Beaujolais Nouveau: Bitte nicht gleich die Wein-Nase rümpfen!
Pünktlich am dritten Donnerstag im November heißt es wieder “le Beaujolais Nouveau est arrivé” – der neue Beaujolais ist da! Zugegeben, seinen Beliebtheitshöhepunkt hat der Beaujolais Nouveau schon längst überschritten. Aber er war halt mal heiß begehrt – und findet auch heute noch viele Liebhaber. Schauen wir uns Aufstieg und Fall dieses fruchtigen Rotweins mal an
Seinen Höhepunkt hatte der Beaujolais Nouveau ohne Frage in den 1980er-Jahren. Damals war Winzer Georges Dubœuf mit seinen Parties und Events, die er rund um den ebenso einfachen wie charmanten Jungwein aus der roten Rebsorte Gamay weltweit in der High Society veranstaltete, ein großer Star. Und natürlich DAS Aushängeschild für Beaujolais Nouveau, den man übrigens auch unter dem Namen Beaujolais Primeur kennt. Die Massen rissen sich um den Wein – das Gehabe um den dritten Donnerstag im November, wenn er auf den Markt kam, war beeindruckend. Auch heute noch startet der Verkauf um Punkt Mitternacht am dritten November-Donnerstag. Allerdings ist der weltweite Ruf “le Beaujolais Nouveau est arrivé” nicht mehr ganz so laut zu hören.
Tatsächlich rümpft die Weinwelt inzwischen eher die Nase, wenn es um den Beaujolais Nouveau geht. Ein “Lollipop-Wein” sei er, der mittels “Kohlensäure-Masturbation” entsteht. Was ja auch irgendwie zutrifft. Im Beaujolais bereiten die Winzer ihre Rotweine nach wie vor mittels Kohlensäuremaischung. Was das genau ist, kannst du in meinem Artikel über die Rebsorte Gamay nachlesen. Nur braucht diese Kohlensäuremaischung auch etwas Zeit – und die hat man für einen Beaujolais Nouveau nicht. Also helfen die Winzer halt nach und schalten so bei der Vinifikation den Turbo ein, damit der Wein nach der Lese so schnell wie möglich fertig ist.
Das Ergebnis ist ein Tropfen mit wenig Tannin, viel Säure und einer sehr vordergründigen Fruchtigkeit, geprägt von Himbeere, Kirsche und Brombeere – und mit Veilchen untermalt. Hinzu kommen dann aber auch noch Anklänge von Banane, Eisbonbon oder Kaugummi. Im schlimmsten Fall ist auch eine deutliche Note Nagellack wahrnehmbar. Alles Aromen, die entstehen, wenn der Wein bei sehr niedrigen Temperaturen vergärt. Lollipop-Wein ist da also gar nicht so weit hergeholt.
Beaujolais Nouveau und die Ausnahme vom französischen Weingesetz
Mit den Cru-Gewächsen aus der Region hat ein Beaujolais Nouveau also mal so gar nichts zu tun. Das ist aber auch gar nicht der Anspruch des Weins! Ursprünglich wurde er eh nur gemacht, damit die Helfer nach der Lese direkt einen schlichten Wein genießen und nach der anstrengenden Arbeit wieder zu Kräften kommen konnten. Bis zum Zweiten Weltkrieg genoss man den Jungwein dementsprechend ausschließlich regional. Erst als das Beaujolais offiziell den Appellationsstatus erhielt, sprach sich der Primeur, wie man ihn damals schlicht nannte, herum.
Primeur. Der Erste. In diesem Fall: der erste Wein. Das war und ist jetzt kein Alleinstellungsmerkmal für das Beaujolais. Auch andere französische Weinanbaugebiete haben Primeur-Weine. Oder auch Regionen aus anderen Ländern, wie zum Beispiel das österreichische Carnuntum. Also Gewächse, die bereits im Jahr ihrer Lese fertig sind – allerdings erst im Folgejahr verkauft werden dürfen. Jedenfalls war das bis 1951 so. Denn am 13. November 1951 erstritten sich die Winzer des Beaujolais eine Ausnahmegenehmigung vom französischen Weinrecht. 15 Jahre lang durften sie ihren Beaujolais Nouveau offiziell ab dem 15. Dezember des Lesejahres auf den Markt bringen. Ein Verkaufsprivileg, das vorher in Frankreich keinem anderen Primeur-Wein zuteil wurde! Aber es kommt noch besser! Denn 1967 durfte man den Erstverkaufstag auf den 15. November des Lesejahres vorverlegen. Seit 1985 gibt es die bis heute gültige Regelung, dass der Verkauf von Beaujolais Nouveau am dritten Donnerstag im November startet.
Aufstieg und Fall des Primeur-Weins
Dass der Verkaufsbeginn derart vorgezogen wurde, lag damals an der enormen Popularität des Beaujolais Nouveaus. Danke, Georges Dubœuf (1933 bis 2020). Der Winzer setzte ab 1953 Himmel und Hölle in Bewegung, um den Beaujolais Primeur in der Welt bekannt zu machen. Eine Party jagte die nächste, der Mann redete sich in Interviews den Mund fusselig und jettete um die Welt. Beaujolais Nouveau hatte dank seiner Bemühungen plötzlich einen unglaublichen Glamour-Faktor. Und ja, auch Gérard Canard (1935 bis 2009), seines Zeichens Präsident des Beaujolais-Weinproduzenten-Verbands, hatte damals kräftig seine Finger mit im Spiel. Aber Dubœuf war und ist nun einmal DAS Gesicht der erfolgreichen Beaujolais-Nouveau-Kampagne. Selbst über seinen Tod hinaus.
Wobei auch Dubœuf noch mitbekommen hat, wie der Beaujolais-Primeur-Stern zu sinken begann. Mit den Winzern Marcel Lapierre, Jean Foillard, Jean-Paul Thévenet und Guy Breton formte sich in den 1990er-Jahren eine Gegenbewegung. Die vier Pioniere wollten nicht nur Naturwein machen (also das genaue Gegenteil von dem im Keller hoch manipulierten Beaujolais Nouveau), sondern auch noch die Herkunft im Wein schmeckbar machen. Genau diese spielt beim Primeur aus dem Beaujolais ja nun auch nicht unbedingt eine Rolle. Andere Winzer folgten dem Beispiel. Wobei jetzt nicht alle Vignerons direkt auf die Crus im Beaujolais setzten. Auch die Beaujolais Villages wurden quasi reanimiert. Und der Beaujolais Nouveau geriet immer mehr ins Hintertreffen.
Still alive: Beaujolais Nouveau
Dieses Schattendasein führt der Wein auch heute noch. Jedenfalls offiziell. Das laute Getöse rund um den dritten Donnerstag im November ist außerhalb Frankreichs kaum noch zu hören. Dafür findet in den sozialen Medien seit ein paar Jahren eine Gegenbewegung immer mehr Aufmerksamkeit. Denn Influencer nutzen den dritten November-Donnerstag, um ihren Lieblings-Cru aus dem Beaujolais vorzustellen. Der arme Nouveau! Wobei er ja eigentlich gar nicht so arm dran, wenn man mal genauer hinschaut. Er glänzt halt nur nicht mehr so. Jahr für Jahr produzieren die Winzer ja trotzdem noch etwa 60 Millionen Flaschen Beaujolais – und 50 Prozent davon finden ihren Weg in die Länder dieser Welt.
Und nach wie vor gibt es am Mittwoch vor dem dritten Donnerstag im November in Beaujeu ein großes Fest mit Fackelzug, Galadinner und Tänzen, bei dem um Mitternacht dann der erste Abstich, der “Mise en Perce” erfolgt, der den Verkauf des neuen Nouveau-Jahrgangs dann offiziell einläutet. Ein wenig Trubel gibt es also schon noch.
Beaujolais Nouveau: Ein Liebesgeständnis
Und unter uns: Der Ruf mag zwar ruiniert sein – und der Wein selbst auch wahrlich nicht groß -, aber ich freue mich auch dieses Jahr wieder auf Ende November und den Beaujolais Nouveau. Ich liebe Weine mit Charakter und Ecken und Kanten, möchte manchmal aber einfach nur einen fruchtigen Charmeur im Glas haben. Und weil ich eh Gamay-Fangirl bin, bietet sich ein Beaujolais Nouveau da einfach an. Leicht gekühlt bei 14 °C genieße ich ihn im Herbst und Winter vor allem gerne mal zu Rosenkohl, Lasagne oder aber zu Käse in fast allen Variationen. Es muss ja nicht immer ein Cru-Gewächs sein!
Einen kleinen Tipp habe ich dann aber doch noch, falls auch du es (noch einmal) mit einem Beaujolais Nouveau versuchen möchtest: Der Wein ist nicht für die Ewigkeit bestimmt. Er sollte innerhalb eines Jahres genossen werden, weil er sich einfach nicht zum Lagern eignet. Also bitte nicht direkt für die nächsten Jahre damit eindecken, was bei dem in der Regel niedrigen Preis ja durchaus machbar wäre, sondern lieber nach und nach kaufen, wenn du daran Gefallen finden solltest. 😉
Copyright Titelbild: © Viktoriia Lange/iStock
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