Herbstliche Weinberge im Elsass

Elsass: Weinregion mit wechselhafter Vergangenheit

Kaum ein anderes Weinanbaugebiet der Welt wechselte so häufig die Nationalität wie das Elsass. Aber egal, ob unter deutscher oder französischer Flagge, die elsässischen Weine sind unverkennbar eigenständig. Was nicht zuletzt an den sehr speziellen geografischen Begebenheiten liegt.

Wie eine Perlenschnur windet sich das Elsass gut 100 Kilometer von Mulhouse über Colmar nach Straßburg zwischen den Vogesen und dem Rhein entlang. Während die Gebirgskette dafür sorgt, dass Wolken und damit auch Regen höchst seltene Besucher sind, bringt der Rhein erfrischend leichte Brisen mit. Und verstärkt mit seinen Reflexionen die intensive Sonneneinstrahlung. Das kühle Kontinentalklima wird hier also bestens ausgeglichen. Allein Dürre und Bodenerosionen sind derzeit große Probleme, mit denen die Winzer zu kämpfen haben. Wobei sie aber schon wissen, dass sie mit einem fantastischen Wetter gesegnet sind, das ideal für biologischen und biodynamischen Weinbau ist. In keiner anderen Weinregion ist die Dichte an Bio-Winzern so groß wie im Elsass. Ohne die inzwischen immer häufiger zu besorgten Blicken führende Trockenheit wäre das so nicht möglich.

Elsass: Böden und Appellationen

Hinzu kommt dann noch die erstaunliche Geologie des Elsass. Die 15.000 Hektar Rebfläche steht nämlich auf 13 unterschiedlichen Bodentypen. Für so ein kleines Anbaugebiet (nur mal als Vergleich: Bordeaux kommt auf 112.000 Hektar) ist das erstaunlich viel! Während man am Fuße der Vogesen vor allem Schiefer und Granit findet, dominieren am Rhein Mergel, Ton und Sand. Wobei das jetzt aber wirklich ziemlich grob heruntergebrochen ist. Denn tatsächlich kann sich in einigen Lagen der Boden bereits alle paar Meter signifikant ändern. Genau das ist ein Grund, warum die Weine aus einer einzigen Lage so höchst unterschiedlich schmecken können. Und warum die Qualitäten so variieren.

Wobei das vor allem etwas mit dem Grand-Cru-System zu tun hat. Die Einzellagen sind nämlich erstaunlich groß. Damit kann es nicht DIE eine Qualität aus eben dieser oder jener Lage geben. Deswegen arbeiten viele Winzer gerade mit Hochdruck daran, dass die Lagen genauer definiert und verkleinert werden. Womit jetzt vielleicht der Eindruck entstehen könnte, dass das Elsass von seinen Grand-Cru-Weinen geprägt wird. Dem ist nicht so.

Blick auf die Gand Cru Lage Zinnkoepfle im französischen Elsass
Eine sehr beliebte Grand-Cru-Lage im Elsass: Zinnköpfle. © Zvardon/Conseil Vins Alsace

Denn diese Gewächse machen gerade einmal vier Prozent der Gesamtproduktion aus. Der Löwenanteil wird tatsächlich von der AOC (Appellation d’Origine Contrôlée) d’Alsace produziert. Also der generischen geschützten Herkunftsbezeichnung. 21 Prozent macht dann noch die AOC Crémant d’Alsace aus – aber dazu später mehr. Damit das AOC-Quartett komplett ist, sei an dieser Stelle dann natürlich auch noch Klevener de Heiligenstein erwähnt. Diese Appellation ist eine kleine Elsass-Besonderheit. Denn hier ist  Savagnin Rose, eine Mutation des Savagnin, die einzige zugelassene Rebsorte. Diese Traube spielt im Rest des Elsass so gut wie keine Rolle.

Ganz viel Frankreich – und ein wenig Deutschland

Bevor wir aber zu den gängigen Rebsorten im Elsass kommen, wenden wir uns der wechselhaften Geschichte des kleinen Anbaugebiets zu. Denn diese sollte man auf dem Schirm haben, um die Weine besser zu verstehen. Weinbau sollen hier bereits die Kelten im vierten Jahrhundert vor Christus betrieben haben. Nur ist das leider nicht belegt. Die ersten Dokumente finden sich indes von den Römern, die hier im zweiten Jahrhundert Reben pflanzten. Danach kamen die Germanen und schließlich die christlichen Orden. Damit hat das Elsass eine typisch europäische Weinbaubiografie. Den Mönchen der unterschiedlichen Orden war es dann im neunten Jahrhundert zu verdanken, dass die Rebfläche im Elsass rasant wuchs. Nämlich auf über 30.000 Hektar. Warum davon nur 15.000 Hektar übrig geblieben sind? Nun, zuerst gab es Kriege, dann kam die Reblaus und schließlich kamen noch mehr Kriege.

Womit wir jetzt beim Geschichtsknackpunkt wären. Über 900 Jahre lang gehörte das Elsass zu Deutschland, dann zu Frankreich, um zunächst wieder auf die deutsche und nach dem Ersten Weltkrieg dann final auf die französische Seite zu wechseln. Genau dieses Hin und Her hat zu einem gewissen Kulturenmix geführt. Winzer wie Weine hatten und haben zwar seit jeher eine französische Seele, aber auch das Deutsche hat eben seine Spuren hinterlassen. So ist das Elsass zum Beispiel die einzige Weinregion Frankreichs, in der man in der Regel die Rebsorte prominent vorne auf dem Etikett abgedruckt findet. Und auch der Hang, Weine reinsortig auszubauen, ist dann doch eher deutsch als französisch.

Rebsorten im Elsass

Mal ganz davon abgesehen, dass auch zwei Rebsorten nach wie der deutschen Vergangenheit zuzuordnen sind. Nämlich Riesling und Silvaner. Wobei es da einen gewaltigen Unterschied gibt. Denn Riesling gehört im Elsass zu den vier “edlen” Rebsorten. Silvaner nicht. Das “edel” bezieht sich hier allerdings nicht auf die Wertigkeit der jeweiligen Rebsorte, sondern darauf, dass eben nur vier bestimmte Rebsorten in Grand-Cru-Lagen angebaut werden dürfen. Neben Riesling sind das Gewürztraminer, Pinot Gris (Grauburgunder) und Muscat. Nicht edel, aber trotzdem äußerst beliebt sind auch Pinot Blanc (Weißburgunder) und eben Silvaner. Letzterer wird übrigens im Elsass Sylvaner geschrieben. Chardonnay und Chasselas (Gutedel) sind ebenso vertreten.

Und dann gibt es natürlich auch noch Auxerrois – neben Weißburgunder wohl die beliebteste Traube, wenn es um den Crémant d’Alsace geht. Fun Fact: einen Grand-Cru-Crémant aus dem Elsass findet man zwar, aber er ist extrem selten. Die Gründe dafür sind denkbar einfach. Denn wenn man Lagenweine nicht reinsortig ausbauen will, braucht man dafür im Elsass vorab eine Genehmigung. Gut, es gibt natürlich reinsortige Crémants d’Alsace. Nur bestehen diese in der Regel zu 100 Prozent aus Pinot Blanc. Und diese Traube gehört wiederum nicht zu den vier edlen Cru-Rebsorten …

Da muss es also schon Riesling, Gewürztraminer, Grauburgunder oder Muscat sein. Das ist schon alles ein wenig tricky. Aber es kann auch hilfreich sein, um die Qualitäten einzuordnen. Denn nach wie vor ist es im Elsass nun mal so, dass die hochwertigsten Weine reinsortig sind. Cuvées bilden meist eher die schlichteren Qualitäten ab. Und noch ein Fun Fact: Cuvées werden im Elsass auch gerne mal unter dem Namen Edelzwicker ausgeschenkt oder verkauft. Da haben wir sie also wieder, die deutsche Vergangenheit!

Verschlafenes Dorf im Elsass im Morgennebel
Typisch romantischer Elsass-Anblick. ©Zvardon/Conseil Vins Alsace

Superstar Riesling

Du ahnst es vielleicht schon: Das Elsass ist Weißweinland. Sage und schreibe 90 Prozent sind mit weißen Rebsorten bestockt. Im roten Bereich dominiert Pinot Noir (Spätburgunder), der hier leichtfüßige und meist unkompliziert fruchtige Rot- und Roséweine hervorbringt. Rotweine spielen im Elsass aber nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle – auch wenn einige Winzer das inzwischen ändern möchten. Was aber noch ein laaaaaanger Weg ist. Starten wir also das Kontrastprogramm und wenden uns der meistgepflanzten Edelrebsorte im Elsass zu. Riesling. Dieser hat mit den deutschen Pendants nämlich eigentlich nur den Namen gemein. Rieslinge aus dem Elsass haben eine festere Struktur, sind viel üppiger und intensiver. Und haben auch noch einen höheren Alkoholgehalt. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn im Elsass ist der Herbst meist sehr trocken und sonnig. Dadurch können die Trauben länger am Stock hängen als in Deutschland. Und das wiederum bedeutet, dass die Beeren ein höheres Mostgewicht haben. Sprich: sie sind süßer. Mehr Zucker bedeutet eben auch mehr Nahrung für die Hefe während der Gärung. Voilà: mehr Alkohol. 

Wobei Riesling hier auch eine schöne Restsüße haben kann. Vor allem, wenn es um die Spätlesen geht. Bei den Grand-Cru-Weinen verhält es sich allerdings wie bei den Großen Gewächsen in Deutschland. Sie müssen trocken ausgebaut sein. Anders als in Deutschland sind die Restzuckerstufen im Wein allerdings nicht geregelt. Der Süßegrad muss schlicht und ergreifend nicht angegeben werden. Man muss als Weinliebhaber also leider mit der Stilistik eines Weinguts vertraut sein, um den Süßegrad einigermaßen gut einzuschätzen. Aber auch an diesem Manko wird derzeit fieberhaft im Elsass gearbeitet. Ausgebaut wird Riesling hier übrigens traditionell in großen und gebrauchten Holzfässern. Das gibt den Weinen noch mal das Extra an Struktur und kann auch für einen schönen Schmelz sorgen. Moderne Rieslinge sehen indes auch hier fast nur noch den Edelstahltank beim Ausbau.

Edle Rebsorten im Fokus

Eine große Elsass-Spezialität ist Gewürztraminer. Dank seines vollen Körpers und der beinahe schon öligen Struktur sowie den intensiven Nuancen von Rosenblüten, Litschi und süßen Backgewürzen ist ein Gewürztraminer aus dem Elsass meistens sofort zu erkennen. Für mich persönlich ist er ein idealer Speisenbegleiter. Nicht nur zu aromatischen Käsesorten wie Munster, sondern auch zu Curry-Gerichten. Hier sollte es allerdings nicht zu scharf zugehen. Denn elsässischer Gewürztraminer hat meist einen hohen Alkoholgehalt. 14 Volumenprozent sind hier durchaus gängig. Je präsenter der Alkohol ist, desto milder sollte das Curry sein, damit es im Mund nicht zu sehr brennt. Mein Geheimtipp: Gewürztraminer zur Linsensuppe. Ein Gedicht! Und wenn ich einen reinen Weißweintrinker vor mir habe, dann schenke ich auch schon mal Gewürztraminer ein, wenn es Ente oder Lamm gibt. 

Nicht minder üppig kann übrigens auch Pinot Gris aus dem Elsass sein. Vor allem, wenn er aus einem Grand Cru stammt. Hier ist vor allem die delikate Honig-Note, die die Rebsorte schnell entwickelt, sehr prägend. Wie anders kommt doch da die vierte andere Edelrebsorte daher! Muscat-Weine sind per se schlank und leichtfüßig. Aber eben auch aromatisch. Die Anklänge von Rosenblüten und Orangen setzen sich meist sehr gut durch. Trotzdem ist Muscat im Vergleich zu Riesling, Gewürztraminer und Pinot Gris ein etwas leiserer Vertreter der Elsass-Weine.

Blick von einem Weinberg in ein Tal im Elsass bei Sonnenuntergang
Blick von der Gand-Cru-Lage Katzenthal. © Vuano/Conseil Vins Alsace

Die süße Elsass-Seite

Wenn man sich mit den Weinen aus dem Elsass beschäftigt, lohnt es sich sehr, auch die süßeren Varianten auf dem Schirm zu haben. Den Anfang machen hier die Vendanges Tardives, die mit dem deutschen Prädikatswein Spätlese vergleichbar sind. Diese Weine dürfen ausschließlich aus den vier edlen Rebsorten bereitet werden. Und es gibt noch einen Unterschied zu Deutschland. Hierzulande sind die Beeren zum Teil ja von Botrytis (Edelfäule) befallen, was zu einem sehr eigenen und vor allem verführerischen Süßegeschmack führt. Für Botrytis braucht es aber einen feuchten Morgen und einen sonnigen Mittag und Nachmittag im Herbst. Und zwar mehrere Tage hintereinander. Sonne ist nicht so das Problem im Elsass. Feuchtigkeit indes schon. Botrytis ist hier also ein selten gesehener Gast. Deswegen dürfen die Beeren für die Vendanges Tardives zum Teil am Rebstock trocknen. Das ersetzt zwar nicht den Botrytis-Geschmack, bringt aber eine sehr tiefe Aromatik in die Weine.

Botrytis ist hingegen Pflicht bei den sogenannten Edelbeerenauslesen, die man auch unter dem Namen Sélection de grains nobles kennt. Die Trauben müssen einen besonders hohen Zuckergehalt haben, bevor sie gelesen werden dürfen. Und dieser kann nur durch Edelfäule erreicht werden. So eine Edelbeerenauslese ist also eine echte Rarität aus dem Elsass – und dementsprechend teuer.

Männerhand hält eine Traube mit Botrytis-Befall
Ein seltener Anblick im Elsass: Botrytis. © Hecht/Conseil Vins Alsace

Elsass: Moderner als sein Ruf

Neben Bodenerosion und Trockenheit muss das Elsass übrigens mit noch einer weiteren Sache kämpfen. Dem angestaubten Image. Fachwerkhäuser, mit kitschigen Motiven versehene Holzfässer, verschlafene Dörfer, altmodische Wandbemalungen und die ewigen Reben und Trauben aus Metall als Verzierung an Gaststätten, dazu dann noch die Elsass-Weingläser mit ihrem trutschigen grünen Stiel und dem viel zu kleine Kelch … Ja, das Elsass ist optisch etwas aus der Zeit gefallen. Fachwerk und geschnitzte Holzfässer gehören halt einfach dazu. Ebenso wie die verschlafenen Dörfer. Zum Glück mendeln sich die Elsass-Weingläser und die Rebverzierungen aber immer mehr aus. Denn tatsächlich ist das Elsass viel moderner, als man es auf den ersten Blick glauben mag.

Da gibt es zum Beispiel die Terroir-Spezialisten, die ihre Plots separat vinifizieren und auf den Markt bringen. Oder die Naturwein-Enthusiasten, die ihre Weine so unverfälscht wie nur möglich auf die Flasche bringen. Selbst im Schaumwein-Bereich hat sich eine Menge getan. Auch hier trauen sich immer mehr Winzer, die Hefelagerzeit zu verlängern – und verzichten dann sogar auf eine Versanddosage. Es gibt Weingüter, die wollen weg von den sortenreinen Gewächsen, andere wiederum machen sich dafür stark, dass die Crus endlich besser und vor allem strenger definiert werden. Noch nie war das Elsass derart umtriebig wie jetzt. Vor allem bei den kleineren Weingütern und den jüngeren Winzern kann man da auf echte vinophile Perlen stoßen. Ein genauerer Blick gen Elsass lohnt sich also allemal.

Copyright Titelbild: © Zvardon/Conseil Vins Alsace

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.

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