Nicole Tomberg: Ein Grauburgunder aus Deutschland ist kein „burgundy“
In dieser Interviewreihe kommen Frauen aus der Weinbranche zu Wort. Heute unterhalte ich mit Englischtrainerin Nicole Tomberg darüber, wie sie Menschen dabei hilft, die Weinfachsprache auf Englisch korrekt anzuwenden.
Zu ihrer Berufung als Englischtrainerin ist Nicole Tomberg über einen Umweg gekommen. Dem Export. Nach zehn Jahren in diesem Bereich, spürte sie 2006, dass die Liebe zum Lehren und zur englischen Sprache sie am meisten im Leben antrieb. Also machte sie sich als Englischtrainerin mit ihrer Sprachschule Rhine Valley Institute in Mainz selbstständig.
Die Expertise war da: Neben ihrer fremdsprachengetriebenen Ausbildung verbrachte Nicole Tomberg circa 15 Jahre ihres Lebens mit englischsprachigen Partnern und Freunden, war sechs Monate in Südafrika und Australien unterwegs und liebt Großbritannien über alles. Parallel zu ihrer Arbeit als Englischtrainerin absolvierte Nicole Tomberg eine Weinfachausbildung. Dadurch bringt sie Wein und Englisch gekonnt zusammen. Über diese Symbiose unterhalte ich mich mit ihr in diesem Interview.
Wie kam es dazu, dass du Englisch und Wein miteinander verbunden hast?
Nicole Tomberg: Aufgewachsen in Krefeld war ich eher mit Bier vertraut, das bis heute nicht zu meinen Lieblingsgetränken zählt. Vom Export chemischer Produkte kam ich dann der Liebe wegen nach Bingen – und damit in die Exportabteilung einer der größten Export-Weinkellereien Deutschlands. Mit der Beziehung klappte es zwar nicht, aber ich fand in Bingen und schließlich im schönen Mainz eine neue Heimat. Die Spezialisierung Wein-Englisch ergab sich nach meiner Geschäftsgründung durch einen Vorschlag des Weiterbildungszentrums Ingelheim, ob ich nicht die Winzer dort schulen könnte. Seitdem reise ich in Weinanbaugebiete und schule vor Ort, gebe online Einzelunterricht und mache Übersetzungen. Außerdem, weil Wein so spannend ist, habe ich inzwischen die Qualifikationen WSET Level 3 und Befähigung als Sachverständige für Qualitätsweinprüfung erlangt.
Mit WSET Level 3 und als Assistent Sommelier (IHK) bist du dementsprechend auch Weinfachfrau. Wie wichtig ist es bei deinem Englischunterricht, dass du dich selbst mit der Materie so gut auskennst?
Nicole Tomberg: Wenn ich mir überlege, dass ich schon 23 Jahre in diesem Bereich bin und immer noch von jedem meiner Schüler etwas dazu lerne, ist das schon der Wahnsinn. Es ist ein tolles Kompliment, wenn Menschen mir sagen, dass wir ja wirklich auf Augenhöhe über weinbauliche, fachliche Themen sprechen können. Ich denke, das gibt meinen Teilnehmenden Vertrauen – und das stärkt die Freude an dem Lernen. Und es ist natürlich enorm wichtig, dass ich tiefergehende Fragen stellen und nachbohren kann, und dafür muss ich nun mal auch Weinexpertin sein.
Für welche Menschen im Weinbereich ist ein Englischtraining besonders nützlich?
Nicole Tomberg: Ich möchte beispielhaft einige nennen: die Winzerin, die ihre Weine bei der Hausmesse ihres Importeurs in London zeigen muss; die Familie, die nach Australien auswandern will, um dort ein Weingut zu führen; die Gästeführer, die ihre Führungen demnächst auch souverän auf Englisch machen möchten; Studierende der Internationalen Weinwirtschaft, die sich für ein Praktikum im Ausland bewerben und sich des technischen Vokabulars noch nicht so sicher sind; alle Menschen in der Weinindustrie, die internationalen Besuch erhalten und Verkostungen oder Betriebsbesichtigungen leiten möchten; jeder, der sich professionell auf der ProWein präsentieren möchte.
Wie sehen die Inhalte deiner Englischtrainings für Weinfachmenschen aus?
Nicole Tomberg: Der gesamte Herstellungsprozess vom Pflanzen der Rebe bis zum Ausschank und Sensorik wird auf Englisch erarbeitet. Wir diskutieren auch aktuelle Themen wie Bioweinbau, Piwis, entalkoholisierte Weine, Klimawandel oder neue Gesetze. Natürlich flechte ich auch Grammatik ein, wenn dies für den jeweiligen Teilnehmenden wichtig ist. Insgesamt versuche ich in meinen Seminaren, möglichst viel Fachvokabular in kurzer Zeit abzudecken, ohne den Unterricht zu einer Vorlesung werden zu lassen. Alle sind aktiv, alle steuern bei, was sie können, und beim Rest helfe ich. Übungen gibt es natürlich auch, zum Beispiel Rollenspiele und Diskussionen. Im Einzelunterricht ist sowieso jede Unterrichtsstunde individuell handgemacht.
Welche Stolpersteine gibt es, wenn man sich in Englisch statt in Deutsch über Wein austauschen möchte?
Nicole Tomberg: Da gibt es zum einen Übersetzungsfehler wie „Burgunderfamilie“, was nämlich nicht „burgundy family“ heißt, sondern „Pinot family“. Oder „citrus“ ist eben keine Frucht, sondern eine Gruppe oder Art von Früchten. Deswegen müssen wir immer „citrus notes“ oder „citrus aromas“ sagen. Auch das Wort „Sensorik“ ist nicht so leicht zu übersetzen. Man kann „sensory evaluation“ oder „sensory analysis“ verwenden, aber ein Weinsensorik-Seminar für private Kunden würde ich nie so nennen, sondern z.B. mit „wine appreciation seminar“ übersetzen.
Dann gibt es die Korrekturen, an denen sich die Geister scheiden. Ich denke, es ist falsch zu sagen: „This wine fits to Asian cuisine“. In der großen weiten Welt sagt das aber sicherlich irgendjemand so. Richtig wären: „This wine pairs well with Asian cuisine“ oder „This wine goes well with Asian dishes“ und Dutzende von anderen Variationen. Dann gibt es die unterschiedlichen Länder: Wir lehren „to harvest“ oder „to pick the grapes“ für das Lesen. In Australien kann man auch „to vintage“ sagen.
Und schlussendlich gibt es noch diskussionswürdige Einwürfe meinerseits, die für manche etwas provokativ zu sein scheinen. Ich denke, besonders im Hinblick auf Wine in Moderation sollte man auf keinen Fall auf Englisch (oder Deutsch) sagen: „This wine invites you to have another bottle“ (sowieso irgendwie nicht schön in der direkten Übersetzung). Oder „You can have this wine for breakfast“. Das sind tatsächlich alles Original-Aussagen von Teilnehmenden meiner Seminare. Ich denke, so kultiviert man keinen moderaten Weingenuss, und spreche das Thema dann auch im Unterricht an.
Manche Menschen verstehen Englisch sehr gut, haben aber Hemmungen, Englisch zu sprechen. Wie baust du diese Hürde ab?
Nicole Tomberg: Ich bin ein sehr freundlicher und positiver Mensch. Ich stelle recht schnell sehr gute Beziehungen zu meinen Teilnehmenden her. Im Seminar machen wir Kennenlernspiele (mit Konversation), damit alle sich ein bisschen mehr vertrauen können. Ich mache viele Scherze, oft auch mit britischem Humor gewürzt, wir lachen viel. Ich interessiere mich wirklich für den Menschen vor mir. Ganz ehrlich, in 99 Prozent der Fälle, in denen jemand Hemmungen hat und dies vor dem Unterricht ankündigt, kann ich ihn oder sie trotzdem leicht in ein Gespräch lenken. Mit der Zeit verlieren sich dann die Hemmungen. Für besonders schwere Fälle (Blockaden, die von schlimmen Erlebnissen herrühren) kann ich auch noch Empfehlungen für andere Experten geben, die sich mit dem Lösen von Blockaden gut auskennen.
Du sitzt mit deiner Sprachschule Rhine Valley Institute in Mainz. Könnte ich auch als Hamburgerin ein Englischtraining bei dir buchen?
Nicole Tomberg: Na klar, das klappt doch mit den heutigen Videotools wunderbar online. Und für Gruppenseminare reise ich gerne in ganz Deutschland herum und besuche die Menschen vor Ort. Vom Bodensee bis Freyburg/Saale war schon alles dabei.
Wie darf ich mir so einen Englischkurs bei dir eigentlich vorstellen?
Nicole Tomberg: Wenn wir jetzt über Einzelunterricht sprechen, dann würden wir uns erst einmal telefonisch kennenlernen, ein bisschen Englisch sprechen und deine Wünsche und Ziele abstecken, vielleicht auch deine zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten. Und dann geht es los. Über die nächsten Stunden würde ich sehr viel über dich erfragen, um dich zum Sprechen zu verleiten. Dabei würde ich herausfinden, wo deine Schwächen liegen. Ab der ersten Stunde würden wir an deinen Zielen und Schwächen arbeiten und dabei alle Sinne bedienen: hören, sehen, lesen, schreiben, sprechen. Immer mit für dich relevanten Materialien und immer mit einem echten Austausch (es sei denn, wir machen gerade ein Rollenspiel).
Mit welchen Kosten muss ich rechnen, wenn ich einen Englischkurs mit dem Themenschwerpunkt Wein bei dir buche?
Nicole Tomberg: Das kann ich so genau nicht sagen. Es kommt darauf an, wie viele Stunden du benötigst, um deine Themen durchzuarbeiten. Ich habe auch jemandem schon mal nur drei Stunden lang geholfen. Ich mache gerne individuelle Angebote, nachdem ich mit dem Interessenten gesprochen habe.
Du bist ja auch Dozentin an der Sommelierschule in Koblenz. Was machst du da genau?
Nicole Tomberg: Dort wird ein Seminar angeboten, das aus drei Tagen besteht, wobei man auch nur ein oder zwei Tage buchen kann. Dieses Seminar ist sehr intensiv und richtet sich an Sommeliers und WSET-Aspiranten – besonders auch solche, die vielleicht Level 4 machen möchten, denn diese Ausbildung gibt es ja nur noch auf Englisch.
Eine letzte Frage noch, liebe Nicole Tomberg. Wenn du dich zwischen Englisch und Wein entscheiden müsstest, wer würde gewinnen?
Nicole Tomberg: Das Englischtraining, denn das ist meine Berufung. Da müsste aber schon einiges passieren, dass ich eins von beiden aufgeben würde.
Copyright Titelbild: © Nicole Tomberg
*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung von Nicole Tomberg wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.
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