Holzschild mit der Beschriftung Sauvignon Blanc vor einem Weingarten

Sauvignon Blanc: Weltenbummler mit vielen Gesichtern

Von grasig-grün über mineralisch bis hin zu einem exotischen Obstkorb-Potpourri reicht das Aromenspektrum der weißen Rebsorte Sauvignon Blanc, die von Frankreich aus ihren Siegeszug rund um den Globus antrat. Inzwischen ist sie hinter Chardonnay die zweithäufigst angebaute weiße Traube der Welt. Werfen wir mal einen Blick auf ihre Herkunft und ihre unterschiedlichen Stilistiken.

Wenn es um die Rebsorte Sauvignon Blanc geht, läuft eigentlich alles auf eine einzige Gretchenfrage hinaus: Grün und eher grasig – oder exotisch opulent? Denn die Traube ist schließlich so etwas wie die vinophile Geschmacksausprägung von Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Eine Rebsorte mit zwei Gesichtern eben. Was aber eigentlich gar nicht stimmt. Denn tatsächlich hat Sauvignon Blanc eine multiple Persönlichkeit, wenn es um ihr Geschmacksprofil geht.

Wobei man tatsächlich vorwiegend die beiden Stilistiken mit dem grasigen Grün und dem exotischen Gelb voneinander unterscheidet. Den Grund findet man in den Untiefen der Chemie. Genau dahin machen wir jetzt einen Ausflug. Sorry, da musst du durch, wenn du das Grundprinzip hinter Sauvignon Blanc verstehen möchtest. Ich versuche aber, es so simpel wie möglich zu halten.

Sauvignon-Blanc-Traube am Rebstock in der Morgensonne
Vielfältige Schönheit: Sauvignon Blanc. © ÖWM/WSNA

Zusammenhänge sind alles: Kleiner Ausflug in die Chemie

Also, in den Schalen, Kernen, Stängeln und Blättern von Sauvignon gibt es zwei chemische Verbindungen inklusive ihrer Varianten. Methoxypyrazine und Mercaptane. Methoxypyrazine sind für das grüne Aroma verantwortlich. Also die Anklänge von Gras, grüner Paprika, grünem Pfeffer oder Stachelbeere. Wenn die Methoxypyrazine-Konzentration noch sehr hoch ist, kann der Wein letztlich sogar nach dem legendären Katzenpipi riechen, von dem im Zusammenhang mit Sauvignon Blanc immer mal wieder die Rede ist. Die Mercaptane hingegen sorgen für die gelbe Fruchtigkeit. Also Grapefruit, Schwarze Johannisbeeren, Passionsfrucht, Litschi, Papaya und was man sonst noch so an exotischen Früchten hat. Auch hier gilt: Je mehr Mercaptane noch vorhanden sind, desto ausgeprägter ist der Fruchtkorb im Wein.

Während Methoxypyrazine sehr lichtempfindlich sind und zerfallen, wenn viel Sonnenlicht auf die Trauben fällt, konzentriert sich der Anteil an Mercaptanen, je reifer die Beeren werden. Sie zerfallen allerdings auch schnell, wenn sie direkt mit Sauerstoff in Kontakt kommen. Was zum Beispiel bei einer maschinellen Lese der Fall ist. Laubwand-Management (wann und wie stark wird entblättert?) und Lese (maschinell oder händisch?) haben also konkrete Auswirkungen auf den Geschmack des Weins. Was aber auch für alle Vinifikationsschritte gilt. Denn die Wirkung von Methoxypyrazine und Mercaptane lässt sich dank unterschiedlicher Keltertechniken problemlos reduzieren oder verstärken. Eine Maischestandzeit inklusive Rappen kann zum Beispiel grüne wie auch gelbe Noten verstärken.

Gruppe von Menschen sitzt draußen an einem Tisch, lacht, isst und genießt Weißwein
Sauvignon Blanc ist überall auf der Welt sehr beliebt. © Hero Images/iStock

Frankreich und Sauvignon Blanc

Wobei das aber natürlich nicht die einzigen Faktoren sind. Denn zufälligerweise spricht Sauvignon Blanc auch noch sehr stark auf das Terroir an, auf dem die Rebsorte wächst. Bestes Beispiel sind da etwa die Feuersteinböden in Sancerre und vor allem Pouilly-Fumé an der Loire. Die Weine haben gerne mal eine rauchige Note, die sogar an abgebrannte Streichholzköpfe erinnern kann, wenn die Reben auf genau diesem Silex-Boden gedeihen. Das sind schon extrem spannende Gewächse. Und sie sind in der Regel auf der grünen Seite des Geschmacklebens. Also Gras, Stachelbeere und gerne auch mal grüne Paprika.

Man vermutet übrigens, dass die Loire auch die Heimat der Sauvignon Blanc ist. Sicher sind sich die Rebenforscher allerdings nicht. Der Ursprung könnte auch in der Region Bordeaux liegen. Mit dem Sauternes entsteht hier ja schließlich einer der berühmtesten Süßweine der Welt. Auch hier spielt Sauvignon Blanc gerne die Hauptrolle. Nur meistens wird sie hier von Sémillon und/oder Muscadelle flankiert. Im Bordeaux Blanc ist sie aber ebenso gerne gesehen wie im Crémant de Bordeaux.

Da hier in der Regel andere Trauben als Verschnittpartner dienen, ist es schwierig, einen Bordeaux-Stil für Sauvignon Blanc zu definieren. Wenn es aber mal rebsortenreine Weine gibt, dann sind sie eher auf der gelben Geschmacksseite, allerdings nicht ganz so exotisch. Also eher Grapefruit denn Passionsfrucht. Außerdem baut man die Weine – im Gegensatz zur Loire – gerne im Holzfass aus, was zu mehr Körper und manchmal auch zu etwas Cremigkeit führt.  Im südfranzösischen Languedoc-Roussillon haben die Sauvignon-Trauben aufgrund der Sommerhitze nicht mehr ganz so viel Säure. Sie sind also milder und glänzen gerne mal mit exotischen Noten.

Glas mit Sancerre vor einem Weingarten im Herbst
Sancerre und Sauvignon Blanc gehören einfach zusammen. ©Kristie Marcelle/iStock

Neuseeland: Willkommen im Frucht-Paradies!

Ob nun Loire oder Bordeaux: Frankreich ist auf jeden Fall die Heimat von Sauvignon Blanc. Und das Land ist mit 28.100 Hektar auch Spitzenreiter in Sachen Rebfläche. Weltweit wird Sauvignon Blanc übrigens auf gut 137.000 Hektar angebaut. Bei den weißen Trauben ist die Rebsorte damit auf Platz zwei – direkt hinter Chardonnay (200.000 Hektar). Generell ist zu beobachten, dass die Rebflächen nach wie vor wachsen. Sauvignon Blanc ist damit auch noch eine eindeutige Trend-Rebsorte.

Besonders krass ist diese Entwicklung übrigens in Neuseeland zu sehen. In den 1990er-Jahren waren hier gerade einmal 2.000 Hektar mit der Rebsorte bestockt. Und das, obwohl sich dank des Erfolgs von Cloudy Bay der Sauvignon-Blanc-Hype bereits seit den 1980ern von Marlborough aus im ganzen Land ausbreitete. Heute kommt Neuseeland auf 20.500 Hektar Rebfläche – und ist damit im weltweiten Vergleich auf Platz zwei. Einen typischen neuseeländischen Sauvignon Blanc erkennt man eigentlich sofort. Er brilliert mit vielen exotischen Noten im Glas. Manche Varianten sind allerdings auch sehr extrem. Stichwort Katzenpipi. Hier wurde dann in die andere Richtung eindeutig übertrieben. Aber was heißt da eigentlich übertrieben? Es gibt schließlich genügend Menschen, die diese exaltierte Stilistik kräftig feiern. Also hat auch Katzenpipi-Sauvignon seine Daseinsberechtigung.

Weinberge in Marlborough Neuseeland
Willkommen in Marlborough! Von hier aus verbreitete sich die Rebsorte in ganz Neuseeland. © Uwe Moser/iStock

Sauvignon Blanc aus Österreich und Deutschland

Wenn Loire und Marlborough die beiden Enden des Sauvignon-Blanc-Geschmacksspektrums sind, dann bildet die österreichische Südsteiermark wahrscheinlich die Mitte. Je nach Weingut dominieren mal grasige, mal fruchtige Noten. Was aber nichts daran ändert, dass man einen Sauvignon Blanc von hier ganz gut an der Verbindung von Zitrusnoten und mineralischem Touch erkennt. Auch findet man hier gerne Kräuter und Senfkörner im Aromensprektrum. Sauvignon-Weine aus dem Burgenland oder Carnuntum sind hingegen eindeutig fruchtiger und nicht ganz so karg.

Ähnliches gilt dann auch für Deutschland. Hier dominieren gerne mal fruchtige Maracuja-Anklänge. Wobei es auch wunderschöne mineralische Exemplare vom Terrarossa-Boden in Rheinhessen gibt. Zum Beispiel von Gesine Roll, die nicht ohne Grund den Beinamen “Sauvignon-Queen Deutschlands” trägt. Auch auf Gipskeuper bringt die Rebsorte eine interessante, weil sehr würzige und kräftige und dennoch elegante und feingliedrige Stilistik hervor. Wie etwa bei Paul Weltner in Franken. Und um die Größenverhältnisse auch hier fortzuführen: In Österreich sind 1.250 Hektar mit Sauvignon Blanc bestockt – in Deutschland sind es etwa 1.500 Hektar. Tendenz steigend.

Weinberge mit Sauvignon Blanc in der österreichischen Südsteiermark in der Abendsonne
In der Südsteiermark schlägt Sauvignon Blanc die Brücke zwischen Loire und Neuseeland. © ÖWM/Robert Herbst

Übersee: Vereinigte Staaten und Chile

Aber lass uns nochmal einen ausführlichen Blick gen Übersee werfen. Und zwar in die Vereinigten Staaten. In Kalifornien, in Sonoma und im Napa Valley um genau zu sein, entstehen nämlich auch einige sehr spezielle Gewächse. Der Hype rund um Sauvignon Blanc nahm dort in den 1960er-Jahren seinen Anfang, als vor allem Gewächse von der Loire das Land eroberten. Vor allem Weine aus Pouilly-Fumé mit ihrem rauchigen Aroma waren in den Vereinigten Staaten ein großer Hit. Von dem Kuchen wollten dann auch die amerikanischen Winzer etwas abhaben. Allen voran Robert Mondavi, der seinen Sauvignon Barriques ausbaute. Das Ergebnis war ein Wein, der dann nichts mehr von dem stahligen Mineralik eines Pouilly-Fumé zu tun hatte, sondern einer, der weich und cremig war. Trotzdem nannte Mondavi seine Kreation Fumé Blanc, um wenigsten dem Namen nach eine Brücke gen Loire zu schlagen. Was soll ich sagen? Dieser Marketing-Trick funktionierte bestens!

Während in den Vereinigten Staaten etwa 6.700 Hektar mit Sauvignon Blanc bestockt sind, umfasst die Rebfläche in Chile sogar 15.000 Hektar! Die Epizentren sind ganz klar San Antonio und Casablanca. Hier entstehen Gewächse mit Anklängen von grünem Apfel und exotischen Früchten. Also ein Mischung der beiden Hauptstilistiken. Manchmal bauen die Winzer ihre Weine auch im Holz aus, sodass sie etwas fülliger daherkommen. In Südafrika hingegen stammen die besten Sauvignon Blancs aus kühleren Lagen. Auch hier dominiert der grüne Apfel die Nase. Allerdings flankiert von Zitrusanklängen und einem Kräuter-Touch. Die Anbaufläche beträgt hier ungefähr 9.200 Hektar.

Blick auf Weinberge mit Sauvignon Blanc in Sonoma Kalifornien bei Abendlicht
Auch im kalifornischen Sonoma findet man Sauvignon Blanc. © Karen Wibbs/iStock

Sauvignon Blanc und der Rest der Welt

Hui, jetzt haben wir aber einen ganz schönen Ritt einmal um den Globus gemacht! Und viele Länder sind hier gar nicht aufgetaucht. Sauvignon Blanc findet man schließlich auch in Spanien (vor allem Rueda), Rumänien, Ungarn, Argentinien oder in Australien (Top-Regionen sind hier vor allem Adelaide Hills und Margaret River). Aber auch so ist die stilistische Bandbreite schon echt beeindruckend. Und dabei handelte es sich ja nur um die allgemeinen Stilistiken! Natürlich gibt es noch ganz, ganz viele andere Ausprägungen. Schließlich haben die Winzer unzählige Möglichkeiten, um den Geschmack zu beeinflussen. Und dann sind da ja auch noch all die unterschiedlichen Klimabedingungen und Böden.

Lehm, Kalk und einen steinigen Untergrund hat die Rebsorte übrigens am liebsten. Da die Beeren sehr dicht beieinander sitzen, mag es Sauvignon Blanc nicht gerne allzu feucht. Denn sie ist recht anfällig für Falschen Mehltau. Ansonsten ist sie aber recht robust. Und wuchskräftig. Dementsprechend profitiert sie von einer peniblen Ertragsreduktion. Ach ja, und wenn du mal jemanden erzählen hörst, dass die Eltern von Sauvignon Blanc die beiden Rebsorten Savagnin Blanc (hierzulande auch als Traminer bekannt) und Chenin Blanc sind, dann ist das tatsächlich nur zur Hälfte richtig. Beziehungsweise veraltet. Bei Savagnin Blanc sind sich die Rebsortenforscher sicher. Chenin Blanc wurde inzwischen allerdings als Schwester und nicht als Elternteil identifiziert. Ein Elternteil ist also derzeit unbekannt, auch wenn es Spekulationen gibt, dass es sich um eine Wildrebe handeln könnte. Mal schauen, was da in Zukunft noch so kommt.

Copyright Titelbild: © bbbrrn/iStock

*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine eigene Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen Service-Zwecken.

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