Winzerehepaar Johannes und Martina Gross im Weingarten

Weingut Gross: Südsteirische Herkunft erschmecken

Vor über hundert Jahren wurde der Grundstock für das Weingut Gross gesetzt, das sich an den Hängen der Riede Nussberg in der Südsteiermark anschmiegt. Inzwischen wird der Familienbetrieb von Johannes Gross und seiner Frau Martina geführt. Ein Ausflug in die umsichtige Welt des jungen Winzers.

Wenn ich einen Text schreibe, dann weiß ich immer ganz genau, wann ich was sagen möchte. Berufskrankheit. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und das Weingut Gross aus der Südsteiermark ist eine solche. Denn hier gibt es derart viele und unterschiedliche und vor allem spannende Geschichten zu erzählen, dass ich am liebsten gleich mit allem herausplatzen möchte. Versuchen wir also, alles mal ein wenig zu ordnen.

Womit wir erst einmal im Jahr 1907 wären. Damals kaufte Heinrich Gross nämlich einen Weingarten am Witscheiner Herrenberg. Damit waren die Anfänge gemacht. Auch wenn die Familie noch lange Zeit eine gemischte Landwirtschaft hatte und erst Alois Gross und seine Frau Ulrike Anfang der 1980er-Jahre auf reinen Weinbau im Betrieb umstellten. Wobei auch in der Zwischenzeit viel Interessantes passiert ist. Und das hängt mit eben jenem Witscheiner Herrenberg zusammen. Lasst mich also erst einmal diese Geschichte erzählen.

“Historischer Doppelbesitz”: Witscheiner Herrenberg

1907 lag der Witscheiner Herrenberg auf österreichischem Boden. Das änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg, als die Lage dann zu Slowenien gehörte. Das Weingut Gross durfte seine Rebfläche aber trotzdem weiter bewirtschaften. Ein großes Glück, denn immerhin ist das Terroir hier grandios: Karger Kalkmergel mit vielen eingeschlossenen Kalksteinen dominiert den Boden. Mit einer Hangneigung von bis zu 60 Prozent liegen die steilen Flächen südöstlich auf einer Höhe zwischen 415 und 465 Metern. Die Rebstöcke bekommen schon sehr früh am Morgen Sonne. Abends kühlt die Riede aufgrund der Orientierung Richtung Osten schnell ab. Die Trauben reifen dementsprechend spät.

Ausblick auf die Weingärten vom Weingut Gross in der Südsteiermark.
Was für ein herrlicher Ausblick! ©Lupi Spuma/Weingut Gross

Im Jahr 1945 folgte ein vinophiler Super-GAU: Enteignung durch das kommunistische Jugoslawien! Das Weingut Gross sah die Rebflächen im Witscheiner Herrenberg für immer verloren. Schließlich durfte sich die Familie ja noch nicht mal der Grenze nähern! Durch das Gleichenberger Abkommen 1953 wurde der Weingarten am Witscheiner Herrenberg dann aber mit dem neuen Status “Historischer Doppelbesitz” rückerstattet. Was das bedeutete? Dass die Trauben auf steirischem Boden gekeltert werden durften. Das wiederum gab dem Weingut Gross auch das Recht, “steirischer Qualitätswein” auf das Etikett zu schreiben. Zumindest bis 2018. Denn ein neues EU-Gesetz erlaubte die Herkunftsbezeichnung nicht mehr, sehr wohl aber den “Historischen Doppelbesitz”. Bürokratie!

Weingut Gross: Wo jede Rebe einen ganz bestimmten Platz hat

Soviel zur Geschichte mit dem Witscheiner Herrenberg. Kommen wir zum Weingut Gross an sich. Wie bereits erwähnt, stellte Alois Gross in den 1980er-Jahren auf reinen Weinbau um. Und legte zugleich die Philosophie fest. Nämlich, dass man in seinen Weinen die Herkunft erschmecken sollte. Das bedeutete vor allem akribische Detailarbeit. Welche Lage ist für welche Rebsorte ideal? Denn auch wenn man mit der Südsteiermark automatisch Sauvignon Blanc verbindet, gedeihen auf den 45 Hektar auch Weißburgunder, Welschriesling und Gelber Muskateller.

Mit viel Sorgfalt und Bedacht fand Alois Gross heraus, welcher Boden und welches Mikroklima zu welcher Rebsorte passte. Eine ungeheure Arbeit. Schließlich sind die Böden extrem unterschiedlich. Kalksandstein, Opok, Lehm, Sand, Schiefer – alles dabei. Ähnlich sieht es auch mit den Mikroklimata aus. Was sie eint, sind natürlich die leicht verregneten Sommermonate sowie die krassen Temperaturunterschiede, die man in der Südsteiermark so vorfindet.

Die nächste Generation übernimmt

Die akribische Herkunftsarbeit von Alois Gross schlug sich schnell in der Qualität der Weine nieder. Und im Renommee. 1991 wurde er zum Beispiel vom Falstaff zum “Winzer des Jahres” gekürt. Wobei um solche Auszeichnung auf dem Weingut Gross nie viel Wirbel gemacht wurde. Die Weine sollten und sollen für sich sprechen. Und das können sie eben nur durch ebenso harte wie gewissenhafte Arbeit. Diese Einstellung gab Alois Gross auch seinen beiden Söhnen Johannes und Michael mit auf den Weg. Johannes Gross übernahm 2006 den Keller – und nur wenige Jahre später zusammen mit seinem Bruder das Weingut selbst. Da waren die beiden gerade einmal 21 und 19 Jahre alt.

Winzer Johannes Gross im Weingarten
Johannes Gross im Weingarten ©Moodly

Auch das war wieder eine sehr bewusste und durchdachte Aktion des Vaters. Der der Meinung war, dass es jedem Menschen gut tut, wenn er in jungen Jahren große Entscheidungen treffen muss. Und das taten die beiden auch. Wobei sie aber erst einmal die übergroßen Fußstapfen ihres Vaters ausfüllten. Zehn Jahre lang arbeiteten Johannes und Michael Gross mit ihren Frauen Martina und Maria (übrigens auch beides Schwestern) eng zusammen.

Das Weingut Gross und seine Philosophie

Gemeinsam setzten sie weiterhin verstärkt auf Handarbeit und entwickelten ihre eigene Philosophie. Nämlich dass Böden und Klima für das Naturell eines Weins verantwortlich ist, seine Herkunft allerdings im Keller interpretiert wird. Was jetzt nicht bedeutet, dass dort ganz tief in die Winzertrickkiste gegriffen wird. Im Gegenteil! “Sich über die Natur zu stellen und Weine industriell zu fertigen, ist nicht mit unseren Grundsätzen vereinbar”, betont Johannes Gross. Es geht im Keller viel mehr darum, welche Lage wie ausgebaut wird und wieviel Zeit der jeweilige Wein benötigt, um sein volles Potenzial zu entfalten. Und das fernab von irgendwelchen Dogmen.

Inzwischen wird das Weingut Gross allerdings nur noch von Johannes und seiner Frau Martina geführt. Denn Michael und Maria haben in Slowenien mit Vino Gross ihr eigenes Weingut. Trotzdem sind die Familienbande nach wie vor sehr stark. Und zwar so stark, dass die Brüder mit Gross & Gross ein gemeinsames Projekt ins Leben gerufen haben. Aber das sind wiederum zwei eigenständige Geschichten, die ich ein anderes Mal erzählen werde.

Weinschätze aus dem Archiv

Kommen wir wieder zurück zum Weingut Gross an sich. Denn hier gibt es noch eine ganz besondere Geschichte. Nämlich das Archiv. Bereits Vater Alois Gross liebte es, die eigenen Weine am Höhepunkt ihres Könnens zu genießen. Sprich: gereift. Deswegen begann er, von den Lagen-Weine immer wieder welche zurückzulegen. Diese Tradition führte Johannes Gross zunächst mit seinem Bruder und dann eben alleine fort. Bis zur Nebukadnezar sind hier alle Flaschengrößen vertreten – und können von Besuchern bewundert werden – und inzwischen auch getrunken.

Wein-Archiv des Weinguts Gross in Österreich.
Im Archiv warten wahre Schätze auf den punktgenauen Genuss ©Lupi Spuma/Weingut Gross

“Wir lieben unsere Weine – besonders nach ein paar Jahren Lagerung. Durch den Bau unseres Archives haben wir die Möglichkeit, das nicht nur für uns selbst zu machen, sondern das auch unseren Kunden anzubieten”, verrät Johannes Gross. Ein ganz besonderer Service, den viele Kunden zu schätzen wissen, denn schließlich hat nicht jeder Weinliebhaber die Möglichkeit, selbst jahrelang Weinflaschen korrekt zu lagern – vor allem nicht in der Großstadt.

Beim Weingut Gross stehen die Weine im Mittelpunkt

Jetzt habe ich soviel über die Menschen des Weinguts Gross geschrieben – aber kaum über die Weine selbst. Ihr mögt es mir bitte nachsehen. Es ist eine bewusste Entscheidung. Denn Johannes Gross zeichnet eine sehr große Bescheidenheit aus – wie übrigens alle Familienmitglieder. Man selbst nimmt sich nicht so wichtig, die Weine dafür aber umso mehr. Was sehr für den Winzer spricht. Deswegen war es mir persönlich ein Bedürfnis, einmal die Menschen selbst in den Vordergrund zu stellen.

Außerdem ist es auch ein kleiner journalistischer Kniff. Denn ich habe mich einmal quer durch die Rieden-Weine verkostet. Und die sind tatsächlich derart eigenständig (und kraftvoll und dabei doch feingliedrig und subtil und höchst elegant), dass ich einen kleinen Roman über die unterschiedlichen Vorzüge eines jeden Weins schreiben könnte. Das Beste ist aber, dass sie das gar nicht nötig haben! Sie können ihre Geschichte nämlich allesamt prima selbst erzählen. Deswegen: Schaut euch online beim Weingut Gross einfach mal um. Ich kann euch da tatsächlich alle Weine nur von Herzen empfehlen.

Copyright Titelbild: ©Lupi Spuma, Karin Lernbeiß

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er entstand ohne Einfluss des Weinguts Gross und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

2 Kommentare

  1. Bin seit 40 Jahre Kunde und vertreiben die Gross Weine exclusiv in der Schweiz. Kann nur jedes Wort dieses Berichtes bestätigen

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