Winzer Philipp Wedekind aus Nierstein sitzt an einem Tisch mit einem Glas Wein in der Hand, vor ihm stehen Weinflaschen

Weingut Wedekind: PIWI-Meister aus Nierstein

Es braucht nicht immer eine lange Tradition, um mit einem Betrieb etwas zu bewegen. Bestes Beispiel ist da das rheinhessische Weingut Wedekind. Hier hat man sich nämlich auf ganz besondere Weine spezialisiert.

“In Nierstein gibt es schon 100 gute Rieslinge. Was soll ich da groß konkurrieren?” Was im ersten Moment ein wenig resigniert klingt, offenbart einen wesentlichen Wesenszug von Philipp Wedekind. Er stapelt nämlich gerne tief. Und er betrachtet ein Thema gerne aus mehreren Blickwinkeln. Was bei diesem Satz, bei dieser Frage nämlich auch mitschwingt, ist der Respekt vor der Tradition vieler Weingüter in und um Nierstein. Viele Betriebe werden inzwischen von der x-ten Generation geleitet. Beim Weingut Wedekind ist Philipp indes die erste Generation. Zwar wuchs der Rheinhesse vor Ort quasi zwischen den Reben auf, aber seine Eltern waren Hobbywinzer.

Dass aus ihm also mal ein Winzer werden würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Und trotzdem schlug Philipp Wedekind diesen Weg ein. Zunächst absolvierte er ganz klassisch seine Ausbildung bei anderen Weingütern. Parallel kaufte er 2005 seinen ersten Weinberg in Nierstein, bevor es für ihn nach Geisenheim ging, wo er Weinbau und Önologie studierte. Nach und nach konnte er seine Rebflächen erweitern, obwohl es vor allem am Roten Hang quasi unmöglich ist, Parzellen zu ergattern. “Ich hatte da einfach Glück”, stellt Philipp sein Licht erneut unter den Scheffel. Denn Glück allein reicht da auch nicht. Man muss auch schon die richtigen Leute kennen. Nämlich Menschen, die Rebflächen abgeben möchten – und die auf der Suche nach sympathischen Nachfolgern sind.

Winzer Philipp Wedekind kontrolliert die Qualität seiner Trauben im Weinberg
Qualitätskontrolle im Wingert. © Weingut Wedekind

Weingut Wedekind und der Riesling

Anfangs vinifzierte Philipp seine Weine noch in fremden Kellern, borgte sich Equipment. Doch sein Weingut wuchs kontinuierlich. So, wie immer mehr Parzellen am Roten Hang dazu kamen. Und Roter Hang bedeutet nun mal vor allem eines: Riesling. Auch wenn der Schwerpunkt von Philipp Wedekind nicht auf der Königsrebe liegt, baut er sie natürlich trotzdem an. Und auch einen Vergleich mit den anderen 100 guten Rieslingen müssen seine Gewächse nicht scheuen.

Da wäre zum Beispiel sein Riesling Heiligenbaum. In dieser kleinen Lage, die vom Orbel und Ölberg quasi umschlossen wird, hat der Winzer zwei Parzellen. Hier ist der Boden tiefgründig und speichert viel Feuchtigkeit. In trockenen Sommern ist das ideal. Der Riesling, der hier auf Rotliegendem gedeiht, tänzelt fein und luftig über die Zunge, ist knackig und brilliert mit zitrischen Noten. Das lange Hefelager verleiht ihm aber auch einen höchst stabilen Unterbau.

Wie anders ist da im Vergleich der Riesling aus dem Kranzberg! Hier gedeihen die Reben auf Schwemmsand und werden stark von der Nähe des Rheins beeinflusst. Auch hier herrscht Eleganz im Glas. Aber der Riesling begeistert mit seiner vollen Fruchtigkeit und den blumigen Noten sowie dem salinen Touch im Abgang. Zwei absolut unterschiedliche Charakterköpfe, die an der Qualitätsspitze vom Weingut Wedekind stehen.

Nieder mit den Denk-Klischees!

Das Besondere: die Lagenrieslinge werden nicht jedes Jahr per se trocken ausgebaut. Denn Philipp Wedekind verwendet für alle seine Rieslinge ein und dieselbe Reinzuchthefe. Mit dieser ist der Winzer sehr zufrieden – auch wenn sie zum Ende hin nicht besonders gärstark ist. Dann die Gärung noch einmal künstlich zu befeuern, davon hält der Chef vom Weingut Wedekind nichts, wie er verrät: “Was bis Weihnachten nicht durchgegoren ist, muss bleiben, wie es ist.” Schließlich möchte er den Charakter eines Lagenweins nicht verfälschen.

Winzer schneidet per Hand helle Trauben von einem Rebstock
Handarbeit versteht sich beim Weingut Wedekind von selbst. © Weingut Wedekind

Mit dieser Handhabung tritt Philipp Wedekind dann auch zugleich den Beweis an, dass ein Terroir-Wein nicht zwingend spontan vergoren sein muss. Charakter entwickelt sich auch mit Reinzuchthefen. Sehr gut sogar. Wer das nicht so recht glauben mag, kann gerne einmal Heiligenbaum und Kranzberg vom Weingut Wedekind nebeneinander probieren. Und dann ein wenig staunen. 😉

Weingut Wedekind: Obacht! PIWIs!

Dass ich den Text ausgerechnet mit der Rebsorte angefangen habe, bei der Philipp Wedekind nicht sein Alleinstellungsmerkmal sieht, ist übrigens eine bewusste Entscheidung. Denn seine Rieslinge sind zu gut, um einfach nur eine Statistenrolle zu spielen. Dabei sind sie streng genommen genau das. Die Hauptrolle beim Weingut Wedekind spielen nämlich PIWIs. Ja genau. Pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Also Rebsorten, die speziell so gezüchtet wurden, dass sie besonders robust sind. Dadurch muss man im Weinberg weniger Chemie spritzen. Auf PIWIs setzte der Winzer quasi von Anfang an – verstärkte seine Ambitionen aber, nachdem er Mitglied bei Ecovin wurde.

Während andere Winzer vielleicht ein oder zwei unterschiedliche PIWI-Sorten anbauen, setzt Philipp Wedekind gleich auf eine handvoll. Zum einen, weil er den Umweltaspekt sieht. In den PIWI-Weingärten konnte er den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um 50 Prozent reduzieren. Zum anderen ist diese Bandbreite an PIWI-Weinen aber natürlich auch ein großes Alleinstellungsmerkmal. So konnte sich das junge Weingut mit einer jungen Weinbaubewegung eine ganz eigene Tradition fernab des Rieslings schaffen.

Philipp Wedekind stapelt tief

Wobei die Beschäftigung mit PIWIs wahrlich kein Kalkül ist, um ein Alleinstellungsmerkmal fürs Weingut Wedekind zu schaffen! Unterhält man sich mit Philipp Wedekind über diese ganz besonderen Rebsorten, fangen seine Augen an zu leuchten. Wenn man Fragen zur Geschichte, zum Anbau, zum Geschmacksbild hat – Philipp kann sie allesamt beantworten. Und zwar mit sehr viel Herzblut. Aber auch hier stapelt er tief: “Ich habe viel Erfahrung mit PIWIs, bin aber kein Experte.” Manch einer (auch ich) mag ihm da widersprechen.

Weine vom Weingut Wedekind auf einem Tisch mit Gläsern
Ein kleiner Blick auf die unterschiedlichen Weine. © Weingut Wedekind

Schon allein, weil er sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema beschäftigt. Einer der wichtigsten PIWI-Weine ist dabei sein Cabernet Blanc. Hier musste der Winzer tatsächlich erst einmal seine Sporen verdienen. Die ersten Ernten der Jahre 2011 und 2012 waren winzig, reichten gerade einmal, um sich mit den Eigenschaften dieser PIWI vertraut zu machen. Inzwischen gehört der Cabernet Blanc zu den Beststellern des Weinguts Wedekind. Und mit seinem grün-gelb gestreiften Etikett fällt der Wein auch optisch direkt auf.

Die Farben wählte der Winzer übrigens bewusst. Denn Cabernet Blanc ist nicht nur eine waschechte Aromarebsorte, sondern auch eine, deren Geschmacksbild sich gerne entwickelt. Philipp hat die Erfahrung gemacht, dass zuerst die krautigen Noten im Vordergrund stehen. Beim Abfüllen ist der Wein dann meist aber schon eine gelbe Fruchtbombe vor dem Herren. Passender kann das Etikett also nicht sein.

Philipp Wedekind, der PIWI-Versteher

Ein kleines Meisterwerk gelingt Philipp Wedekind mit Cabernet Cortis. Einer PIWI, von der ich bis dato nicht ganz so viel gehalten habe. Denn die rote Rebsorte entwickelt enorm viel Zucker. Das kann schon mal schnell zu pappig-süßen Weinen führen. Nicht so beim Weingut Wedekind! Bevor die Trauben zuviel Zucker entwickelt, werden sie hier nämlich gelesen. Sie sind dadurch nicht zwingend reif, was aber nichts macht, da so die Balance im späteren Wein stimmt.

Genau hier erkennt man dann den großen Unterschied zu den traditionellen Rebsorten. Denn natürlich ist auch Philipp Wedekind bestrebt, seine Trauben generell so lange wie möglich hängen zu lassen. Für noch mehr Aromatik in den Weinen. Aber PIWIs ticken da nun einmal anders. Das muss man wissen. Und man muss den Mut haben, dieses Wissen auch umzusetzen. So kommt es, dass der Cabernet Cortis vom Weingut Wedekind durch süße Schwarzkirschen, Zwetschgen und Brombeeren brilliert und auch einen Hauch von eingekochten roten Früchten mit sich bringt, aber eben keine Zuckerbombe, sondern ein echter Gaumenschmeichler ist. Und der Ausbau im Barrique bringt dann auch noch eine tolle Struktur in den Wein. Bestes Beispiel dafür, dass auch Weine aus PIWIs vielschichtig sein können.

Winzer von hinten kontrolliert eine pneumatische Presse in seinem Weinkeller
Auch im Keller herrscht höchste Sorgfalt. © Weingut Wedekind

Neues vom Weingut Wedekind

Neben Cabernet Blanc und Cabernet Cortis komplettieren Pinotin und Cabernet Jura den PIWI-Reigen beim Weingut Wedekind. Sie alle gehören hier übrigens zur dritten Stufe Qualitätsstufe mit Namen Prometheus. Denn das komplette System orientiert sich an der Götterwelt. An der Basis steht Demeter. Hier findet man die bodenständigen Literweine. Eine Stufe drüber trifft man in der Poseidon-Kategorie auf geradlinige Alltagsweine. Hier wird Rebsortentypizität ganz groß geschrieben. Die Prometheus-Weine haben dann allesamt schon viel Charakter und unterschiedliche Facetten zu bieten. Ganz oben an der Spitze thront Zeus mit den Lagenweinen und Sekten. Hier finden sich dann also auch die Rieslinge aus dem Roten Hang.

Diese Götter-Hierarchie hat Philipp Wedekind 2016 eingeführt. Ganz einfach, um seinen Kunden eine noch bessere Orientierung zu geben. Bei jeder Stufe bekommt man genau das, was man erwartet. Enttäuschungen werden so minimiert. Ein cleveres Marketing, das auch noch wirtschaftlich ist. Der Winzer strebt aber auch danach, seinen Kunden immer wieder etwas Neues bieten – und sich dabei selbst verwirklichen – zu können. 2020 pflanzte er so zum Beispiel erstmals Muscaris. Also noch eine PIWI, die seinen führenden Ruf untermauert. Bis der erste Muscaris-Wein auf den Markt kommt, dauert es naturgemäß noch eine Weile. Um die Wartezeit zu überbrücken, kann ich euch nur alle anderen Weine vom Weingut Wedekind ans Herz legen. Eine Entdeckungsreise im Glas lohnt sich hier allemal.

Copyright Titelbild: © Weingut Wedekind

*Dieser Text wurde vom Weingut Wedekind weder beauftragt noch vergütet und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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