Porträt des Winzers Paul Weltner aus Franken

Paul Weltner und seine unvergleichlichen Terroir-Weine

Immer wieder reden wir Weinliebhaber von “eigenständigen Gewächsen”, wenn es um besondere Weine geht, die auffallen. Durch was auch immer. Und dann vergleichen wir sie doch nur wieder mit anderen Gewächsen. So viel zur Eigenständigkeit. Tja, und dann gibt’s da eben noch die Weine des fränkischen Winzers Paul Weltner, die sich tatsächlich nicht vergleichen lassen.

Wenn man im Marketing mit Adjektiven wie “unvergleichlich” oder “unverwechselbar” um sich schmeißt, dann greift man ziemlich hoch in die Klischee-Klaviatur. Genau so etwas wirkt dann schnell plakativ. Und unglaubwürdig. Zum Glück geht’s hier aber nicht um Marketing. Sondern um Wein an sich. Und die Menschen, die Wein machen. Nun gibt es in der Weinwelt aber halt auch abgedroschene Phrasen. So etwas wie “eigenständige Gewächse” zum Beispiel.

Machen wir uns nichts vor. Solange ein Wein nicht komplett industriell ist und der Winzer einigermaßen Wert auf den Ausdruck des Terroirs legt, ist ein Wein per se eigenständig. Was uns nicht davon abhält, dann doch zu vergleichen. Und natürlich finden wir meistens auch das passende Pendant. Womit wir jetzt dann wieder beim Kampfbegriff der Unvergleichbarkeit wären. Der eigentlich gar kein Kampfbegriff ist, sondern von der Werbung nur zu einem gemacht wurde. Denn letztlich geht es ja nur darum, dass man etwas nicht vergleichen kann. Weil eigenständig und so. Womit sich nicht nur der Kreis schließt, sondern wir auch endlich beim Winzer Paul Weltner und seinen Weinen wären.

Weinberge im fränkischen Rödelsee
Oh, du schönes Rödelsee! © AK/Bottled Grapes

Paul Weltner: Terroir vor Rebsorte

Denn die lassen sich wirklich nicht mit anderen Gewächsen vergleichen. Glaub’ mir, ich hab’s versucht. Schließlich habe auch ich meine Schubladen. Es ist mir nur nicht gelungen. Und deswegen bleibe ich jetzt einfach nahe dran an den Weinen. Wobei das tatsächlich schwierig ist. Wenn die Distanz fehlt, ist es tricky, die richtigen Worte zu finden. Paul Weltner scheint es da ähnlich zu gehen. Denn wenn der dunkelblonde Hüne mit markigem Dreitagebart, dessen blaue Augen unter den verstrubbelten Haaren fast ständig schelmisch zu lächeln scheinen, über seine Weine sprechen soll, dann können auch ihm schon mal die Worte etwas scheu aus dem Mund purzeln. Erkläre mal einem Außenstehenden das, was dich ganz tief in dir brennen lässt! Eben!

Wobei er sich, wenn es um sein übergeordnetes Streben geht, nicht präziser und nachdrücklicher ausdrücken könnte. Feinheit, Brillanz, Eleganz. Das macht Weltners Weine aus. Und Terroir vor Rebsorte. Da mag er in der Weinwelt noch so häufig “Mister Silvaner” genannt werden. Entschuldigung. Sylvaner. Paul Weltner legt Wert auf Tradition. Deswegen führte er die Y-Schreibweise bei seinen Sylvanern ein, bevor das überhaupt offiziell Silvaner-Synonym wurde. Das gab durchaus Ärger. Aber das scherte den Winzer nicht. Wenn es um seine Prinzipien geht, dann kann er schon stur sein. 

Frau hält Bocksbeutel mit dem Sylvaner Hoheleite vom Weingut Weltner in die Kamera
Y-Sylvaner! © AK/Bottled Grapes

Willkommen im Sylvaner-Wunderland!

Also Sylvaner. Die urfränkische Rebsorte, die aber trotzdem aus Österreich stammt, macht bei Weltner satte 60 Prozent aus. Und satt ist hier das komplett falsche Wort. Denn ob nun die Sylvaner Reserve (Ortswein), die Erste Lage aus dem Küchenmeister, dem Julius-Echter-Berg oder der Schwanleite – oder eben das Grosse Gewächs Hoheleite – Paul Weltners Sylvaner sind alles andere als satt. Was ja schnell mit träge oder fett assoziiert werden kann. Tatsächlich sind seine Sylvaner in allen Qualitätsstufen das genaue Gegenteil. Womit wir wieder bei Feinheit, Brillanz und Eleganz wären. Den drei Säulen in Weltners Weinweinwelt.

Das beginnt bereits beim Ortswein, der mit fein-fruchtigen und zitrischen Noten auftrumpft. Ja, er ist etwas breiter und gefälliger als die Lagen-Sylvaner. Aber eben trotzdem elegant und mit hintergründiger Würze, die im beeindruckend langen Abgang noch lange nachhallt. Was übrigens nicht nur für die 2022er-Edition gilt, sondern auch für den Jahrgang 2014, den der Winzer aktuell auch noch in kleinen Mengen anbietet. Hier löst der gereifte Wein dann das Potenzial ein, das der Jungspund verspricht. Alles Breite ist verschwunden, eine hintergründige Phenolik macht die Würze zart, hier ist alles fein und filigran und trotzdem deutlich wahrnehmbar. Und das Mundgefühl wird hier noch zentraler.

Winzer Paul Weltner in einem seiner Weingärten in Franken
Macht mir hier gerade den Erklär-Bär: Winzer Paul Weltner. © AK/Bottled Grapes

Wenn Mundgefühl alles ist

Genau dieses Mundgefühl sorgt übrigens für die Unvergleichbarkeit von Paul Weltners Weinen. Ja, sie sind alle elegant und faszinierend feinsinnig und hintergründig. Man kann hier schier endlos in einer filigranen Aromenwelt schwelgen, die höchst unterschiedlich ist. Aber es ist diese deutliche Zartheit, diese frische Seidigkeit, die immer und ständig am Gaumen präsent ist, wenn man es mit Weltners Weinen zu tun hat. Das sind Kontraste, die noch einmal zusätzlich Spannung reinbringen, sodass die Gewächse fast schon vibrieren, dabei aber vollkommen in sich ruhen. Ha! Der Überkontrast sozusagen! Und genau dieses Gesamtpaket, das alle Gewächse eint, macht Weltners Weine eben tatsächlich unvergleichlich.

Bleiben wir ruhig noch etwas bei diesem Mundgefühl. Meistens wird genau das bei Weißweinen ja nur beachtet, wenn es besonders cremig oder buttrig oder viskos ist. Sprich: wenn da biologischer Säureabbau und/oder Holz mit im Spiel gewesen sind. Oder halt ein extra langes Hefelager. Oder alles davon.

Gut, das extra lange Lager auf der Feinhefe mag der ein oder andere Sylvaner durchaus haben. Aber Weltner mazeriert nicht übermäßig. Und mit Holz erschlägt er seine Gewächse auch nicht. Aufgepumpte Weine, deren Frucht einem entgegenbrüllt, wie es derzeit so gerne getrunken wird, sind nichts für ihn. Aber Moden oder gar Trends verweigert sich der Winzer eh. Zwar schaut er ständig nach rechts und links und nimmt wahr, was so um ihn herum passiert. Letztlich zieht er aber konsequent sein eigenes Ding durch. Inspiration? Ja, bitte! Aber einfach übernehmen oder kopieren ist nicht Weltners Sache. Da muss schon was Eigenes dabei herauskommen.

Winzer im Weingarten mit einem Klumpen Gipskeuper in den Händen
Das Fundament (fast) aller Weine: Gipskeuper. © NK/Bottled Grapes

Noch mehr Sylvaner von Paul Weltner

Womit wir wieder bei seinen Y-Sylvanern wären. Denn was in der Basis anfängt, setzt sich bei den Lagen verstärkt fort. Da wäre der Sylvaner Küchenmeister. Weltners Bestseller vom Gipskeuperboden. Ein Wein, der Feinheit auf die Spitze treibt. In jungen Jahren tänzelt er mit seiner Würze eher am Gaumen. Bekommt man aber gereifte Jahrgänge wie 2016 oder 2014 ins Glas, dann kann einen die feine Präzision und die ruhige Eleganz schon einmal spontan niederknien lassen. Mir ging’s zumindest so. Und dann die Schwanleite! Ein charmanter Sylvaner. Aber eben auch mit Rückgrat. Wobei mein Liebling ja tatsächlich das Grosse Gewächs ist. Hallo, Hoheleite! Auch hier findet man viel charmante Eleganz. Aber eben auch eine vielschichtige Würze, die einem Schluck um Schluck immer wieder eine neue Geschichte erzählt.

Nicht minder beeindruckend ist allerdings der Sylvaner aus dem Julius-Echter-Berg. Die Steillage mit reiner Südausrichtung heizt sich im Sommer kräftig auf. Und der Gipskeuper speichert diese Wärme noch zusätzlich. Von hier stammen vor allem Weine, die vor Kraft nur so strotzen. Und die oft auch ziemlich laut sind. Und der Sylvaner von Paul Weltner? Klar, auch der hat Kraft. Aber mit der posiert er nicht. Da ist nichts laut, nichts vordergründig, nichts überbordend. Sondern konsequent kühl und elegant, mit einer steinigen Nase und vielen herben Noten. Ein ebenso leiser wie eindringlicher Sylvaner.

Grosse Lage Julius-Echter-Berg in Franken
Willkommen in der Grossen Lage Julius-Echter-Berg. © AK/Bottled Grapes

Von Bocksbeuteln und Schraubverschlüssen

Alle Sylvaner kommen übrigens, wie es sich für einen Traditionalisten wie Paul Weltner halt gehört, im klassischen Bocksbeutel daher. Allerdings mit Schraubverschluss. Gerade wenn die Betonung immer so auf Tradition liegt, darf man ja schon einmal über die Schraubverschlüsse stolpern. So wie ich eben.

Die hat Paul Weltner vor 20 Jahren ganz bewusst eingeführt, weil ihm damals die Qualität der Korken nicht gefallen hat, wie er selbst betont: “Mir ging es damals um die schleichenden Korken, die meiner Meinung nach über 30 Prozent ausgemacht haben. Ich habe sechs Flaschen aufgemacht und mindestens vier verschiedene Weine gehabt.” Diese Art von Beeinflussung war nichts für ihn. Missen möchte er die Schrauber daher nicht mehr.

Muschelkalk im Weingarten in einer Nahaufnahme
An einigen Stellen findet man rund um den Küchenmeister kommt der Gips auch zum Vorschein. © AK/Bottled Grapes

Weitere Weltner-Weine

Die Bocksbeutel sind aber nicht nur Weltners Sylvanern vorbehalten. Der Winzer füllt generell seine besten Weine darin ab. 60 Prozent seiner zehn Hektar mögen mit Sylvaner bestockt sein, aber es gibt halt auch noch Weißburgunder und Chardonnay, Riesling und Spätburgunder. Und natürlich Scheurebe und Sauvignon Blanc. Letztgenannte Rebsorte pflanzte Weltner 1999 übrigens persönlich in den Küchenmeister. Ideales Terroir und so. Dabei stieg er erst 2000 in den elterlichen Betrieb ein, den er dann 2005 final übernahm. Weltners Sauvignon Blanc ist ein mineralisches Wunderwerk. Nicht so grasig wie die Pendants von der Loire, nicht so fruchtig-opulent wie neuseeländische Vertreter. Aber auch nicht typisch herb wie aus der Südsteiermark. Unvergleichlich eben.

Und einen Vergleich mit der Scheurebe möchte Paul Weltner bitteschön auch nicht haben. Das sind halt zwei eigenständige Rebsorten. Wenn man dann seine Scheurebe aus der Schwanleite im Glas hat, mag man aber auch gar nicht mehr vergleichen. Mineralisch-salzige und kräutrige Noten spielen hier die Hauptrolle. Klar, Frucht ist auch da. Schwarze Johannisbeere zum Beispiel. Aber der Wein ist weit entfernt von dieser überbordenden Fruchtkorbgedönsmentalität, die man sonst so in der Scheurebe findet. Auch hier ist alles höchst präzise und klar, elegant und fein, eigen und lang nachhallend. Wie sollte es auch sonst bei Paul Weltner sein!

Scheurebe Rödelseer Schwanleite alte Reben im Bocksbeutel
Was für eine unvergleichliche Scheurebe! © NK/Bottled Grapes

Paul Weltner und seine Reben

Dass der Winzer selbst noch Parzellen komplett neu bestockt, ist übrigens eher eine Seltenheit. Denn die Reben seiner Ersten Lagen wurden in den 1960er- und Anfang der 1980er-Jahre gepflanzt. Was für ein großer Schatz an alten Reben! Den gilt es natürlich dann auch dementsprechend zu pflegen. Für Paul Weltner eine Selbstverständlichkeit. Mehr als seine zehn Hektar möchte er nicht bewirtschaften. Denn er will so viel wie möglich selbst machen. Bis zu 15 Mal im Jahr arbeitet er an jeder einzelnen seiner Reben!

Und Pflanzenschutz ist bei ihm natürlich auch Chefsache. Schließlich kennt niemand seine Reben so gut wie er selbst. Da bekommt das Adjektiv naturnah plötzlich eine ganz andere Dimension. Aber eine andere Dimension bekommt eigentlich so ziemlich alles, wenn man sich mit der Weinwelt von Paul Weltner beschäftigt. Mir geht es jedenfalls so. Und zwar immer wieder.

Copyright Titelbild: © AK/Bottled Grapes

Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er spiegelt meine persönliche Meinung wider und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen alleine Servicezwecken.

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