Quadratmeter, damit die Reben optimal hydriert sind. Bei der Menge kann man eine Parzelle nur einmal wässern.”
Eine pragmatische Einstellung, die zum Wesen des Winzers passt, dessen Welt nicht von einem Schwarz-Weiß-Denken, sondern von den vielen Grauschattierungen dazwischen geprägt ist. Eine Lieblingslage? Hat er nicht! Natürlich wird das Weingut Emrich-Schönleber mit dem Halenberg gleichgesetzt. Vor allem, weil die Familie in den vergangenen Jahrzehnten da große Flächen rekultiviert hat. Aber auch das Frühlingsplätzchen hat eben viele Stärken. Ob er einen Lieblingswein hat? Nicht wirklich. Mal dieser, mal jener – das kann von Jahrgang zu Jahrgang variieren. Und eh! Die Reife! Einige Weine mag er lieber jung, andere gereift. Außerdem ist es spannend, die Entwicklung zu beobachten.
Weine mit Anspruch vom Weingut Emrich-Schönleber
Sobald es um die Weine an sich geht, taut Frank Schönleber immer mehr auf, ist in seinem Element. Dabei immer noch leise und bedächtig, aber die Augen leuchten und man merkt mit jedem Wort, mit jeder Geste die große Hingabe zu dem, was er macht. Auch hier bedenkt er von mehreren Seiten, zeigt unterschiedliche Blickwinkel auf, während im Hintergrund noch immer die Fotos auf dem Bildschirm in der Vinothek wechseln und das Gesamtbild abrunden.
Ich denke derweil auf den Weinen rum, schmecke nach, bin beeindruckt. Denn was sich für mich anfangs etwas übertrieben angehört hat, ergibt jetzt voll und ganz Sinn. Ja, man kann Weine mit Anspruch, Charakter, Herkunft und Authentizität machen, die trotzdem dank Trinkfluss jede Menge Spaß ins Glas bringen. Auch schon bei den Ortsweinen. Mit jedem dieser Weine könnte ich mich problemlos einen Abend einfach nur für mich beschäftigen – oder aber Flasche um Flasche in geselliger Runde mit lieben Freunden leeren. Das Weingut Emrich-Schönleber schafft es tatsächlich, Weine auf die Flasche zu bringen, die Weltenwanderer sind. Pure Eleganz und Präzision treffen hier auf eine große Trinkfreude. Als ich das Frank Schönleber sage, muss er breit grinsen während seine Augen funkeln. Welcher Winzer mag es nicht, wenn man ihm Recht gibt? Eben!
Copyright Titelbild: ©AK/Bottled Grapes
*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er entstand ohne Einfluss des Weinguts Emrich-Schönleber und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.
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