Weingut Kögl: Terroir-Weine aus der Südsteiermark
Beim Weingut Kögl setzt Tamara Kögl-Rettenbacher zusammen mit ihrem Mann auf das Zusammenspiel von Biodynamie, Tradition und Moderne. Das Ergebnis sind höchst eigenständige Charakterweine.
Eigentlich war es nicht der Plan von Tamara Kögl-Rettenbacher, mal das elterliche Weingut Kögl in Ratsch in der Südsteiermark zu übernehmen. Und eh! Bis in die 1990er-Jahre hinein war es ja eigentlich auch gar kein richtiges Weingut, sondern ein klassischer Mischbetrieb. Wie eben überall in Österreich so üblich. Erst 1993 brachten die Eltern den ersten eigenen Wein auf die Flasche. Wein blieb aber auch dann der Nebenerwerb der Familie. Zur Jahrtausendwende kamen dann noch Fremdenzimmer hinzu. Ein wirkliches Weingut gab es für Tamara Kögl-Rettenbacher also tatsächlich nicht zum Übernehmen. Kein Wunder, dass die junge Frau nach der Schule erstmal ein Studium mit Berufsausbildung in Fremdsprachen und Wirtschaft absolvierter. Danach ging es nicht direkt wieder zurück in die Heimat, sondern für sechs Monate nach Frankreich. Weil Tamara die Sprache nicht mochte – und vor Ort mit ihr warm werden wollte.
Ein erster Hinweis darauf, dass die junge Frau gerne ihre eigenen Wege geht und damit auch gerne mal etablierte Pfade verlässt. In Frankreich lernte sie dann nicht nur die Sprache, sondern auch den Wein lieben. Ihre Eltern stiegen parallel immer mehr in den Weinbau ein. Nach und nach formte sich so das Weingut Kögl. Bevor Tamara aber endgültig mitmischte, besuchte sie zunächst die Weinbauschule in Silberberg und ging dann für weitere Lehren zum Weingut Hirtzberger in die Wachau, bevor sie ein Jahr im Keller vom Weingut Gross arbeitete. Damit war die junge Frau dann immerhin schon wieder in Ratsch und damit auch in die Südsteiermark heimgekehrt.
Weingut Kögl: Tradition und Moderne begegnen sich
2008 stieg Tamara dann offiziell beim Weingut Kögl mit ein. Und zwar auf ihre ganz eigene Art. Denn statt direkt neue Wege zu gehen und moderne Visionen umzusetzen, besann sich die junge Winzerin ganz bewusst auf alte Traditionen, wie sie verrät: “In der Südsteiermark gab es schon immer den Dreiklang aus Landwirtschaft, Gästezimmern und Buschenschank. Damit hielt man sich hier schon seit langer Zeit über Wasser.” Der Weinbau war beim Weingut Kögl damals ja schon der landwirtschaftliche Aspekt. Gästezimmer gab es auch seit ein paar Jahren. Fehlte nur noch der letzte Ton des Dreiklangs, den Tamara Kögl-Rettenbacher dann im Jahr 2009 eröffnete. Den Buschenschank. Und zwar ein Buschenschank im aller klassischsten Sinne.
In dem 300 Jahre alten Gutshaus werden ausschließlich Speisen aus selbst erzeugten Produkten angeboten. Es gibt keine warmen Gerichte, keinen Kaffee, kein Bier und keine Softdrinks. Alles ist hier so ursprünglich wie nur möglich. Genau dieses Konzept übertrug Tamara dann auch auf die Weingärten, als sie das Weingut Kögl im Jahr 2010 offiziell übernahm. So natürlich wie möglich sollten die Weine bei ihr entstehen. Und das bedeutete die Umstellung auf biodynamische Bewirtschaftung. Inzwischen ist ein Großteil der zehn Hektar Demeter zertifiziert.
Terroir schlägt Rebsorte
Womit wir jetzt endlich bei den Weinen wären. Und auch hier verfolgt Tamara für ihr Weingut Kögl eine ganz bestimmte Philosophie. Die Qualitäten sind, wie in Österreich absolut üblich, in die drei Kategorien Gebiets-, Orts- und Lagenwein aufgeteilt. Die Gebietsweine sind die rebsortentypischen Weine. So weit, so normal. Bei den Ortsweinen kann man aber schon das ein oder andere Mal überrascht gucken, wenn man die höchst lebendigen und mit einer strahlenden Weinsäure ausgestatteten Gewächse im Glas hat. Bei den Lagenweinen kommen dann noch viel Eigenständigkeit und auch mal ein etwas unbequemer Charakter dazu. Was als Kompliment gemeint ist. Denn gerade die Lagenweine fordern Aufmerksamkeit im besten Sinne.
Genau hier kommt dann Tamaras Philosophie ins Spiel. Denn bei ihr kommt Terroir vor Rebsorte. Sie will die Seele einer bestimmten Lage wie etwa den Sternmetzberg einfangen. Und eben nicht zeigen, welchen Charakter eine Rebsorte entwickelt, wenn sie in dieser oder jener Lage gedeiht. Das ist schon ein ganz anderer Ansatz, den Tamara hier für ihr Weingut Kögl verwirklicht. Wobei sie hier immer und ständig das Große und Ganze im Blick hat. “Jede Entscheidung, die ich treffe, beeinflusst den Wein”, sagt die Winzerin. Diese Entscheidungen fangen bereits im Weingarten an. Wann und wie werden die Reben geschnitten? Welche Begrünung kommt wo zum Einsatz? Und so weiter. Sind die Trauben dann erst einmal Keller, kann Tamara ihre Arbeit sehr schnell zusammenfassen: “Mein Zutun ist dann, nichts zu tun.”
Du ahnst es: beim Weingut Kögl bekommt jeder Wein die Zeit, die er braucht, um seinen eigenen Charakter zu entwickeln. Wobei das mit dem Nichtstun natürlich so eine Sache ist. Wird der Wein im Edelstahltank oder im Fass ausgebaut? Welches Holz nimmt man? Neue oder gebrauchte Fässer? Auch hier sind lauter kleine und wichtige Entscheidungen zu treffen, für die sich Tamara viel Zeit nimmt. Denn sie ist zwar eine sehr intuitive Winzerin, durchdenkt aber auch permanent die Konsequenzen ihrer Entscheidungen.
Die Gottesanbeterin und das Weingut Kögl
So entstehen handwerkliche Weine, die tatsächlich höchst eigenständig sind. Natürlich ist auch beim Weingut Kögl Sauvignon Blanc prominent vertreten. Wie sollte es in der Südsteiermark auch anders sein. Allerdings brillieren die Gewächse in allen Qualitäten nicht so sehr durch eine fruchtig-exotische Aromatik, sondern bleiben dank ihrer vegetabilen und mineralischen Noten in bester Erinnerung. Eine Sauvignon-Besonderheit des Betriebs ist übrigens der “Mantis”, der nicht von Tamara, sondern von ihrem Mann Robert stammt – und der sogar der erste Wein ist, den er fürs Weingut Kögl gemacht hat. Hier wurden die Trauben per Hand gerebelt. Eine irre Arbeit! Wobei man das jetzt nicht unbedingt schmeckt.
Was man am Gaumen aber deutlich wahrnehmen kann, ist, dass die Trauben intrazellular vergoren wurden. Sprich: die alkoholische Gärung fand unter Ausschluss von Sauerstoff in den einzelnen Beeren selbst statt, die aufplatzen, wenn der Alkoholgehalt zwei Prozent erreicht hat. Dieses Verfahren, das vor allem unter dem Namen Kohlensäuremaischung beziehungsweise Macération Carbonique bekannt ist, wird eigentlich eher bei Rotweinen eingesetzt, um deren Fruchtaromen zu betonen. Bekanntestes Weinbeispiel ist der Beaujolais. Um da für keine Verwirrungen zu sorgen, hat sich in der Südsteiermark, wo zum Beispiel auch Weingüter wie Tement oder Masser auf die diese Weinbereitung setzen, bei den Weißweinen der Begriff IZ für intrazellulare Gärung durchgesetzt.
Aber zurück zum “Mantis”. Denn dieser blieb 80 Tage auf der Maische und wurde anschließend vier Jahre im Fass ausgebaut. Das alles führt dazu, das dieser Orange Wine am Gaumen mit seiner Geradlinigkeit und Rauchigkeit einfach nur überwältigend ist. Hier findet man jetzt die exotischen Noten, die dank der intrazellularen Gärung stärker in den Vordergrund treten. Zugleich brilliert der Wein aber auch mit vielschichtigen Kräuternuancen. Er ist opulent und doch wahnsinnig straight, voluminös aber eben auch leichtfüssig. Ganz, ganz großes Genusskino!
Eine Grauburgunder-Überraschung
Wer jetzt aber denkt, dass Sauvignon Blanc beim Weingut Kögl die Leitrebsorte ist, wird schnell eines Besseren belehrt. Ja, natürlich spielt Sauvignon Blanc eine wichtige Rolle. Aber Muskateller, Welschriesling, Weiß- und Grauburgunder und Morillon (Chardonnay) spielen hier ebenso eine wichtige Rolle wie Zweigelt und Pinot Noir. Mich persönlich hat der Grauburgunder Ried Sternmetzberg 2019 regelrecht vom Hocker gehauen. Die Rebsorte ist eigentlich nicht so meins. Die meisten Grauburgunder aus Deutschland oder Österreich sind mir ein wenig zu breit und beliebig. Beim Weingut Kögl allerdings bekommt man ein sehniges und vor Lebendigkeit vibrierendes Geschoss ins Glas, das mit einer agilen Säure und einer höchst filigranen Struktur mal so ganz anders ist. Hier verinnerlicht man Tamaras Philosophie, die das Terroir über die Rebsorte stellt, ganz praktisch über den direkten Genuss
Ich könnte jetzt ewig über die Kögl-Weine schwärmen. Sie alle haben Besonderheiten, die sie von der Masse abheben. Eine echte Wohltat. Was sie eint, ist dann die Optik. Wo sich der handwerkliche Faden direkt weiterspinnt. Denn die Etiketten wurden mit selbst geschnitzten Linoliumschnitten bedruckt. Große Ausnahme: die Pet Nats.
Beim Weingut Kögl darf der Gaumen prickelnd tanzen
Die Pet Nats bilden meiner Meinung nach aber eh eine ganz eigene Kategorie. Auf die Idee, Pet Nat zu machen, ist Tamara Kögl-Rettenbacher gekommen, nachdem sie den Pet Nat “Fuchs und Hase” von Alwin Jurtschitsch und Martin Arndorfer probiert hatte. So etwas wollte sie auch selbst machen. Wobei Tamara noch einen anderen Antrieb hatte, wie sie verrät: “Ich kann keinen Sekt machen. Und aus dem Haus geben wollte ich die Versektung nicht. Beim Pet Nat aber bleibt jeder Produktionsschritt am Weingut.” Inzwischen hat Tamara mit dem “Forever Young” und dem “Under Pressure” zwei höchst bemerkenswerte Pet Nats auf die Flasche gebracht. Die Namen deuten darauf hin, die Etiketten mit ihren Musikkassetten verdichten den Verdacht, der dann am Gaumen bestätigt wird: Hier bekommt man Musik ins Glas.
Der “Forever Young” (inzwischen ausverkauft) ist eine Cuvée aus Muskateller und Welschriesling. Fruchtige Noten treffen hier auf eine lebendige Säure. Dazu noch die Hefe-Anklänge und ein kreidiger Touch – wunderbar! Nicht minder viel Swing für die Zunge bringt der “Under Pressure” mit, in dem Weißburgunder und Welschriesling für viel Frische und filigrane Fruchtnoten sorgen. Vor allem im Hochsommer ein großer Genuss. Wobei mir meine erste Flasche auch im Winter sehr, sehr viel Freude bereitet hat. 😉 Einfach klasse, dass Tamara hier aus der Not sozusagen eine Tugend gemacht hat. Ich bin schon sehr gespannt, wie der nächste Pet Nat heißen und vor allem schmecken wird.
Copyright Titelbild: © Marija Kanizaj/Weingut Kögl
*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er entstand ohne Einfluss des Weinguts Kögl und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.
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