Junger Mann als Gott Dionysos verkleidet, mit Haarkranz, Weinglas und Weintrauben an einem Tisch

Dionysos – Gott des Weins

Ist Dionysos das griechische Pendant zum römischen Bacchus? Oder steckt da mehr dahinter? Wie wurde er eigentlich zum Gott des Weins? Und warum ist Bacchus so viel bekannter, dass man nach ihm sogar eine Rebsorte benannte – nach Dionysos aber nicht? Machen wir mal einen Abstecher in die griechische Mythologie.

Es gab ja mal eine Zeit, da dachte ich, dass Bacchus einfach nur die römische Version von Dionysos ist. Irgendwie stimmt das ja auch. Die Römer nannten ihren Gott des Weins Bacchus. Dessen offizieller Name war allerdings Liber pater. Er war der italienische Gott des Weins und der Fruchtbarkeit. Der Name Bacchus (“Rufer”) bürgerte sich erst später ein. Und tatsächlich ist Bacchus einer der vielen Beinamen, die man bei den Griechen Dionysos gab. Mythologisch betrachtet hat Dionysos eine viel größere Bedeutung. Was man auch von seinen Funktionen ableiten kann. Denn Dionysos ist nicht nur der griechische Gott des Weins (sowie der Trauben) und der Fruchtbarkeit, sondern auch der Freude. Und leider auch der Gott des Wahnsinns und der Ekstase. Ach ja, und des Theaters.

Letzteres ist leicht erklärt. Denn so etwa im 6. Jahrhundert vor unserer Zeit kam es zu den ersten thrakischen Umzügen, die Dionysos gewidmet waren. Daraus entwickelten sich dann in Athen zunächst die sogenannten städtischen Dionysien. Was ja auch nichts anderes war als rauschende und oft auch recht obszöne Feiern. Doch diese weiteten sich eben immer mehr aus. Und ab dem Jahr 534 vor unserer Zeit traten dann auch noch Dichter in einem Wettstreit gegeneinander an. Was die Dionysien zu dem ersten Theater-Festival überhaupt macht. Aber wie kam der Wein dazu? Hat das nur etwas mit dem Rausch, in dem sich so ziemlich jeder Bürger der Polis während der Dionysien befand, zu tun? Jein! Die Lösung findet man in Dionysos’ Biografie. Also in zwei der zahlreichen Versionen.

Dionysische Prozession im bulgarischen Plovdiv
Dionysische Prozessionen gibt es auch noch heute – wie hier im bulgarischen Plovdiv. © Kisa Markiza/iStock

Legendäre Schenkelgeburt des Dionysos

Denn so eine wirklich stringente Biografie hat Dionysos leider nicht. Fest steht, dass er der jüngste der griechischen Götter ist. Und dass Zeus sein Vater ist. Doch schon bei der Mutter wird’s dann ungenau! Denn da kommen – je nach Sage – tatsächlich Demeter, Io, Persephone oder Lethe infrage. Und natürlich die Sterbliche Semele. In der bekanntesten Darstellung (und der folgen wir jetzt einfach mal, damit es nicht zu verwirrend wird) ist sie dann auch die Mama von Dionysos. Auch wenn sie ihn nie kennengelernt hat. Zeus, der alte Schwerenöter, verführte Semele, die daraufhin schwanger wurde. Hera, Zeus’ Ehefrau, raste vor Eifersucht. Was übrigens typisch für sie war. Sie verkleidete sich und setzte Semele den Floh ins Ohr, dass sich Zeus in seiner wahren Gestalt vor ihr zeigen sollte, um so seine Liebe zu beweisen.

Clever! Denn so ein Gottesanblick ist für uns schnöde Menschen bekanntlich kaum zu verkraften. Doch wir Menschen sind ja nun auch dumm. Deswegen bat Semele Zeus um genau das. Und weil Götter eben nicht viel klüger sind, zeigte er sich der schwangeren Frau als Blitz, der er nun einmal war. Leider verbannte Semele dabei aus Versehen. Nur ihr Uterus scheint noch intakt gewesen zu sein. Denn Zeus konnte das Kind noch aus dem Mutterleib schneiden und es sich in den Schenkel nähen, wo er es dann drei Monate später als fertiges Menschenbaby wieder herausschnitt. Das, meine Damen und Herren, ist die legendäre Schenkelgeburt des Dionysos, der damit dann auch zweimal geboren wurde. Einmal von seiner Mutter – und einmal von seinem Vater. Genau diese Schenkelgeburt ist dann auch der Grund, warum Dionysos ein vollwertiger Gott ist und kein Halbgott wie Herkules und Co. Schließlich hat ihn der Göttervater höchstselbst schlüpfen lassen!

Statue von Dionysos, dem Gott des Weins
Ob seines Wahnsinns wird Dionysos gerne als alter Mann mit Rauschebart und Weinlaub im Haar dargestellt. © StockPhotoAstur/iStock

Dionysos wächst heran und heiratet

Nun konnte Zeus den kleinen Dionysos freilich nicht behalten. Hera raste schließlich immer noch voller Eifersucht durch die Weltgeschichte und meuchelte Zeus-Geliebte und deren Brut. Es hat ja schließlich einen guten Grund, warum Dionysos der jüngste Gott war. Zeus hatte auf die ganze brutale Eifersuchtskiste seiner Gattin halt irgendwann keinen Bock mehr. Jedenfalls konnte Zeus Dionysos nicht selbst großziehen. Deswegen brachte er ihn zu den Nymphen, die diesen Job übernahmen. Auch hier gibt es verschiedene Versionen. Aber es beginnt und endet immer irgendwie mit irgendwelchen Nymphen. 

Auch rund um die Tatsache, dass Hera den Dionysos dann doch noch fand und mit Wahnsinn schlug, ranken sich mehrere Versionen. Mal geschah das, als der Knabe noch in die Windeln kackte, mal war er bereits ein erwachsener Mann. Fest steht nur, dass Dionysos dann halt so wahnsinnig durch die Welt irrte. Vorzugsweise durch Afrika und Asien. Nebenbei nahm er noch Ariadne (ja, genau! Die mit dem Faden und dem Minotaurus auf Kreta!) zur Frau. Ob er da einen klaren Moment hatte? Keine Ahnung! Viel wird über die Ehe eh nicht berichtet.

Dionysos-Mosaik in den Ruinen von Korinth
Dionysos-Mosaik in den Ruinen von Korinth. © Lisa Strachan

Reinkarnation von Zagreus?

Eigentlich geht’s bei Dionysos eh nur um die Schenkelgeburt, den Wahnsinn und den damit einhergehenden Rausch. Vielleicht ist deswegen ja auch sein Ende ein wenig unbefriedigend dokumentiert? Hier gibt es vier Versionen. Entweder flüchtete er sich zu den Musen und weilt immer noch bei ihnen. Oder aber er versank im See Lerna. Das sollte dann übrigens den Sturz der Unterwelt versinnbildlichen. Es kann aber auch sein, dass Perseus ihn in dem See ertränkt hat. Und wenn es nach einem orphischen Hymnus geht, ruht er im Haus der Persephone.

Womit wir jetzt zwar die Biografie von Dionysos einigermaßen zusammen hätten, aber noch immer nicht geklärt hätten, warum er denn nun der Gott des Weins ist. Dafür müssen wir ein paar Ewigkeiten vor Dionysos’ Geburt springen. Denn es gibt da die (umstrittene) Theorie, dass Dionysos die Reinkarnation von Zagreus ist. Noch so ein Bastard von Zeus. Die Mutter ist in diesem Fall Persephone. Also das Weib von Hades. Mit schönen Grüßen aus der Unterwelt. Damals gab’s noch keine Menschen. Aber Titanen. Als vorbildlich eifersüchtige Ehefrau hetzte Hera die Titanen auf den kleinen Zagreus, die ihn beim Spielen überraschten und in sieben Stücke rissen. Autsch. Ach ja, sie sollen ihn dann auch noch gekocht und gegessen haben. Würg. Nur ein wenig Asche blieb von Zagreus übrig. Zeus rächte sich und pulverisierte die Titanen mit einem Blitz. Dabei mischte sich Asche mit Asche – und das Menschengeschlecht ward geboren.

Statue von Bacchus, dem Gott des Weins
Hier sieht Dionysos doch wesentlich gesitteter aus. © Tony Baggett/iStock

Dionysos und der Wein und das Theater

So, und jetzt endlich zum Wein. Denn in einer anderen Version sammelte Zeus die Zagreus-Leichenteile auf, bevor sie gegessen werden konnten und übergab sie Apollon. Dieser bestattete Zagreus, auf dessen Grab dann die erste Weinrebe überhaupt wuchs. Ah! Endlich! Und auch in der eigentlichen Dionysos-Geschichte und nicht in seinem Vorleben kommt ein Weinstock vor. Denn der soll genau an der Stelle gewachsen sein, an der seine Mutter Semele den Tod fand.

Doch der eigentliche Grund, warum Dionysos der Gott des Weins ist, ist eben jener Wahnsinn, mit dem die liebe Hera ihn geschlagen hat. Er irrte eben nicht nur durch die Welt, sondern feierte auch rauschhafte Feste und Orgien. Immer mit dabei: seine Groupie-Gruppe namens Mänaden, die mit ihm und für ihn die sogenannten Bacchanalien (weil’s da wegen des Alkohols halt auch sehr laut zuging) feierten.

Da floss dann derart viel Wein, dass im Rausch auch schon mal Tiere bei lebendigem Leib zerrissen wurden. Oder Könige, die man für Tiere hielt. Nachzulesen in der höchst beeindruckenden Tragödie “Die Bakchen”, dem dritten Teil einer Tetralogie von Euripides. Mit den “Bakchen” gewann Euripides 405 vor unserer Zeit übrigens auch den Dichterwettstreit während der Dionysien. Womit sich der Kreis dann irgendwie schließt. Du siehst: Bacchus mag als pausbäckiger Götterpummel mit Hang zu übermäßigem Weinkonsum dargestellt werden. Von diesem Bild ist Dionysos dann aber doch ganz schön weit entfernt. Womit du jetzt den Gott des Weins hoffentlich ein bisschen besser kennengelernt hast.

Copyright Titelbild: © Bowie15/iStock

* Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine eigene Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell. Sie dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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