Weingut Weedenborn: Winzerin Gesine Roll aus Monzernheim
Hinter vorgehaltener Hand wird Gesine Roll die „Sauvignon-Blanc-Queen“ genannt. Wobei es tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte, bis eben diese Hand verschwindet und man es ungeniert in die Welt hinausposaunen kann. Ja, sie ist die Königin dieser divenhaften Rebsorte. Nicht nur in Rheinhessen, wo sie lebt und wirkt. Genau dort, in Monzernheim, habe ich Gesine Roll auf ihrem Weingut Weedenborn besucht.
Mitten im verschlafenen Örtchen Monzernheim, tief eingebettet in der rheinhessischen Hügellandschaft, findet man es. Das Weingut Weedenborn. Direkt neben dem Dorfplatz, auf dem ein Brunnen steht. Womit der Name des Weinguts Programm wäre. Manch einer mag die Ursprünge in Südafrika vermuten. Weedenborn. Das klingt so schön schillernd und von weit weg.
Aber tatsächlich ist es eine Zusammensetzung von Weede und Born. Also der rheinhessischen Bezeichnung von Dorfplatz und dem alten Begriff für Brunnen. Da kommt man wohl nur als Einheimischer drauf. Allen anderen erklärt es Gesine Roll gerne wieder und wieder, wenn sie Gäste auf dem ebenso romantischen wie gepflegten und großen Hof ihres Weinguts empfängt. Was so häufig übrigens nicht vorkommt. Hier gibt es weder regelmäßige Veranstaltungen noch einen regulären ab-Hof-Verkauf. Die Winzerin konzentriert sich nämlich voll und ganz auf das Wesentliche: ihre Weine.
Genau ab diesem Punkt dreht sich zunächst einmal alles um den Sauvignon Blanc. Diese Rebsorte ist ganz eindeutig der zentrale Angelpunkt in Gesine Rolls Schaffen. Wobei ihr da von ihrem Vater der Weg geebnet wurde. Denn er war es, der vor über 20 Jahren erstmals Sauvignon Blanc anpflanzte – damals noch als Versuchsanbau, denn die Rebsorte wurde erst 1999 offiziell in Deutschland zugelassen. Inzwischen findet sich auf einem Drittel der 22 Hektar, die das Weingut Weedenborn sein Eigen nennt, Sauvignon Blanc.
Mit Herz und Verstand und Sauvignon Blanc
„Sauvignon ist eine echte Diva!“, erklärt Gesine Roll. Ihre blauen Augen strahlen dabei. Was so manchen Winzer abschrecken würde, genießt sie in vollen Zügen. Nämlich, dass man nicht nur mit viel Leidenschaft, sondern auch mit mächtig viel Köpfchen an den Sauvignon Blanc herangehen muss. Beispiel gefällig? Bitte: Lässt man ein größeres Blätterdach über den Trauben, bekommt der Wein eine grüne und grasige Note. Nimmt man das Laub weg, sind es die exotischen Nuancen, die überwiegen. Da muss man also tatsächlich vorher bereits wissen, welche Stilistik man haben möchte.
Für die Mittdreißigerin ist das kein Problem. Dinge ganzheitlich zu betrachten und zu durchdenken, scheint ihr im Blut zu liegen. Hier ist alles aufs Detail abgestimmt: vom Logo über die Verpackung (hier kommen übrigens die Koordinaten des Weinguts sowie die Geologie der Weingärten zum Einsatz) bis hin zu den Weinen. Natürlich. Wobei es da aber bei Weitem nicht nur bei der Entscheidung bleibt, ob und wieviel Blätter fallen oder hängenbleiben dürfen. Im Wingert ist auch so eine Menge Handarbeit angesagt. Denn natürlich reduziert Gesine Roll ihren Ertrag. Wieder und wieder. Nur so kann sie die enorm hohe Qualität erreichen, die ihr so extrem wichtig ist.
Timing ist alles für Gesine Roll
Und dann kommt es ja auch noch auf den richtigen Zeitpunkt an. Reif müssen die Trauben sein. Aber eben nicht zu reif. Damit der Geschmack nicht zu opulent ist. Das mag Gesine Roll gar nicht. Das Zeitfenster dazwischen ist sehr klein, wie die Winzerin bestätigt: „Sauvignon muss schnell und spontan gelesen werden. Manchmal ist da ein einziger Tag entscheidend.“ Aus ihr spricht die Erfahrung.
Denn 2013 hat sie bei einem ihrer Weinberge mal nicht den richtigen Zeitpunkt erwischt. Rückt die Lese immer näher, fährt Gesine Roll regelmäßig ihre Weingärten ab. Der eine sah noch so unreif aus, dass sie erst am übernächsten Tag wieder nach dem Rechten schaute. Und erschrak. Denn ein Drittel der Trauben hatte inzwischen eine vollreife violette Färbung. Sofort zog sie ihre Mannschaft von einem anderen Wingert ab und fing mit der Lese an. Aber auch hier konsequent: violette Trauben landeten auf dem Boden. Es war ein bitterer Anblick, einen Teil der Jahresarbeit derart verschwendet zu sehen. Seitdem ist ihr das aber zum Glück nicht noch einmal passiert. Jedes Jahr als Winzerin bedeutet eben auch mehr Erfahrung. Und Entwicklung.
Das Weingut Weedenborn hat jetzt Holz im Keller
Als Gesine Roll das Weingut ihres Vaters übernommen hat, konnte sie sich zum Beispiel nicht vorstellen, ihre Weißweine jemals in Holz auszubauen. Inzwischen liebt sie den Einsatz von Holz aber bei ihrem Sauvignon Blanc Resérve. Während ihre Kollegen da auch gerne mal auf gebrauchtes Holz zurückgreifen, sind ihr die neuen Fässer am liebsten. Für andere mögen sie unberechenbare Biester sein, aber Roll weiß neues Holzes sehr zu schätzen – und zu beherrschen. Denn auch hier kommt es letztlich auf die Qualität an. Das junge, feinporige Holz sorgt für sehr feine Nuancen, wenn man damit umzugehen weiß. So wie Gesine Roll eben.
Ihr Sauvignon Blanc Réserve strotzt nur so vor kluger Komplexität, weiser Tiefe und der verführerischen Kombination von Kraft, Eleganz, Frucht und Mineralik. Ein Wein, der viel Zeit und Luft braucht, wenn man ihn jung genießen möchte, der aber auch noch locker dreißig Jahre lagern kann. Stuart Pigott sprach unlängst sogar von fünfzig Jahren. Höchst beeindruckend!
Wobei sich aber auch die anderen beiden Sauvignons vom Weingut Weedenborn mehr als sehen lassen können. Denn natürlich arbeitet auch Gesine Roll mit den drei gängigen Qualitätsstufen. Ihr kleiner Sauvignon Blanc ist ein fruchtiger Spaß voller Maracuja und perfekt eingebundener Säure. Staubtrocken (wie alle Weedenborn-Weine), was bei der Fruchtigkeit aber gar nicht auffällt. Ein himmlischer Basiswein, der zwar angenehm zu trinken, aber alles andere als banal ist. Mit ein wenig mehr Ecken und Kanten und einer gehörigen Portion Terroir kommt der Terra Rossa als großer Bruder daher. Was für eine wunderbare kühle Mineralik! Mit genussvoll geschlossenen Augen schmecke ich mich durch die Unterschiede und Feinheiten der drei Sauvignon Blancs, habe erstmals das Gefühl, diese Rebsorte ansatzweise zu verstehen und staune ob all der Liebe und Arbeit, die Gesine Roll in jeden einzelnen Wein steckt.
Gesine Roll ist mehr als „nur“ Sauvignon Blanc
Keine Frage, sie ist die Sauvignon-Blanc-Queen. Aber es wäre ein sehr, sehr großer Fehler, Gesine Roll ausschließlich auf diese Rebsorte reduzieren zu wollen. Wer in Versuchung gerät, es trotzdem zu tun, der sollte unbedingt ihre anderen Weine probieren. Zugegeben, ihren Riesling ordnet die Winzerin schon sehr richtig ein, wenn sie ihn „ihr schönstes Hobby“ nennt. Ihr Lagenriesling Kirchspiel ist sehr gut. Aber die Konkurrenz bei der deutschen Königstraube ist einfach derart groß und gewaltig, dass ihr Riesling zwar mithalten, sich aber nicht hervortun kann.
Ganz anders sieht es da mit den drei Chardonnays aus. Auch hier drei Qualitätsstufen. Und es geht mir erneut das Herz vor lauter Weinbegeisterung auf. Der fruchtige und dennoch komplexe Gutswein, der charismatische Westhofen-Chardonnay und dann der absolute Kracher. Der Chardonnay Réserve. Schmelz! Aber nicht Zuviel! Eindeutig Holz! Aber ganz differenziert und fein! Frucht, Würze, Mineralik. Hier stimmt mal wieder alles. Der Wein tanzt tiefgründig auf der Zunge, unaufdringlich, höflich, klug und durchdacht – eben genauso, wie es Gesine Roll selbst ist. Charakter von Winzerin und Wein scheinen förmlich zu verschmelzen. Wie auch schon beim Sauvignon Blanc.
Es lässt mich ahnen, dass nicht nur wahre Könnerschaft in diesen absolut präzisen, klaren, klugen und komplexen Weinen steckt, sondern auch sehr, sehr viel Leidenschaft und Herzblut. Wobei mir an dieser Stelle langsam aufgeht, dass Gesine Roll, würde sie es darauf anlegen, hierzulande auch den Titel der Chardonnay-Queen ergattern könnte. Ihre Chardonnays haben definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient. Ihre Sauvignon Blancs indes suchen bereits jetzt schon ihresgleichen. Eine solche Qualität ist in Deutschland nun wahrlich nicht Standard. Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Gesine Roll irgendwann sogar noch einen draufsetzen wird. Schau‘n mer mal. Bis es soweit ist, werde ich jedenfalls den kleinen Vorrat an Sauvignon Blanc und Chardonnay Réserve, den ich direkt vor Ort gekauft habe, wie meinen Augapfel hüten. In zehn Jahren werden die ersten Flaschen entkorkt.
Nachweis Titelbild: ©Bottled Grapes
*Dieser Text entstand mit dem Wissen der Winzerin, aber ohne deren Einfluss. Er spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider.
Hallo Nicole,
ich bin über Instagram auf dich aufmerksam geworden und finde es klasse was du machst!
Die Eltern meines Freundes haben ein Weingut und ich habe deren Instagram Account übernehmen dürfen! 🙂 Hättest du Interesse einen oder ein paar Weine von uns zu kosten? 🙂 Ich würde mich freuen Dir etwas schicken zu dürfen!
Liebe Grüße
Sophie
Hallo Sophie,
bei diesem Blogbeitrag geht es um das Weingut Weedenborn und die Winzerin Gesine Roll. Für alles, was nicht mit dem Thema zu tun hat, kannst du mir gerne eine Mail schreiben oder das Kontaktformular hier auf dem Blog nutzen. Oder schreibe mir via Insta eine PN. 😉
Herzliche Grüße
Nicole