Alkoholfreier Wein wirft seine Schatten voraus

Alkoholfreier Wein: Vom Trend zur festen Größe?

Auch wenn es viele Menschen aus der Weinbranche oder unter den privaten Weinliebhabern nicht ganz wahrhaben wollen: Alkoholfreier Wein erhält vor allem bei jüngeren Konsumierenden immer mehr Zuspruch. Woran liegt das? Und wie stellt man eigentlich alkoholfreien Wein her? Es folgen ein paar Antworten.

In Deutschland sinkt der Weinkonsum stetig. Das sagen zumindest die Zahlen, die das Deutsche Weininstitut (DWI) in den Statistiken für 2023 und 2024 unlängst veröffentlichte. Darin heißt es: „Die aktuelle Weinkonsumbilanz weist eine Weinmenge von 19,9 Litern pro Kopf auf, im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Rückgang von vier Prozent.“ Nach Einschätzung des DWI sei dies auf die allgemeinen Kaufkraftverluste durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten zurückzuführen sowie auf den demographischen Wandel und einem veränderten gesellschaftlichen Konsumverhalten. Und auch wenn alkoholfreier Wein in den DWI-Statistiken noch nicht explizit aufgeführt wird, braucht man eigentlich nur mal kurz eine Suchmaschine befragen, um zu sehen, dass alkoholfreier Wein stark im Kommen ist.

Genau das prophezeit nämlich auch das Marktforschungsinstitut IWSR aus London, das jährlich eine globale Studie zum Thema alkoholfreie Getränke tätigt. In der Presseerklärung vom 18. Dezember 2023 prognostiziert das Institut bis 2027 ein voraussichtliches Wachstum von fast vier Prozent. Diese vier Prozent sind allerdings nur der Durchschnittswert. In Deutschland könnte es laut IWSR nur zwei Prozent Zuwachs geben – für Japan prognostiziert man hingegen fünf Prozent. Zugleich stellt das Institut fest, dass 2023 jeder fünfte Konsument erstmals eine alkoholfreie Alternative probiert hat.

Flasche mit alkoholfreiem Wein vor einem gelben Hintergrund
Wie sehr liegt alkoholfreier Wein tatsächlich im Trend? © Dariia Chernenko/iStock

Alkoholfreier Wein: Bestimmt das Angebot die Nachfrage?

Zugegeben, das liest sich auf den ersten Blick nicht so, als sei alkoholfreier Wein jetzt der absolute Überflieger. Zumal es da ja auch noch die Nielsen-Studie aus dem Jahr 2020 gibt, die das DWI in Auftrag gegeben hat. Demzufolge liegt der Marktanteil alkoholfreier Weine noch unter einem Prozent. Bei Schaumweinen sind es immerhin fünf Prozent. Die Studie besagt, dass gerade einmal 15 Prozent der 16.883 Befragten alkoholfreien Weißwein kennen. Zwölf Prozent ist alkoholfreier Rotwein bekannt – neun Prozent wissen, dass es entalkoholisierten Roséwein gibt. Bei Schaumwein sieht die Sache schon deutlich besser aus. Denn da wissen 53 Prozent aller Befragten, dass man auch alkoholfreien Sekt erstehen kann. Dass alkoholfreier Wein noch nicht soooo bekannt ist, liegt laut Studie übrigens nicht an den Konsumierenden selbst, sondern dass alkoholfreie Alternativen nur selten angeboten werden.

Gut, seit dem Frühjahr 2020 hat sich da bestimmt einiges getan. Eine neue Studie wäre da wünschenswert. Denn aus eigenen Erfahrungen lassen sich nun einmal keine validen Zahlen ableiten. Wenn ich allerdings mal in Weinhandlungen unterwegs bin, dann erlebe ich es regelmäßig, dass (meist jüngere) Menschen hereinkommen, nach alkoholfreiem Wein fragen und dann wieder enttäuscht von dannen gehen, weil ein solcher nicht im Sortiment ist. Und auch wenn ich für meine Kunden Produkttexte schreibe, kommt mir nur selten alkoholfreier Wein als Thema unter die textenden Finger. Dem gegenüber steht dann eine Studie von YouGov Global Profiles aus 2022, die zeigt, dass 45 Prozent aller Deutschen keinen Alkohol trinken. Bei der GenZ – also dem Nachwuchs, der jetzt gerade so zwischen 18 und 24 Jahre alt ist – sind es sogar 49 Prozent.

Gruppe mit jungen Menschen prostet mit alkoholfreiem Sekt in die Kamera
Vor allem die GenZ kann mit alkoholfreiem Wein viel Spaß haben. © www.deutscheweine.de

Lohnt sich ein Vergleich mit “echtem” Wein?

Du siehst: Die Chancen für alkoholfreien Wein sind da. Nur werden diese halt noch nicht so ganz genutzt. Klar, man kann jetzt argumentieren, dass alkoholfreier Wein ganz anders schmeckt als “echter” Wein. Was ja auch stimmt. Ich habe inzwischen mehr als einen Winzer oder Weinhändler sagen hören, dass das ja auch eigentlich gar kein “echter” Wein sei. Und dass man selbst noch nie einen im Glas gehabt hätte, der einen überzeugt hat. Die Argumente sind immer recht ähnlich. Zu süß, zu wenig Weinaromen, zu charakterlos.

Nun ist es immer recht bequem, von sich auf andere zu schließen. Bei passionierten Weintrinkern mögen die Argumente greifen. Aber das sind prozentual eben nur sehr wenige Menschen. Für Leute, die aus gesundheitlichen Aspekten auf Alkohol verzichten möchten, wäre ein alkoholfreier Wein dann trotzdem vielleicht eine gute Alternative. Weil sich eben nicht jeder mit Weinaromen und Co. derart gut auskennt, sondern einfach nur genießen will. Mal ganz davon abgesehen, dass es mit der GenZ auch um Menschen geht, die mit süßen Limonaden aufgewachsen sind. Und da ist dann der Wechsel vielleicht gar nicht so schwierig. Denn alkoholfreier Wein hat nun einmal deutlich mehr Zucker als ein reguläres Gewächs. Irgendetwas muss ja als Geschmacksträger herhalten – und der Alkohol ist in diesem Fall dann mal ausgeschlossen.

Etikett eines entalkoholistierten Roséweins in der Nahaufnahme
Alkoholfreien Wein gibt’s inzwischen in allen Farben.

Und was ist mit alkoholfreiem Sekt?

Kurzum: Die Zielgruppe für alkoholfreie Weine sind per se nicht die passionierten Weinliebhaber, die das Thema in den öffentlichen Diskussionen aber prägen. Da darf man schon mal drüber nachdenken. Was ich aber nicht minder spannend finde, ist der Fakt, dass alkoholfreier Sekt eine größere Akzeptanz zu haben scheint. Also neben der größeren Bekanntheit. Dabei ist dieser ja eigentlich gar kein Sekt, sondern ein “schäumendes Getränk aus entalkoholisiertem Wein”. Weil ja keine zweite Gärung stattfindet. Diese ist ja aber beim Sekt entscheidend – egal, ob sie im Tank oder in der Flasche stattfindet. Bei der zweiten Gärung entsteht halt noch einmal Alkohol. Was dann ein alkoholfreies Getränk ad absurdum führen würde. Deswegen setzt man hier die Kohlensäure nach dem Entalkoholisierungsprozess einfach zu.

Und wenn wir schon bei den Definitionen sind … Wann darf sich ein alkoholfreier Wein eigentlich genau so nennen? Ganz einfach: Wenn er unter 0,5 Volumenprozent Alkohol pro Liter hat. Was??? Dann ist da ja doch Alkohol drin! Jaaa. Aber in einer geringeren Menge als bei so manchem Fruchtsaft. 😉 Mal ganz davon abgesehen, dass die meisten entalkoholisierten Weine inzwischen bei 0,3 Volumenprozent liegen. Der Technik sei Dank. Was uns dann auch direkt zum nächsten Thema führt.

Gärender Wein im Keller eines Weinguts
Auch alkoholfreier Wein setzt eine Gärung voraus. © www.deutscheweine.de

Wie entsteht alkoholfreier Wein?

Um es vorweg zu nehmen: Alkoholfreier Wein ist nicht einfach nur Traubensaft, wie manche Menschen ja immer noch meinen. Dann dürfte sich alkoholfreier Wein nämlich nicht so nennen. Es wäre ja schließlich nur Saft. Der Ausgangspunkt ist also immer ein ganz normaler Wein, der eine reguläre Gärung durchlaufen hat. Hier kann es natürlich sein, dass die Gärung vorher gestoppt wird, damit man nicht so viel Alkohol anschließend entziehen muss. Das ist nicht ganz unwichtig, denn beim Entalkoholisierungsprozess gehen halt auch viele Aromen flöten. Die kann man inzwischen zwar auch zurückgewinnen, aber eben nur bedingt.

Generell können bei der Entalkoholisierung drei unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen. Am gängigsten ist die Vakuumverdampfung. Hierbei erzeugt man in einem Tank ein Vakuum und erhitzt den Wein auf 30 bis 35 Grad Celsius. In einem Vakuum verflüchtigt sich Alkohol bereits bei diesen Temperaturen. Und das hat zur Folge, dass viele Aromen bleiben. Eine Weiterentwicklung der Vakuumverdampfung ist die Spinning-Cone-Technologie. Das Prinzip dahinter ist identisch, nur dass die Temperaturen noch niedriger sind und deswegen noch mehr Aromen erhalten bleiben.

Und dann gibt es natürlich noch die Umkehrosmose. Bei diesem technischen Verfahren trennt man den Alkohol vom Wein. Das ist mit viel Aufwand verbunden – und ist dementsprechend teuer. Was alle drei Verfahren gemeinsam haben: Sie sind sehr energieintensiv. Gerade in Zeiten, wo wir über Mehrwegflaschen für Wein, alternative Verpackungen und Leichtflaschen diskutieren, ist das etwas, das man ruhig mal erwähnen sollte. Nachhaltig ist alkoholfreier Wein vielleicht für den Körper – nicht aber für die Umwelt. Aber wir sind da ja zum Glück erst am Anfang einer spannenden Reise, die die Weinwelt in den nächsten Jahren durchaus ein wenig aufwirbeln könnte. Vielleicht findet man ja noch eine Methode, die nicht nur die Aromen, sondern auch die  Umwelt schützt.

Copyright Titelbild: © ​​Anatolii Frolov/iStock

*Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er wurde weder beauftragt noch vergütet und spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

4 Kommentare

  1. Stärker als beim Sekt (Prosecco, Perlwein, etc, => CO2) ist beim Wein Alkohol für die Sensorik entscheidend. Ohne Alkohol hat man eine deutlich unterschieliche Verteilung der Komponenten in der Gasphase. Dies beeinflusst nicht nur die Duftnote sondern auch den Gesamteindruck.

    1. Absolut korrekt. Das betrifft ja neben der Duftnote auch das Mundgefühl und die Länge des Abgangs. Ich weiß von einem Entalkholisierer, dass diese Mankos natürlich bekannt sind – und dass man da bereits dran arbeitet.

  2. Danke für den Artikel. Bis jetzt nur sehr sehr wenige akzeptabele non alkohol Weine verkostet. Dafür beeindruckt von den alkoholfreien Exemplare von Weingut BIBO Runge, Rheingau: Sekt wie Wein.

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