Amarone della Valpolicella: Blockbuster-Wein für die Ewigkeit
Vollmundig, viel Körper und Kraft – und eine Menge Alkohol. Genau das ist der typische Geschmack eines Amarone della Valpolicella. Das Gewächs aus Venetien gehört zu den drei großen Weinen Italiens. Was ihn so besonders macht, das erfährst du jetzt hier.
Barolo aus dem Piemont, Brunello di Montalcino aus der Toskana – und eben Amarone della Valpolicella aus Venetien. Das sind die drei großen Weine aus Italien. Was sie alle eint, ist nicht nur ihre Farbe. Denn alle drei Rotweine sind dank ihrer Langlebigkeit für eine kleine Ewigkeit gemacht. Mal ganz davon abgesehen, dass sie wegen ihrer Hochwertigkeit wie helle Sterne am Genussfirmament strahlen. Hach. Wobei es natürlich auch genügend Unterschiede gibt. Barolo und Brunello sind zum Beispiel reinsortige Gewächse aus Nebbiolo beziehungsweise Sangiovese. Der Amarone della Valpolicella hingegen ist immer eine Cuvée.
Hauptrebsorte ist hier die einheimische Corvina, die mindestens zu 45 Prozent enthalten sein muss. Das Maximum sind 95 Prozent. Fünf Prozent Rondinella sind ebenso verpflichtend. Mehr als 30 Prozent darf aber auch sie nicht ausmachen. Und dann sind da ja auch noch Corvione, Molinara, Dindarella, Rossignola oder Oseleta. Auch diese schillernd klingenden Trauben sind allesamt für Amarone della Valpolicella zugelassen. Bis auf Corvione kommen sie allerdings nur in homöopathischen Mengen in den Amarone della Valpolicella, weswegen sie in der Regel gar nicht erst mit angegeben werden.
Appassimento: Die Seele des Amarone della Valpolicella
Doch die Rebsortenvielfalt ist nicht die einzige Besonderheit, die den Amarone della Valpolicella von den anderen beiden Weingiganten aus Italien unterscheidet. Denn schließlich kommt hier auch noch das sogenannte Appassimento-Verfahren zum Einsatz. Diese Methode ist quasi die Seele des Weins. Nach der frühen Handlese trocknet man die gesunden Trauben, die weder Edelfäule noch Überreife haben dürfen, für mindestens 100 Tage auf speziellen Gestellen, Strohmatten oder in flachen Holzkisten, damit die Beeren so mindestens 50 Prozent ihres Volumens verlieren. Damit die Trauben während dieser Appassimento-Phase nicht schimmeln, belüften die Winzer sie regelmäßig. Entweder kann man die Trauben in aufwendiger Handarbeit drehen und umschichten – oder aber Ventilatoren und Hochleistungslüfter übernehmen diesen Job.
Du siehst: Beim Appassimento-Verfahren ist der Name Programm. Denn „apassiere“ bedeutet soviel wie „verwelken“. Wobei es sich natürlich um einen kontrollierten Verwelkungsprozess handelt. Und dieser ist keine neumodische Erfindung! Bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus wurde es von dem in Karthago lebenden punischen Schriftsteller Mago erstmals erwähnt. Anfang des 1. Jahrhunderts berichtete dann der römische Gelehrte Plinius der Ältere von einem „vinum reticam“, den er in Verona probiert hatte – und bei dem es sich um einen Appassimento-Wein handelte. Damit gehört die Methode zu einem der ältesten Weinverfahren der Welt. Und weil es seinen Ursprung halt auch im Valpolicella-Gebiet hat, ist man dort derzeit dabei, das Appassimento-Verfahren zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe erklären zu lassen. Aber das nur am Rande. Zurück zum Amarone della Valpolicella, dessen Seele du nun kennst.
Der erste Amarone entsteht
Auch wenn das Appassimento-Verfahren sehr alt ist, war die Geburtsstunde des Amarone della Valpolicella erst im Jahr 1930. Denn bis dato waren alle Weine, die man aus den getrockneten Trauben machte, süß. Was ja nicht weiter verwunderlich ist. In getrockneten Trauben konzentrieren sich eben nicht nur die Aromen, sondern eben auch der Zucker. Und je süßer der Traubenmost ist, desto schneller steigt bei der Gärung der Alkoholgehalt. Nun ist es aber so, dass bei 15 Volumenprozent Alkohol die Hefebakterien absterben. Die Gärung endet also, obwohl noch Zucker vorhanden ist. Das Ergebnis ist dann eben ein Süßwein. Den gibt es im Veneto übrigens auch – er nennt sich dann Recioto della Valpolicella.
Im Jahr 1930 soll nun ein Kellermeister ein Fass mit Recioto versehentlich vergessen haben. Ohne Zutun setzte nach einiger Zeit die Gärung erneut ein. Das Ergebnis: Der Alkoholgehalt stieg weiter an, der Wein war plötzlich trocken. Die Winzer konnten sich nicht erklären, warum die Gärung wieder einsetzte. Deswegen nannten sie den Vorgang einfach „Miracolo dell’Amarone“ – das Wunder vom Amarone. Heute indes weiß man, dass bestimmte Hefestämme erst ab einem bestimmten Prozentsatz an Alkohol überhaupt aktiv werden. Sie sorgen dann auch dafür, dass ein Amarone della Valpolicella auch mal 17 oder gar 18 Volumenprozent Alkohol haben kann. Was man sonst ja nur von gespriteten Weinen wie Sherry, Port oder Madeira kennt. Der erste Amarone della Valpolicella (Jahrgang 1936) kam dann 1939 auf den Markt.
Amarone della Valpolicella: Name und Herkunft
Seinen Namen hat der Amarone della Valpolicella übrigens seinem Geschmack zu verdanken. Denn neben den intensiv-fruchtigen Anklängen von Kirsche weist der Wein auch eine leicht bittere Mandelnote auf. Und bitter heißt auf Italienisch „amaro“. Mit dem Zusatz „della Valpolicella“ verdeutlicht man indes die Herkunft des Weins. Also das Valpolicella-Gebiet in Venetien.
Auch das hat einen guten Grund. Denn beim Amarone verhält es sich wie beim Prosecco, Brunello oder auch Lugana: Sobald ein Wein in Italien einen gewissen Erfolg hatte, wollten auch Winzer aus anderen Regionen etwas von dem finanziellen Kuchen abhaben. Sprich: Die Weinstilistik wurde kopiert – und unter demselben Namen auf den Markt gebracht. Bis in die 1960er-Jahre war die Herkunft des Amarone della Valpolicella leider nicht geschützt. Was viele Nachahmer auf den Plan rief.
Geschützte Herkunft – strengere Regeln
Um dem einen Riegel vorzuschieben, bekam der Wein 1968 seine eigene offizielle DOC (Denominazione di Origine Controllata). Diese wurde 2010 sogar zur DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) hochgestuft. Damit schützte man dann nicht nur die Herkunft des Amarone della Valpolicella. Sondern gab auch verbindliche Regeln für die Herstellung vor.
So legte man zum Beispiel verbindlich die bereits erwähnten Rebsorten fest. Außerdem bestimmte man, dass der Wein mindestens zwei Jahre im Holzfass reifen muss. Sind es mindestens vier Jahre, dann darf der Winzer seinen Amarone zusätzlich Riserva nennen. Bis weit in die 1990er-Jahre hinein bauten die meisten Weinmacher ihren Amarone della Valpolicella übrigens in französischen Barriques aus, was noch mehr Kraft in den ohnehin schon sehr gerbstoffreichen Wein brachte. Inzwischen nutzt man aber lieber große und gerne auch gebrauchte Fässer, um eher die feineren Nuancen zu betonen. Wobei das bei der vollmundigen Aormenbreite, die der Wein so mit sich bringt, nicht eben einfach ist.
Classico und Valpantena
Selbiges gilt dann auch für den Terroir-Gedanken, der bei so gut wie allen hochwertigen Weinen inzwischen eine zentrale Rolle spielt. Sprich: Man soll die Herkunft schmecken können. Beim Amarone della Valpolicella ist es aber halt so, dass das Appassimento-Verfahren geschmacksprägender als die Herkunft ist. Was die Winzer aus den 19 Gemeinden, die im Valpolicella-Gebiet Amarone bereiten dürfen, nicht davon abhält, derzeit dafür zu kämpfen, dass sie Einzellagen mit aufs Etikett schreiben dürfen. Auch wenn dieser Prozess noch andauert, hat das Konsortium im Namen der Winzer bereits einen Erfolg erzielt. Denn offiziell gibt es seit einiger Zeit den Amarone della Valpolicella Classico und den Amarone della Valpolicella Valpantena.
Das Classico-Gebiet umfasst die fünf Gemeinden Fumane, Marano di Valpolicella, Negrar, San Pietro in Cariano und Sant’Ambrogio di Valpolicella. Die Reben gedeihen hier auf höheren Lagen als im generischen Amarone-Gebiet. Außerdem findet man in den Weinbergen Terrassen, die für ein besonderes Mikroklima sorgen. Und da es hier auch etwas kühler ist, reifen die Beeren langsamer und entwickeln noch intensivere Aromen.
Das Valpantena-Tal hingegen ist eine kleine Subregion östlich des Classico-Gebiets. Hier ist es noch kühler. Was dann noch mehr Aromatik bedeutet. In Valpantena hat man die Einzellagen übrigens schon klassifiziert. Wenn alle Trauben aus einer einzigen dieser Lagen stammen, dann darf hier der Name schon mit aufs Etikett. Im Classico-Gebiet arbeitet man derzeit noch daran. Und dem generischen Amarone-Gebiet, dass das ganz im Osten von Valpolicella liegt, werden wohl nie Einzellagen zugebilligt. Was meiner Meinung nach aber auch vollkommen in Ordnung ist. Ja, je nach Höhenlage etc. kann man schon gewisse Unterschiede schmecken. Und trotzdem bestimmt halt das Appassimento-Verfahren das Geschmacksbild jedes einzelnen Gewächs. Bei einer Trockenbeerenauslese ist es ja auch schwierig, die Herkunft herauszuschmecken. Warum sollte es hier anders sein?
Amarone della Valpolicella: Lagern und zum Essen genießen
Auch wenn die Herkunft nur die zweite Geige beim Amarone della Valpolicella spielen mag, ändert das nichts an der Tatsache, dass man es hier mit einem der großen Weine dieser Welt zu tun hat. Aufgrund der Säure- und Tanninstruktur können diese Gewächse locker zehn, zwanzig oder mehr Jahre lagern und reifen. Und je älter sie sind, desto vornehmer werden sie. Ein gereifter Amarone della Valpolicella, bei dem dann noch Noten von Unterholz und getrockneten Pilzen sowie Wildbret und Leder hinzukommen, macht vor allem zu sehr intensiven Speisen wie etwa Wildschweingulasch oder Rinderrouladen sehr viel Freude. Beim Ausschenken rate ich allerdings zur Vorsicht. Denn ein gereifter Amarone kann schon mal ordentlich Bodensatz haben. Vor dem Genuss also bitte einfach kurz dekantieren, damit der ganze Schmodder nicht versehentlich im Glas landet. 😉
Einen Fun Fact habe ich dann übrigens noch für dich. Wir Deutschen sind ja Weltmeister darin, Weine aus Italien zu importieren. Beim Amarone della Valpolicella liegen wir allerdings nicht auf dem ersten Platz. Dieser gebührt mit 14 Prozent den Vereinigten Staaten – dicht gefolgt von Kanada mit 13 Prozent. Tatsächlich liegt Deutschland mit Schweden zusammen auf dem fünften Platz. Lediglich acht Prozent aller produzierten Amarone della Valpolicella landen in deutschen Läden. Womit er zwar ein echter Gaumenschmeichler, aber eben keiner der italienischen Massenweine ist.
Copyright Titelbild: © Consorzio per la Tutela dei Vini Valpolicella
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