Blick auf den Rhein von der Weinlage Hipping aus

Hipping: Begehrte Riesling-Lage am Roten Hang

Neben Pettenthal ist Hipping die zweite wichtige Einzellage am Roten Hang im rheinhessischen Nierstein. Hier ist vor allem Riesling Trumpf. Und der zeigt tatsächlich zwei sehr unterschiedliche Gesichter.

Wir Menschen neigen ja dazu, Dinge in Schubladen zu stecken. Da bildet Wein keine Ausnahme. Ein Riesling von dieser oder jener Lage schmeckt in der Regel so oder so. Um nur mal ein Beispiel zu nennen. Und meistens ist es ja auch so, dass eine Lage einen bestimmten Charakter hervorbringt. Wenn man die Handschrift der Winzer:innen außer acht lässt, kann man das dann prima herunterbrechen und in die eigene Geschmacksschublade packen. Doch auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Genau solch eine Ausnahme findet man am Roten Hang im rheinhessischen Nierstein. Nämlich die Einzellage Hipping. Und das hat was mit ihrer Ausrichtung zu tun, die nicht nur konsequent gen Süden zeigt, sondern eben auch nach Osten.

Man kann ahnen, was das für Auswirkungen auf die insgesamt 23 Hektar umfassende Rebfläche hat, die man zwischen Ölberg und Kranzberg sowie Bruderberg und Pettenthal auf einer Höhe zwischen 80 bis 175 Metern findet. Während die Weingärten mit östlicher Ausrichtung vor allem die Morgensonne abbekommen, suhlen sich die südlich gelegenen Reben in der gleißenden Mittagshitze. Teilen wir die Schublade also mal auf. Die östlichen Weine glänzen mit mehr Mineralität und einer feineren Struktur. Die Gewächse aus der Hipping-Mittagsglut indes sind opulenter und fruchtiger. Intensiv sind indes beide Weine – der Sonne sei dank. Und wenn ich hier von Wein schreibe, dann meine ich vor allem eine Rebsorte. Riesling. Die ist im Hipping nämlich ganz eindeutig Trumpf.

Blick auf die wolkenverhangenen Rebzeilen der Lage Hipping am Roten Hang in Rheinhessen
Und dann gibt es diese seltenen Tage, an denen die Sonne nicht über dem Hipping scheint. © Weingüter Schneider Müller

Rotliegendes dominiert die Lage Hipping

Verwunderlich ist das nicht. Aus mehreren Gründen. Dröseln wir das mal auf. Dabei lassen sich dann nämlich auch viele Gemeinsamkeiten von Ost und Süd finden. Die Basis bildet hier ohne Zweifel der Boden. Dieser ist von dem legendären Rotliegenden geprägt, für den der Rote Hang so bekannt ist. Also stark verwitterter roter Tonschiefer. Die Bodenauflage ist allerdings recht dünn. Direkt darunter kommt dann Kalkstein. Genau dieser ist für die Mineralität und die Eleganz verantwortlich, die für einen Hipping-Riesling so typisch ist. Hinzu kommt die Hangneigung von bis zu 70 Prozent. Gut, das ist jetzt nicht ganz so steil wie manche Lage an der Mosel. Aber noch steil genug, um von der Wärme mal so richtig zu profitieren. Die Sonne kann bereits am Morgen im Osten ihre ganze Kraft entfalten und dreht dann mittags in den südlichen Parzellen mal so richtig auf.

Für die Winzer:innen ist dieser Effekt ein enormes Glück. Denn so bekommen sie hocharomatische und perfekt gereifte Trauben in den Keller. Andererseits hat das aber auch seinen Preis. Denn der Hipping ist so steil, dass selbst an den flacheren Stellen fast ausschließlich Handarbeit möglich ist. Maschinen haben hier keine Chance. Aber hey, selektive Handlese ist bei den Hipping-Winzer:innen eh eine Selbstverständlichkeit. Vor allem, wenn man VDP-Mitglied (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) ist. Denn Hipping ist dort als Große Lage klassifiziert. Und das wiederum bedeutet: Großes Gewächs.

Grüne Riesling-Trauben am Rebstock.
Auch wenn es hier noch nicht zu sehen ist: Riesling reift im Hipping perfekt aus. © Weingüter Schneider Müller

Intensive Hipping-Rieslinge

Dass Hipping als Große Lage eingestuft wurde, ist ja schon mal ein deutliches Anzeichen für Qualität. Diese ist dann aber nicht nur Hangneigung, Boden und Ausrichtung zu verdanken. Sondern auch dem Rhein. Denn dieser ist hier genau vor der Lage besonders breit. Ergo speichert er Wärme und gibt sie gegen Abend wieder ab. Mal ganz davon abgesehen, dass sich dank dieses Wärmespeichereffekts auch die Reifezeit gen Herbst hin ein wenig verlängert. Physiologische Reife ist und bleibt nun mal das Zauberwort für besonders intensive Weine. Und die schauen wir uns jetzt mal exemplarisch an, bevor wir uns der Geschichte der Lage Hipping widmen.

Bestes Beispiel für einen intensiven Riesling aus dem südlichen Hipping-Bereich ist etwa das Gewächs vom Weingut Georg Gustav Huff. Der Riesling brilliert mit viel Pfirsich und Aprikose, aber eben auch mit einer satten Mineralik, viel Schmelz und einem Körper, der intensiv und gleichzeitig auch elegant ist. Nicht minder beeindruckend ist das Große Gewächs Hipping vom Weingut Louis Guntrum. Mit seiner Fülle, seinem Schmelz, der satten Aromatik nach Lychee, Birne und reifer Ananas und der feinen Kräuterwürze gehört dieser Riesling zu den komplexesten Weinen des Betriebs. Selbiges gilt auch für den Hipping-Riesling vom Weingut Lisa Bunn, der bewusst früh gelesen wird, damit er sich später nicht zu opulent präsentiert.

Sonnenaufgang am Roten Hang in Rheinhessen mit Blick auf die Lage Hipping
Auch im Herbst meldet sich die Sonne in voller Pracht. © Weingüter Schneider Müller

Hipping von seiner filigranen Seite

Was alle drei Rieslinge übrigens eint: ihre Trauben stammen von alten Reben, die mindestens 35 Jahre auf dem Buckel haben. Oft mehr. Die Wurzeln reichen also tief in den Kalkstein. Was für mehr Mineralität in den Weinen sorgt. Und diese setzt dann auch einen schönen Kontrast zu der vollmundigen Riesling-Üppigkeit, die der Sonne zu verdanken ist. Eine perfekte Kombination, die dafür sorgt, dass die Weine konsequent raffiniert sind.

Was diese Mineralität in Verbindung mit der Morgensonne aus den östlichen Hipping-Parzellen macht, zeigt etwa der Riesling vom Weingut Kopp. Frisch tänzelt der Wein mit seinen Aromen von Pfirsich, Aprikose und Holunderblüten – unterlegt mit einer leichten Popcorn-Note – über die Zunge. Der Gaumen wird von vielen feinen mineralischen Noten zusätzlich verwöhnt. Dieser Riesling kommt filigraner daher. Auch der Hipping-Riesling von den Weingütern Schneider Müller kommt mit dieser besonderen Feinheit daher. Wobei der Wein in der Nase erst einmal mit einer satten gelben Aromatik von Pfirsich, Aprikose und etwas Zitrone glänzt. Erst am Gaumen kommt dann der grazile Charakter zum Tragen, der aus der opulenten Nase einen ebenso schlanken wie bezaubernden Riesling macht.

Winzer schüttet Weintrauben aus einem Eimer auf die Transportfläche eines Lkw, im Hintergrund ist der Rhein bei Nierstein zu sehen
Perfekte Riesling-Trauben aus dem Hipping. © Weingüter Schneider Müller

Zu Besuch bei der Queen

Obwohl die Rieslinge aus der Lage Hipping allesamt (ha! Also doch irgendwie eine Schublade!) in jungen Jahren schon viel Freude machen, offenbaren sie auch ein schönes Lagerpotential. Da stehen sie meiner Meinung nach einem Pettenthal-Riesling in nichts nach. Außer, dass man sie meist etwas günstiger erstehen kann, weil Pettenthal nun mal DIE Lage am Roten Hang ist. Die Gewächse aus dem Hipping müssen da aber keinen Vergleich scheuen. Was übrigens auch die Geschichte ein wenig beweist.

Schließlich war es ein Riesling aus dem Hipping und nicht aus dem Pettenthal, der während des Krönung-Banketts von Königin Elisabeth II. am 2. Juni 1953 gereicht wurde. Ein Riesling von Franz Karl Schmitt übrigens. Dessen Weingut existiert seit 2011 leider nicht mehr. Aber: die Rebflächen wurden bereits 2010 von einem sehr berühmten rheinhessischen Winzer übernommen. Nämlich Klaus Peter Keller. Von ihm stammte dann auch folgerichtig der Hipping-Riesling, der zum 60. Thronjubiläum der Queen gereicht wurde.

Wobei die Geschichte der Lage Hipping wahrlich nicht erst im 20. Jahrhundert beginnt. Erstmals erwähnt wurde sie bereits 1550 unter dem Namen Hupbuhl. Wie es letztlich zur Bezeichnung Hipping kam, ist leider nicht geklärt. Unter Buhl verstand man damals einen Hügel. Und weil dort Ziegen (Hippen) geweidet haben sollen, nimmt man an, dass die Lage so zu ihrem Namen kam. Andererseits ist Hippe aber auch die Bezeichnung für Rebmesser. Was dann wiederum darauf hindeutet, dass dort schon sehr lange Weinbau betrieben wird. Letztlich ist die Spurensuche an dieser Stelle aber etwas müßig. Schließlich kommt es auf die Weine an, die im Hipping entstehen. Und die konnte ich dir hoffentlich etwas schmackhaft machen. Sie lohnen sich nämlich tatsächlich sehr.

Copyright Titelbild: © Weingüter Schneider Müller

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben, noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

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