Der Wein, die Flasche und die Form – ein Exkurs
Jeder, der Wein lagert, wird seine Flaschen höchstwahrscheinlich auch stapeln. Und dabei regelmäßig still und leise in sich hineinfluchen. Nämlich immer dann, wenn die kostbaren Weine wieder mal wackeln oder sich die edlen Tropfen erst gar nicht vernünftig auftürmen lassen. Der Grund: die unterschiedlichen Formen einer Flasche. Ob nun Burgunder, Bordeaux, Schlegel oder Bocksbeutel. Was folgt, ist ein kleiner Ausflug in die Welt der Weinflaschenformen.
Für uns sind Glasflaschen eine Selbstverständlichkeit. Aber denkt euch mal ein paar Jahrhunderte zurück. In eine Zeit, in der Weinflaschen zwar schon “erfunden” waren (hey, selbst die antiken Römer nutzten bereits mundgeblasene Flaschen), sich aber eben noch nicht “serienmäßig” durchgesetzt hatten. Damals wurden Weine in Fässern und großen Holzbottichen gelagert und transportiert. Die konnten harzig sein. Und sonstige Rückstände haben, die ziemlich auf den Geschmack gingen. Zugesetzter Zucker war wohl ein probates Mittel dagegen. Unter anderem.
Kurzum: Damals hatte Schaumwein keine Chance – und Wein, wie wir ihn heute kennen, gab es auch nicht. Das änderte sich erst Anfang des 19. Jahrhunderts dank der Industrialisierung. Die Vorteile von Glasflaschen liegen auf der Hand: sie sind geschmacks- und geruchsneutral, können viel luftdichter verschlossen werden (diesem Thema widmen wir uns ein anderes Mal) und sind auch noch stabiler. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Flaschenformen durchgesetzt. Ich drösel das mal für euch auf.
Die Burgunder-Flasche
Kaum konnten Glasflaschen massenweise produziert werden, gab es eine Form, die im 19. Jahrhundert vor allem von Winzern im Burgund genutzt wurde – und die dadurch zu ihrem Namen kam. Die Burgunder-Flasche. Ihre bauchige Form mit den geschwungenen Seiten (man sagt auch, dass sie “abfallende Schultern” hat) war besonders einfach zu produzieren. In ihr wurden – wie sollte es in der Bourgogne auch anders sein – hauptsächlich Pinot Noir und Chardonnay abgefüllt.
Als diese beiden Rebsorten ihren Anbausiegeszug rund um die Welt antraten, nahmen sie die Burgunder-Flasche mit. Bestes Beispiel ist da der deutsche Spätburgunder. Um nur mal eins von vielen, vielen Beispielen zu nennen. Wobei in Südfrankreich auch viele andere Weine in diese Flaschenform kommen. Und macht man einen Barolo oder einen Barbaresco auf, dann gießt man ihn auch aus einer Burgunder-Flasche ins Glas.
Die Bordeaux-Flasche
Den Siegeszug der Burgunder-Flasche konnten die Winzer des Bordelais natürlich nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Konkurrenz verpflichtet ja irgendwie. Das Ergebnis: die Bordeaux-Flasche. Sie ist nicht bauchig, hat dafür aber ganz eindeutig “Schultern”. Wofür die gut sind? Da gehen die Meinungen auseinander. Einige Experten sind davon überzeugt, dass sie dazu dienen, das Depot, das nach Jahren der Lagerung entsteht, beim Dekantieren aufzufangen.
Andere wiederum denken, dass diese Schultern vor allem der optischen Abgrenzung zur Burgunder-Flasche dienen. Sinn ergibt beides. Fest steht lediglich, dass sie Schultern inzwischen auch noch einen anderen Zweck haben. Denn wenn bei Auktionshäusern sehr alte Weine unter den Hammer kommen, wird deren Füllstand klassifiziert: “mid-shoulder”, “top-shoulder” und “into neck”.
Für die meisten Appellationen des Bordelais ist die Bordeaux-Flasche inzwischen zwingend vorgeschrieben. Selbiges gilt übrigens auch für einen Brunello di Montalcino: kein DOC-Status ohne Schultern! Auch ohne Zwang und gesetzliche Vorgaben kann man diese Schultern aber sehr, sehr häufig finden. Denn die Bordeaux-Flasche ist die häufigste Form weltweit, wenn es um Wein geht. Was nicht zuletzt daran liegt, dass man sich auch hier an den Rebsorten orientiert: Merlot und Cabernet Sauvignon etwa. Um nur mal die “Big Two” zu nennen.
Die Schlegelflasche
Kommen wir zu einer Flaschenform, die in Deutschland ihren Ursprung hat: der Schlegelflasche, auch Hochflasche genannt. Sie wurde entwickelt, um während des Schifftransports über den Rhein Platz zu sparen. Zwar sind die Schlegelflaschen etwas fragiler als Bordeaux-Flaschen, aber das machte schon damals nichts. Denn so eine Fahrt auf dem Rhein ist nun mal wesentlich ruhiger und sicherer als über die See zu schippern.
Mit der Schlegelflasche verbindet man vor allem eine Rebsorte: Riesling. Da ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Hochflaschen für Riesling von der Mosel zum Einsatz kamen. Und für Riesling aus dem Elsass. Hier ist die Flaschenform übrigens derart populär, dass inzwischen fast alle Weiß- und auch Rotweine in ihr abgefüllt werden.
In Deutschland indes machte man sich früher daran, anhand unterschiedlicher Glasfarben Riesling von Rhein und Mosel voneinander zu unterscheiden. Die vom Rhein kamen in braune Schlegelflaschen, während die Winzer von der Mosel grünes Glas für ihren Riesling nutzten. Inzwischen wird diese Tradition aber kaum noch gepflegt.
Der Bocksbeutel
Kaum eine andere Flaschenform ist derart tief mit einer Region verwurzelt wie der Bocksbeutel. Da denkt man doch direkt an Franken – und natürlich an Silvaner. 1728 wurde diese Form, die an das Äußere einer klassischen Feldflasche angelehnt ist, entworfen. In ihr wurden die beste Weine des Würzburger Bürgerspitals abgefüllt, um so ein Zeichen gegen die damals allgegenwärtige Weinpanscherei zu setzen.
Es gibt zwei Theorien, wie der Bocksbeutel zu seinem Namen kam. Zum einen ist es möglich, dass er sich von “Booksbeutel” ableitet. Das ist Niederdeutsch und bedeutet “Bücherbeutel”. Wobei der Name aber auch von “Bokesbudel” („Ziegenhoden“) kommen kann.
Seit 2015 gibt es eine modernisierte Form des Bocksbeutels, die von dem Designer Peter Schmidt entworfen wurde. Bei ihr sind die Kanten der Flasche eckiger. Einige Winzer können mit diesem kantigen Bocksbeutel nicht viel anfangen und bleiben bei der runderen, eleganteren Form. Paul Weltner zum Beispiel. Markus Schmachtenberger hingegen bevorzugt das neue Design, weil es eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne ist.
Dabei haben die Franken mit dem eckigen Modell jetzt endlich ihr Alleinstellungsmerkmal, das ihnen 1983 vom Europäischen Gerichtshof noch verwehrt wurde. Denn der Bocksbeutel ist auch in Portugal eine sehr beliebte Weinflaschenform. Die fränkischen Winzer forderten damals Markenschutz. Vergeblich.
Die Champagner-Flasche
Im Grunde genommen ist die Champagner-Flasche eigentlich nur eine Sonderform der Burgunder-Flasche. Sie ist dickwandiger, damit sie dem höheren Druck standhalten kann, der durch die Kohlensäure kommt. Traditionelle Flaschengärung und so. Außerdem hat sie, wie übrigens auch die Bordeaux-Flasche, eine konische Vertiefung am Flaschenboden, die man “Culot de Bouteille” nennt. Auch hier gibt es wieder mal verschiedene Theorien rund um Sinn und Zweck dieser Vertiefung.
Während sie für die einen einfach nur eine Art “Ausschenkhilfe” ist (es sieht halt mächtig elegant und nobel aus, wenn der Kellner im Restaurant den Wein/Schaumwein dadurch mit nur einer Hand einschenken kann), betonen andere wiederum, dass dadurch die Flasche selbst viel stabiler ist. Was stimmt. Da der Druck gleichmäßiger verteilt wird.
Außerdem ist die Culot de Bouteille historisch gewachsen. Denn die Weinflaschen wurden im 19. Jahrhundert ja mit dem Mund geblasen – und zwar auf einem sich drehenden Stab. Zack, schon war die Mulde da. Wobei es ganz genau einen Champagner gibt, der diese konische Vertiefung nicht hat. Der Roederer Cristal. Das Warum erzähle ich euch in einem anderen Text.
Andere Flaschenformen für Wein
Ich habe euch hier die gängisten Formen für Weinflaschen beschrieben. Aber natürlich gibt es noch viele, viele weitere. Die Tokayer-Flasche etwa ist weiß und hat einen abgesetzten Hals. Die Clavelin hat eine gedrungene Form. Sie wurde speziell für den Vin Jaune entwickelt. Seit den 1990er-Jahren wird die Rheingauer Flöte vom Rheingauer Weinbauverband vermarktet. Sie ist sehr schlank, hat eine dunkelblaugrüne Farbe und ist etwas höher als übliche Weinflaschen. Sie geht auf die Form der Rheingau-Flasche zurück, die um 1900 aufkam.
Neben speziellen Flaschen für Portwein, Sherry und Co. – nicht zu vergessen die legendären Korbweine – gibt es zum Beispiel auch noch die Sachsenkeule: eine grüne Flasche in Keulenform. Sie wurde bereits 1931 entworfen, aber auch erst in den 1990er-Jahren verstärkt propagiert, um den Lokalstolz auf die Weine zu pushen. Nur dass sie kaum ein sächsischer Winzer aufgrund ihrer geringen Standfestigkeit verwendete.
Ebenfalls seit 1990 hat auch Kalifornien eine eigene Flaschenform. Sie hat ein verbreitertes Halsende und wird ohne Kapsel verkauft. Ich könnte jetzt noch ewig so weitermachen. Denn die Formvielfalt in der Weinwelt ist tatsächlich enorm. Meiner Meinung nach ist man aber schon echt gut bedient, wenn man sich mit den häufigsten Formen ein wenig auskennt. 😉
Copyright Titelbild: ©Markus Spiske/Pixabay
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Schöne Zuaammenfassung, vielen Dank!
Sehr gerne!