Weingut Espenhof: Die Naturweine von Nico Espenschied
Stuart Pigott zählt ihn zu den 111 besten Jungwinzern Deutschlands, 2015 erhob ihn auch das „Handelsblatt“ zu den wichtigsten jungen Winzern und 2017 wurde er vom „Falstaff“ zum Newcomer des Jahres gekürt. Die Weine von Nico Espenschied aus dem rheinhessischen Flonheim sorgen über die Grenzen der Naturweinszene hinaus für Furore. Und jetzt begeistert er auch noch mit einem ganz besonderen Wein, den er zusammen mit dem Musikproduzenten Fritz Kalkbrenner auf den Markt gebracht hat, die genuss- und feierwütigen Massen der Berliner Clubszene. Ein Ortsbesuch im Weingut Espenhof.
Nico Espenschied gehört zu den Menschen, die immer leicht zu spät kommen. Denn er hat derart viel um die Ohren und im Kopf, dass sein Tag eigentlich dreißig Stunden bräuchte, damit er einigermaßen pünktlich ist. Kaum düst er auf seinem Fahrrad heran, ist er auch schon wieder weg. Nur mal kurz die Hände waschen, schließlich kommt er gerade aus dem Wingert. Aber zuerst noch nach den Kindern sehen. Und dann geht es ohne große Einleitung auch schon gemeinsam in den Weinkeller.
Mit raschen Schritten eilt Nico Espenschied voran, redet dabei leise, schnell und höchst konzentriert, erklärt in Zeitraffergeschwindigkeit, wie er arbeitet – und warum. Das macht er aber nicht stringent, sondern springt von hier nach da, rollt gedanklich zurück und hüpft dann vier Sätze nach vorne. Was auf den ersten Blick höchst fahrig und enorm chaotisch wirkt, ist in Wahrheit tiefgehende Konzentration. Nico denkt schneller als er kommunizieren kann. In seinem Kopf: das große Universum der Naturwein– und Orange-Wine-Herstellung – verbunden mit der Tradition des Weinguts. Schließlich wird auf dem Espenhof schon seit dem 17. Jahrhundert Wein angebaut. Inzwischen wurde nicht nur das Weingut selbst an die junge Generation übergeben, sondern auch das angrenzende Hotel samt Restaurant. Hier hat Nico Espenschieds Schwester die Führung übernommen. Ausgeschenkt werden, natürlich, ausschließlich die eigenen Weine.
Nico Espenschied und die Natur
Was sich ebenso logisch wie simpel anhört, ist aber tatsächlich auch recht außergewöhnlich. Denn neben den konventionellen Weinen des Espenhofs, die Nico Espenschied schon allein aus Traditionsbewusstsein fortführt, werden im Restaurant auch seine anderen beiden Linien angeboten. Nämlich die Naturweine „Herz + Hand“, die Nico zusammen mit seiner Frau Laura macht, sowie die „Hautnah“-Weine, bei denen der Name Programm ist. Orange Wines von höchster Qualität und Raffinesse. Konvention trifft auf dem Espenhof dank des jungen Winzers also knallhart auf Innovation.
Für Nico, der eigentlich Chemiker werden wollte, durch einen Zufall dann aber bei einem Winzer in der Pfalz ein Praktikum machte, dem sich direkt die Ausbildung anschloss, bevor es ihn ins Burgund, ins kalifornische Sonoma und ins österreichische Burgenland zog, ist das kein Problem. Er weiß genau, woher er kommt. Schließlich sind hier, im beschaulichen Örtchen Flonheim, seine Wurzeln. Dank Winzern wie Claus Preisinger aus dem Burgenland weiß er aber auch, dass Konventionen im Wingert und im Weinkeller oft nicht weiterhelfen, wenn man bestmöglich Weine machen will. Weine, die Charakter haben, die fast schon zu einem sprechen und Geschichten von ihrer Herkunft erzählen.
Solche einzigartigen Weine entstehen nicht durch konventionelle Lehrbuchtechniken, die man einfach stoisch abarbeitet. Da muss man schon auch auf sein Herz hören. Und auf die Natur. Denn die wird bei Nico Espenschied ganz groß geschrieben. Für seine beiden eigenen Linien setzte er von Anfang an knallhart auf Ertragsreduktion. Und biologisch-nachhaltigen Anbau. Während in den Weingärten der Nachbarswinzer Zucht und Ordnung herrscht, darf bei ihm die Natur üppig wuchern – was ihm so manchen schiefen Blick eingebracht hat.
Von Flonheim nach Berlin
Doch Nico Espenschied lässt sich im Wingert ebenso wenig beirren wie im Weinkeller. Für die Weine seiner eigenen Linien gilt, dass die Trauben erst spät vom Saft getrennt werden und nur eine sanfte oder gar keine Pressung erfolgt, dass sie spontan vergoren werden, dass keine Schönung erfolgt und dass auf das Filtrieren weitestgehend verzichtet wird. Selbiges gilt natürlich auch für eine zusätzliche Schwefelung. Nico Espenschied vertraut da voll der Natur. Außerdem arbeitet er sehr gewissenhaft und penibel. Hygiene hat bei ihm etwa oberste Priorität. Gerade bei den Naturweinen sowie bei den Orange Wines ist das für eine hohe Qualität unabdingbar. Letztgenannte gären übrigens bis zu zehn Wochen auf der Maische. Halbe Sachen macht der junge Winzer nicht.
Kaum ist die Kellerführung beendet, geht es auch schon die zweihundert Meter die Straße runter zum Restaurant des Familienbetriebs. Nachdem Nico höchst konzentriert über seine Weine geredet hat, sollen sie jetzt auch ins Glas kommen. Immer wieder wandert sein Blick zum Handy, der nächste Termin wartet schließlich schon. Und eigentlich hat er auch noch im Keller zu tun. Eine Frau, zwei kleine Kinder und gut 30 Hektar Anbaufläche – die Tage sollten wirklich mehr Stunden haben. Und dann ist da ja auch noch das neue Projekt des jungen Winzers.
Zusammen mit dem Musikproduzenten Fritz Kalkbrenner hat er unlängst eine Cuvée aus Sauvignon Blanc und Riesling herausgebracht. Ein Spaßwein. Aber mit Niveau. Ohne Tiefgang und eigenwilliger Charakteristik geht es bei Nico Espenschied eben nicht. Wobei die Cuvée aber eben dank der exotischen Früchte und der knackigen Säure auch höchst trinkig ist. Das kommt vor allem in der Berliner Clubszene sehr gut an, wo der Wein gleich literweise strömt. Man kann sich sogar eine Kalkbrenner-Playlist zu jeder Flasche runterladen. So geht Marketing.
Mit dem allergrößten Respekt vor der Natur
Aber zurück zu Nicos anderen Weinen. Besonders spannend ist der Naturwein aus Scheurebe, den Nico 2015 erstmals anlässlich des 100. Geburtstags dieser Rebsorte gekeltert hat. Was für eine Charakteristik! Hier gehen Grapefruit und Kräuter ein ganz tolles Zusammenspiel ein. Schließlich kommt noch eine ganze Portion markante Mineralik hinzu, die den Wein aber nicht erschlägt, sondern ihm raffinierte Feinheit verleiht. Und einen sehr langen Abgang. Scheurebe in intelligent und elegant. Eine große Überraschung! Ähnlich verhält es sich auch mit dem Sauvignon Blanc als Orange Wine. Wilde Kraft und pure Eleganz charaktervoll miteinander vereint. Solche Weine vergisst man nicht.
Selbiges gilt auch für die Cuvée „Bauchgefühl“, von der es zwei Jahrgänge gibt – nämlich die beiden Jahre, in denen seine Kinder geboren wurden. Die letzte Abfüllung ist eine Cuvée aus Chardonnay, Weißburgunder und Grünem Veltliner – eine Hommage an seine österreichische Frau. Ein Orange Wine, der derart komplex und tief und außergewöhnlich und fein und elegant ist, dass man jedem, der Orange Wines für oxidierten Mist hält, am liebsten sofort ein Gläschen einschenken möchte, um ihn endlich eines Besseren zu überzeugen. Das sind Weine auf dem allerhöchsten Niveau. Mit dem allergrößten Respekt vor der Natur. Von einem höchst intelligenten und passionierten jungen Winzer, der vor Weinliebe und Ideen förmlich überzusprudeln scheint, sodass er dann auch zum nächsten Termin zu spät kommt. Natürlich. Aber seine Weine sind das Warten wert.
Copyright Titelbild: ©Bottled Grapes
*Dieser Text entstand mit Wissen des Winzers, aber ohne dessen Einfluss. Der Artikel spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links dienen Servicezwecken und sind nicht kommerziell.
…ist bis jetzt völlig an mir vorbeigegangen, klingt spannend!
Die Weine sind wirklich mega spannend. Alle! Auch die konventionellen Weine brauchen sich nicht verstecken. Die kamen hier im Text ja leider etwas zu kurz. Die anderen hatten halt die spannendere Geschichte. 😉
…ich setz‘ ein paar der Weine mal auf meine Wunschliste, auch wenn aktuell aufgrund akuter Kellerfülle eigentlich ein bißchen Enthaltsamkeit beim Nachkauf angesagt ist… 🙂
Ja, das Problem kenne ich. 😉