Barrique: Ein Holzfass macht Karriere
Bis heute gilt das Barrique als König unter den Holzfässern, wenn es um den Ausbau von – vorzugsweise – Rotweinen geht. Aber warum eigentlich? Wandeln wir mal ein wenig auf den Geschichtsspuren des Barriques – und seinen Geschmackseinfluss auf den Wein.
Stell dir vor, du sitzt gemütlich in deinem Lieblingssessel. Mit einem Glas Rotwein in der Hand. Der Duft von Vanille und ein feiner Toast-Duft steigen dir in die Nase. Am Gaumen entfaltet sich ein komplexes Spiel von Frucht und würzigen Noten. Was du da genießt, ist höchstwahrscheinlich ein Barrique-Wein. Es sind vor allem die Vanille (manchmal kann es auch Kokos sein) und die würzigen Noten, die verraten, dass ein Wein aus dem Barrique kommt – und nicht aus einem anderen Holzfass.
Bevor wir uns anschauen, wie sehr der Barrique-Ausbau auf den Geschmack und den Charakter eines Weins Einfluss hat, begeben wir uns aber erst einmal auf die Geschichtsspuren dieses ganz besonderen Holzfasses.
Von Kelten, Römern und findigen Händlern
Die Geschichte des Barriques beginnt, wie so vieles in der Weinwelt, bei den alten Kelten. Diese cleveren Zeitgenossen erfanden nämlich das Holzfass an sich. Die Römer, immer auf der Suche nach guten Ideen, übernahmen diese Erfindung prompt. Und das aus gutem Grund. Denn die Holzfässer damals waren tatsächlich recht klein. Schließlich war es praktisch, wenn ein einzelner Mann es im leeren Zustand tragen und gefüllt dann wenigstens rollen konnte. Denn ja, das Fass, das dem heutigen Barrique erstaunlich ähnlich sieht, hatte damals vor allem eine Funktion: Es war ein Transportbehälter für Wein. Mehr nicht.
Dass daraus mehr wurde, haben wir den Engländern zu verdanken. Denn diese waren im 18. Jahrhundert nicht nur eine große Seefahrer-Nation, sondern auch findige Geschäftsmänner. Und Weinliebhaber. In dieser Kombination dauerte es nicht lange, bis sie eine erstaunliche Entdeckung machten. Der Wein, den sie in Holzfässern über den Ozean transportierten, schmeckte nach der Reise irgendwie besser. Während die Engländer damals vor einem kleinen Rätsel standen, kennen wir heute das Geheimnis hinter dem Barrique. Was uns aber zunächst zur Basisfrage schlechthin bringt.
Das Barrique – mehr als nur ein Fass
Was genau ist denn nun ein Barrique? Nun, stell’ dir ein Eichenfass vor, aber nicht irgendein Eichenfass. Mit einem Fassungsvermögen von 225 Litern (in Bordeaux) oder 228 Litern (in Burgund) ist es deutlich kleiner als die riesigen Holzfässer, die du vielleicht aus den Kellern von deutschen Weingütern kennst. Der Name „Barrique“ kommt übrigens aus dem Gaskognischen, einem Dialekt aus Südwestfrankreich, und bedeutet einfach „Fass“. Aber dieses Fass hat es in sich! Es ist nicht nur ein Behälter, sondern ein regelrechter Geschmackszauberer.
Es ist die Kombination aus Größe, Holzart und Behandlung, die das zu verantworten hat. Die relativ kleine Größe sorgt dafür, dass der Wein intensiv mit dem Holz in Kontakt kommt. Nicht minder wichtig: Es kommt auch mehr Luft an den Wein. Stichwort Mikrooxidation. Und dann spielt auch noch das Holz eine entscheidende Rolle.
Für Barriques wird in der Regel Eichenholz verwendet, aber nicht irgendeine Eiche. Die Crème de la Crème der Barrique-Welt sind französische und amerikanische Eichen. Jede Holzart bringt ihre eigenen Aromen mit ins Spiel. Die Faustregel ist hier, dass französische Eiche eher eine Vanille-Note erzeugt, während bei der amerikanischen Eiche Kokos Trumpf ist. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Denn auch das sogenannte Toasting hat einen großen Einfluss auf Duft, Geschmack und Mundgefühl eines Weines. Ein Barrique wird gerne mal von innen geflämmt, bzw. ausgebrannt. Das nennt man eben Toasting. Der Toast-Grad kann von niedrig über mittel bis hin zu sehr hoch sein. Je stärker das Toasting ist, desto deutlicher treten halt auch Aromen von Vanille, Rauch oder gerösteten Kaffeebohnen zu Tage.
Vom Transport- zum Qualitätsfass
Der Weg des Barriques vom einfachen Transportfass zum Qualitätsmerkmal ist eine Geschichte voller glücklicher Zufälle und kluger Köpfe. Einer dieser Glückspilze war Louis-Gaspard Estournel, ein Winzer aus Saint-Estèphe. Anfang des 19. Jahrhunderts machte er eine erstaunliche Entdeckung: Weine, die er nach Indien verschifft hatte und die unverkauft zurückkamen, schmeckten plötzlich viel besser. Was war passiert? Die lange Reise im Holzfass hatte den Wein veredelt!
Estournel war so begeistert, dass er beschloss, all seine Weine vor dem Verkauf in Holzfässern zu transportieren. Er markierte diese besonderen Weine mit einem „R“ für „Retour des Indes“ (Rückkehr aus Indien) und verkaufte sie zu Spitzenpreisen. Echt clever! Da Estournel damit derart viel Erfolg hatte, taten es ihm andere Bordelaiser Winzer:innen natürlich sehr schnell nach. So etablierte sich das Barrique als Standard-Holzfass in Bordeaux.
Das Barrique erobert die Welt
Von Bordeaux aus trat das Barrique seinen Siegeszug um die Welt an. Winzer:innen rund um den Globus erkannten das Potenzial dieser kleinen Fässer. In den 1980er-Jahren erreichte der Barrique-Boom seinen Höhepunkt. Plötzlich schien jede:r Winzer:in Weine im Barrique auszubauen – manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg.
Denn die Kunst des Barrique-Ausbaus ist gar nicht so einfach. Es braucht viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um die richtige Balance zwischen Frucht und Holz zu finden. Zu viel des Guten, und der Wein schmeckt wie ein Holzbrett. Zu wenig, und man fragt sich, wozu der ganze Aufwand gut war.
Deutschland entdeckt das Barrique
Auch in Deutschland hielt das Barrique Einzug. In den 1980er-Jahren begannen deutsche Winzer:innen, mit ihm zu experimentieren. Ganz vorne mit dabei, war die heute als H.A.D.E.S. bekannte baden-württembergische Gruppe, die 1986 noch als „Studiengruppe Neues Eichenfass“ von sich reden machte. Und nein, der Name Hades hat nichts mit dem griechischen Gott der Unterwelt zu tun, sondern ist lediglich ein Akronym der fünf Gründungsmitglieder. Anfangs waren die Ergebnisse… nun ja, sagen wir mal „gewöhnungsbedürftig“. Viele Weine waren überholzt, die feinen Fruchtaromen deutscher Weine gingen in einem Meer von Vanille und zu stark gerösteten Kaffeebohnen unter.
Aber die deutschen Winzer:innen lernten schnell. Sie erkannten, dass es nicht darum ging, den Bordeaux-Stil zu kopieren, sondern das Barrique als Werkzeug zu nutzen, um die Eigenheiten deutscher Weine zu betonen. Heute gibt es hervorragende deutsche Barrique-Weine, die den Charakter eines Weins eben nicht überkleistern, sondern ihn geschickt unterstützen. An im Barrique ausgebauten Rieslingen scheiden sich aber nach wie vor die Geister. Denn ja, obwohl vor allem Rotweine in Barriques ausgebaut werden, kann man auch Weißweine in die kleinen Holzfässer packen.
Unterschied zu anderen Holzfässer
Klar, der wichtigste Unterschied ist eindeutig die Größe. Traditionelle deutsche Weinfässer, wie das Stückfass oder das Fuder sind mit 1.200 Liter bzw. bis zu 1.500 Liter Fassungsvermögen deutlich größer. Der Unterschied liegt aber nicht nur in der Größe. Große Holzfässer werden oft über viele Jahre hinweg verwendet, wodurch sie irgendwann kein Holzaroma mehr abgeben.
Das Barrique hingegen wird in der Regel nur drei bis fünf Mal verwendet. Es gibt aktiv Aromen und Tannine an den Wein ab und sorgt für eine schnellere, intensivere Entwicklung. Der Wein „atmet“ mehr im Barrique, was zu einer schnelleren Reifung führt.
Die Kunst des Barrique-Ausbaus
Wenn Winzer:innen mit Barriques arbeiten, brauchen sie eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl. Es geht nicht einfach darum, den Wein ins Fass zu kippen und zu warten. Sie müssen genau wissen, welche Rebsorte sie wie lange in welchem Fass ausbauen. Rotweine verbringen in der Regel länger im Barrique als Weißweine. Während ein kräftiger Cabernet Sauvignon 18 Monate oder länger im Barrique reifen kann, sind es bei einem Chardonnay oft nur sechs bis 12 Monate.
Auch die Wahl des Holzes ist entscheidend. Neben der französischen und amerikanischen Eiche experimentieren Winzer:innen heute auch mit Eichen aus anderen Ländern, wie der slowenischen Eiche. Aber auch Kastanie und Zeder stehen zur Auswahl. Jede Holzart bringt ihre eigenen Aromen und Strukturen mit.
Die Zukunft des Barriques
Wohin geht die Reise für das Barrique? Nun, es sieht so aus, als ob dieses kleine Fass noch lange nicht ausgedient hat. Zwar gibt es Trends zu „uneichigen“ Weinen, aber viele Spitzenweine werden nach wie vor im Barrique ausgebaut.
Interessant ist auch die Entwicklung in anderen Bereichen der Getränkewelt. Ein Trend ist zum Beispiel, ausgemusterte Wein-Barriques für den Ausbau von Cognac oder Whisky zu verwenden. Oder auch Craft-Biere. Andererseits gibt es aber Barriques, die ursprünglich aus der Whisky-Produktion kommen und dann einen weiteren Einsatz als Weinfass haben.
Ein Fass voller Geschichten
Das Barrique ist also mehr als nur ein Holzfass. Es ist ein Stück Weingeschichte, ein Werkzeug zur Geschmacksverfeinerung und manchmal auch ein Streitpunkt unter Weinliebhaber:innen. Von seiner Entstehung als simples Transportfass bis hin zum hoch geschätzten Qualitätsmerkmal hat das Barrique eine erstaunliche Reise hinter sich.
Ob du nun ein Fan von Barrique-Weinen bist oder eher die „puren“ Varianten bevorzugst, eines ist sicher: Das kleine Eichenfass hat die Weinwelt nachhaltig verändert. Es hat Winzer:innen neue Möglichkeiten eröffnet, Weine zu gestalten und zu verfeinern. Es hat unzählige Diskussionen ausgelöst und Weinliebhaber:innen in aller Welt begeistert (und manchmal auch verärgert).
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