Blick auf den Gardasee von Bardolino aus

Bardolino: Comeback für das Veneto-Anbaugebiet?

Harmlose, frisch-fruchtige Rotweine und süffige Roséweine im unteren Preissegment. Darauf reduzieren viele Menschen die Gewächse aus dem Bardolino in Venetien noch immer sehr gerne. Aber die Weine vom südlichen Ostufer des Gardasees trumpfen inzwischen mit viel Charakter auf. Genau deswegen breche ich jetzt mal eine Lanze für das Weinanbaugebiet Bardolino.

Von Verona braucht man gerade einmal 30 Minuten, um mit dem Auto nach Bardolino zu fahren. Also dem Ort, nach dem das gesamte Weinanbaugebiet benannt ist. Die gut 2.600 Hektar umfassende Rebfläche erstreckt sich über 16 Gemeinden am südlichen Ostufer des Gardasees. Und zwar in direkter Nachbarschaft der beiden Gebiete Lugana und Valpolicella (mit schönen Grüßen vom Amarone). Wenn man von zwei derart bekannten Weingrößen in die Zange genommen wird, dann ist es schon allein geografisch recht schwierig, sich zu behaupten. Und in der Tat: Wenn man denn die Bardolino-Weine überhaupt kennt, dann sind die ersten Klischees auch nicht weit.

Da wäre zum Beispiel das Klischee, dass die Gewächse aus Bardolino eher auf Masse getrimmt und ziemlich dünn sind. Was ja so gar nicht unbedingt stimmt. Ja, die Masse gab es mal. Vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren, als Bardolino und Chiaretto (der Roséwein aus dem Anbaugebiet) Deutschland förmlich überfluteten und in aller Munde waren. Um allein den deutschen Bedarf zu befriedigen, klotzte man im Bardolino ziemlich ran, um diese Massen zu produzieren. Dass da dann die Qualität auf der Strecke blieb, versteht sich von selbst.

Blick auf den Cru Sommacampagna im italienischen Anbaugebiet Bardolino
Blick auf die Reben in der Zone Sommacampagna. © Consorzio Bardoliono

Bardolino im Schatten von Valpolicella und Lugana

Dieser Qualitätsverfall hätte ja schon gereicht, um den Hype rund um die Bardolino-Weine zu stoppen. Es gab aber parallel dazu noch eine andere Marktbewegung in Deutschland. Denn hier forderten die Mensche jetzt volle und üppige Rotweine. Da konnte der schlanke Bardolino, mit seinem milden Tannin und seiner feinen Fruchtigkeit nicht mithalten. Nach und nach machte er Platz für fettere Rotweine wie zum Beispiel Primitivo. Jetzt, gut 30 Jahre später, gibt es wieder eine Gegenbewegung. Schlanke, filigrane Rotweine, die nur wenig Tannin und einen moderaten Alkoholgehalt haben, liegen voll im Trend.

Trotzdem tut sich der Bardolino schwer, ein Comeback zu feiern. Der Ruf scheint nach wie vor ziemlich ramponiert. Wenn die meisten Menschen Bardolino hören, verziehen sie das Gesicht. Das Klischee des dünnen und beliebigen Weinchens hält sich hartnäckig. Also wenn man Bardolino überhaupt noch kennt.

Denn obwohl Bardolino Touristenhochburgen wie Garda oder Peschiera del Garda umfasst, schwärmen Urlauber zuhause dann doch lieber vom Valpolicella oder dem Lugana. Bardolino wird als Ort besucht – aber eben kaum als Wein genossen. Was meiner Meinung nach sehr schade ist. Denn seit dem Jahr 2012 feilt man im Bardolino ziemlich erfolgreich an der Qualität. Und daran, die Herkunft der Weine schmeckbar zu machen. Tauchen wir mal etwas tiefer in das Anbaugebiet ein.

Blick auf den Gardasee vom Bardolino Cru La Rocca
Der Cru La Rocca liegt direkt am Gardasee. © Consorzio Bardoliono

Böden und Rebsorten

Wie bereits erwähnt, umfasst das Bardolino 2.600 Hektar. Diese werden von 800 Winzer:innen bewirtschaftet. Jährlich produzieren hier 100 Abfüller, Genossenschaften und Selbstvermarkter 26 Millionen Flaschen Wein. Weinbau gibt es hier seit dem Mittelalter, als vor allem Mönche verstärkt Reben pflanzten. Vor allem an den Hängen im Norden, wo Kalkgestein die Böden dominiert. Je weiter man im Bardolino nach Süden reist, desto mehr weicht der Kalk den Moräneböden, die für den Gardasee so typisch sind.

Im Jahr 1968 bekam das Bardolino eine geschützte Ursprungsbezeichnung und darf sich seitdem DOC (Denominazione di origine controllata) nennen. Damit einher gingen dann natürlich auch diverse Produktionsvorschriften. So darf sich ein Rotwein zum Beispiel nur Bardolino DOC nennen, wenn die rote Rebsorte Corvina zu mindestens 60 Prozent mit drin ist. Maximal darf ihr Anteil aber nur 95 Prozent ausmachen. Denn schließlich müssen auch noch mindestens fünf Prozent Rondinella mit rein. Deren Anteil darf zudem 40 Prozent nicht übersteigen. Andere Trauben wie zum Beispiel Sangiovese dürfen maximal 20 Prozent ausmachen. Damit ähnelt die Rebsortenzusammensetzung übrigens stark den Valpolicella-Weinen.

Corvina-Traube am Rebstock in einer Nahaufnahme
Corvina ist im Anbaugebiet der große Rebsortenstar. © Nicholas Ahonen/iStock

Chiaretto di Bardolino DOC

Bis zum Jahr 2021 lebten der Bardolino sowie der Chiaretto („der Helle“) friedlich in der DOC nebeneinander. Um aber die Herkunft sowie die Eigenständigkeit beider Weine noch deutlicher zu machen, bekam der Roséwein mit dem Chiaretto di Bardolino dann eine eigene DOC. Okay, vielleicht wollte man den Chiaretto damit auch qualitativ aufwerten, denn die Gewächse tun sich mit ihrem Billigwein-Ruf nach wie vor schwer. Was ich irgendwie verstehen kann. Denn viele der Rosés sind mit sechs bis acht Euro pro Flasche tatsächlich spottbillig. Und bis in die 1980er-Jahre hinein waren diese Roséweine auch tatsächlich eher auf Masse getrimmt – und dementsprechend industriell. In der vergangenen Dekade hat da aber ein Umdenken stattgefunden.

Inzwischen sind die Chiaretto di Bardolino DOC herrlich unterschiedlich. Was sie alle eint, ist eine richtig schöne Saftigkeit, gepaart mit salzig-zitrischen Noten. Trinkfluss garantiert, sozusagen. Das ist dann aber tatsächlich der einzige gemeinsame Nenner. Der Chiaretto di Bardolino Classico vom kleinen Familienbetrieb Le Tende ist mit seiner erfrischenden Struktur und seinen Anklängen von Erdbeere, Sauerkirsche und Granatapfel ein wunderbarer Aperitif oder Sommerwein. Vor allem, weil er nur schlanke 12,5 Volumenprozent Alkohol hat. Der Rosé ist übrigens Bio. Der Chiaretto di Bardolino Classico vom Weingut Valetti brilliert hingegen mit Rosenblüten und Erdbeeren und einem fülligen Druck im Abgang. Hier passt zum Beispiel Pasta mit Garnelen super dazu.

Ein Glas Roséwein an einem Hafen am Gardasee genossen
Inzwischen viel besser als sein ursprünglicher Ruf: Chiaretto di Bardolino. ©Dogana Veneta Lazise/Consorzio Bardoliono

Ausbau-Trends bei Rosé und Rotwein

Noch ernsthafter wird es mit dem „Traccia di Rosa“ von Le Fraghe. Hier findet man Anklänge von Safran, kandierter Orangenschale und Mirabelle. Dieser Rosé hat ordentlich Grip, sodass er als seriöser Speisenbegleiter taugt. Zum Beispiel zum Veneto-Klassiker Polenta mit Makrele. Seinen besonderen Touch bekommt dieser Chiaretto übrigens durch den Ausbau im Beton. Beton erlebt in Bardolino derzeit so etwas wie eine Renaissance. Denn die Weine reifen in diesem Material ruhiger als zum Beispiel in einem Holzfass, da es kaum Temperaturunterschiede gibt. Und das sorgt für viel Balance und Harmonie im Wein.

Bei den Rotweinen geht der Trend indes zum Stahltank, um die Reinheit der Frucht besser zu bewahren. Was jetzt aber nicht bedeutet, dass sich die Gewächse per se alle ähneln. Dafür sorgt schon allein ein ganz besonderes Projekt, mit dem man im Bardolino drei unterschiedliche Herkünfte herausgearbeitet hat.

Karte vom Weinanbaugebiet Bardolino am italienischen Gardasee
Wo ist was im Anbaugebiet Bardolino? © Consorzio Bardoliono

Noch mehr Qualität mit Bardolino Cru?

Im Jahr 2005 rief das Bardolino-Konsortium das Projekt „Bardolino Cru“ ins Leben. Das Ziel: Die Herkunft der Weine besser schmeckbar zu machen, indem man sie in drei verschiedene Zonen unterteilt, um die drei Stile besser herausarbeiten zu können. Diese Unterteilung beruht auf der Arbeit des Gelehrten Giovan Battisa Perez, der das Bardolino-Gebiet in die drei Zonen Montebaldo, La Rocca und Sommacampagna gliederte. Allesamt übrigens auch Bardolino-Gemeinden. Von 2015 an arbeitete das Konsortium ein eigenes Cru-Regelwerk für diese drei Zonen aus. Und seit dem Jahrgang 2018 dürfen die Winzer:innen den jeweiligen Cru mit aufs Etikett schreiben. Schauen wir uns die drei unterschiedlichen Zonen mal genauer an.

Montebaldo

Der Cru Montebaldo liegt ganz im Norden von Bardolino. Hier findet man die steilsten Hänge des Anbaugebiets. Die Reben gedeihen hier auf einem sehr kalkreichen Boden. Höhe sowie Boden sorgen für einen sehr eleganten Touch in den Weinen. Bestes Beispiel ist da der „Delara“ Montebaldo Bardolino DOC von Guerriere Rizzardi. Hier haben wir mit knackiger Kirsche und Preiselbeere eine schöne Fruchtpräsenz. Die Zimt-Anklänge passen super zu den schönen Grip, dieses schlanken Weins, der eine wunderschöne Spannung am Gaumen hat.

La Rocca

Von Torri del Benaco über Garda und Lazise bis hin zu Peschiera del Garda schlängelt sich der Cru La Rocca am Gardasee-Ufer entlang. Damit hat das Gewässer hier auch den größten klimatischen Einfluss. La Rocca ist auch die historische Kernzone von Bardolino, weswegen hier alle Weine, die nicht den Cru-Status auf dem Etikett stehen haben, sich auch mit dem Zusatz „Classico“ schmücken können. Aber das nur am Rande. In La Rocca dominieren Moräneböden. Exemplarisch stelle ich hier mal den La Rocca Bardolino DOC von Poggio delle Grazie vor, einem erst 2014 gegründeten Weingut, das allerdings mit alten Rebanlagen arbeitet. Der Wein hat eine sehr duftige Nase. Es dominieren vor allem Noten von saftiger Kirsche und Erdbeere. Zartes Tannin umschmeichelt den Gaumen, während das Finish von einer Mandel-Note geprägt ist, die für La-Rocca-Weine so typisch ist.

Sommacampagna

Auch in Sommacampagna findet man vor allem Moräneböden. Der südliche Bardolino-Cru ist übrigens am weitesten vom Gardasee entfernt. Dadurch spielen die See-Winde nur eine untergeordnete Rolle. Und weil die Trauben im Sommer dann gerne mal in der Sonne brutzeln, entwickeln sie eine besonders intensive Aromatik. Genau das kann man dann auch im „Morlongo Anniversario 50 Vendemmie“ Montebaldo Bardolino DOC von Villabella schmecken. Reife Schwarzkirsche schmiegt sich hier an eine pfeffrige Note. Beides passt gut zu den straffen Gerbstoffen und dem Druck am Gaumen. Dieses ist übrigens der einzige Cru, der im Holz ausgebaut wurde, was ihn noch einmal konzentrierter macht.

Cru Montebaldo im Veneto
Steile Hänge sind typisch für den Cru Montebaldo. © Consorzio Bardoliono

Bardolino hat eine zweite Chance verdient!

Du siehst: Das Konsortium von Bardolino gibt sich viel Mühe, um das Image der Weine wieder aufzupolieren. Trotzdem haben viele Menschen die Gewächse einfach nicht auf dem Schirm. Irgendwie ist das auch verständlich. Den Ruf hat man sich in den 1970er- und 1980er-Jahren halt selbst ruiniert. Und wenn man so schaut, dass es im Bardolino zwar 800 Winzer:innen, aber eben „nur“ 100 Abfüllende gibt, dann ahnt man auch da eher Masse als Klasse. Es gibt aber immer mehr Ausnahmen. Nämlich Winzer:innen, die handwerklich arbeiten und die dafür ihre Rebfläche nicht nur bewusst klein halten, sondern auch organisch bewirtschaften. Wobei auch größere Weingüter inzwischen sehr gute und vor allem eigenständige Weine erzeugen.

Klar, so richtig, richtig große Gewächse entstehen hier nicht. Aber mal Hand aufs Herz: Muss es denn gleich immer der vinophile Gigant sein? Zu ein paar Antipasti, einer knusprigen Pizza oder einer Pasta genieße ich persönlich gerne auch mal einen soliden, aber trotzdem auch ehrlichen Wein. Halt einen Wein, der eher charmant ist, der aber trotzdem nicht langweilt, weil er von seiner Herkunft erzählt. Genau in diese Kategorie der Alltagsweine fallen bei mir die Gewächse aus Bardolino. Und ab und an findet man von dort dann auch einen Wein, den man ruhig noch ein paar Jährchen lagern kann, weil er sein ideales Trinkfenster noch nicht erreicht hat. Es ist echt schon spannend, was sich da inzwischen tut. Also bitte nicht die Nase rümpfen, sondern den Bardolino-Weinen einfach nochmal eine Chance geben.

Copyright Titelbild: © ​​Daniele De Vivo/iStock

*Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wurde weder beauftragt noch vergütet und spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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