Lodi: Kaliforniens Wein-Reichtum aus dem Hinterland
Mit dem kalifornischen Weinbaugebiet Lodi verbindet man ja vor allem kräftige Zinfandel-Rotweine von uralten Reben. Aber die Region hat tatsächlich noch viele weitere Facetten. Machen wir mal eine vinophile Reise ins Hinterland von Kalifornien.
Wer denkt, dass das Herkunftssystem für Weine in Frankreich kompliziert ist, der sollte besser keinen Blick auf die geschützten Ursprungsbezeichnungen in den Vereinigten Staaten werfen. Denn hier ist die Herkunft von Weinen mindestens ebenso kleinteilig. Nur eben in größeren Dimensionen. Lodi ist da ein super Beispiel. Man mag ja meinen, dass Lodi eine Unterregion in Kalifornien ist. So wie eben auch Napa, Sonoma oder Monterey und Mendocino. Was aber nur oberflächlich betrachtet richtig ist. Denn Napa, Sonoma und so weiter sind allesamt Counties, in denen es dann wiederum sogenannte American Viticulture Areas (AVA) gibt. Wie halt Napa Valley der Sonoma Valley, um mal bei den beiden bekanntesten AVAs zu bleiben, die ja nichts anderes als geschützte Ursprungsbezeichnungen sind. Also quasi das Äquivalent zur französischen Appellation.
Generell teilt man den kalifornischen Weinbau in vier Bereiche ein. An der North Coast findet man zum Beispiel Mendocino, Napa und Sonoma. Im Bereich Central Coast liegen etwa Monterey, Paso Robles oder San Luis Obispo. In Southern California sind wohl die Anbaugebiete Los Angeles, San Bernardino und San Diego am bekanntesten. Und dann gibt es eben noch das Hinterland, die sogenannten Inland Valleys, wo eben auch Lodi zu finden ist.
Nur, dass Lodi halt kein County ist. Denn das Anbaugebiet liegt wiederum in einem. Beziehungsweise zweien. Nämlich Sacramento County und San Joaquin County. Und genau in diesen beiden Counties findet man dann die Lodi AVA zwischen Sacramento und Modesto. Uff. Also nix mit eigenem County und so. Aber es wird sogar noch komplizierter! Denn innerhalb der Lodi AVA findet man sieben weitere AVAs. Aber zu denen kommen wir später. Bei so viel Detailtiefe wird mir ja selbst schon während des Schreibens schwindelig. Zoomen wir also wieder etwas raus und entspannen uns ein wenig mit der Geschichte von Lodi.
Weinanfänge in Lodi
Im Gegensatz zu Monterey und Mendocino, wo der Weinbau mit den Missionaren begann, waren es in Lodi die Goldgräber, die während des Goldrausches (1848 bis 1854) die ersten Reben in den fruchtbaren Boden entlang des Mokelumne Rivers pflanzten. Wobei es auch schon vorher Wein gab. Allerdings eher in Form von wilden Reben, die überall an den Bäumen rankten. Es waren vor allem deutsche Einwanderer, die nicht nur nach Gold schürften, sondern eben auch Wein rund um die Stadt Lodi anbauten. Tja, was soll ich sagen? Der Goldrausch ging ziemlich schnell vorüber – die Reben blieben. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts fand zwar noch kein kommerzieller Weinbau in Lodi statt, aber trotzdem produzierten die Farmer fleißig Gewächse für den Eigenbedarf.
Eigenbedarf ist dann auch ein gutes Stichwort für den nächsten historischen Abschnitt. Nach dem Goldrausch dümpelte der Weinbau in Lodi ein paar Jahrzehnte vor sich hin. Und dann kam 1920 die Prohibition. Eigentlich hätte das Lodi in Sachen Wein den Todesstoß geben müssen. Wie in so ziemlich allen anderen kalifornischen Anbaugebieten. In Napa und Co. produzierte man nur noch Messwein oder eben ein paar Tropfen für den eigenen Konsum.
Dass es in Lodi trotzdem so etwas wie eine Weinindustrie gab, ist einem bestimmten Mann zu verdanken. Im Jahr 1922 ließ sich nämlich Cesare Mondavi in Lodi nieder. Du ahnst es vielleicht: Cesare war der Vater des legendären Robert Mondavi, der den kalifornischen Weinbau ein paar Jahrzehnte später maßgeblich prägen sollte. Cesare setzte den Grundstein dafür, indem er ab 1922 einen Großhandel für Weintrauben betrieb. Sein Trick: Er karrte die Trauben tonnenweise durch das ganze Land, damit Familien während der Prohibition ihren eigenen Wein herstellen konnten. Eigenbedarf eben.
Zinfandel und 124 weitere Rebsorten
Während die Farmer in anderen kalifornischen Anbaugebieten aufgrund der Prohibition Reben ohne Ende ausrissen und etwas anderes pflanzten, blieb die Rebfläche dank des florierenden Mondavi-Traubenhandels in Lodi konstant. Was noch einen weiteren Unterschied zur Folge hat. Denn es ist eben diesem Handel zu verdanken, dass man in Lodi noch bis zu 200 Jahre alte Zinfandel-Reben findet, die zum Teil sogar noch wurzelecht sind, weil die Reblaus wegen des sandigen Bodens nie über sie herfallen konnte.
Es sind diese “Old Vines Zinfandel”, die den Ruhm und das Prestige von Lodi begründeten, während alle anderen Anbaugebiete im kalifornischen Hinterland ja eher für ihre Massenproduktion verschrien sind. Die findet man natürlich auch in Lodi, was aber von den alten Zinfandel-Reben recht gut kaschiert wird. Und mal unter uns: Zinfandel aus Lodi mag berühmt sein, aber es wäre nicht besonders schlau, sich nur auf diese eine Traube zu fokussieren.
Denn in Lodi sind sage und schreibe 125 unterschiedliche Rebsorten zugelassen. Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Merlot, Sauvignon Blanc und Zinfandel dominieren in genau dieser Reihenfolge die 36.000 Hektar umfassende Rebfläche. Es gibt aber auch Albariño, Verdejo, Graciano oder Tempranillo, die spanische Einwanderer mitgebracht haben. Aus Portugal stammen etwa Touriga Nacional, Tinta Cão oder Souzão. Italienische Migranten steuerten Barbera, Sangiovese oder Vermentino bei. Kerner, Bacchus, Riesling und Dornfelder sind indes Deutschen zu verdanken. Und aus Frankreich kommen Cinsault, Viognier, Syrah, Tannat und noch mehr. Ganz schön multikulti!
Lodi: Klima und Böden
Generell ist das Klima in Lodi recht mediterran. Die Sommer sind oft extrem heiß. Was dann vor allem für rote Trauben mit dickeren Schalen wie Cabernet Sauvignon und Zinfandel ideal ist. Anders als am Mittelmeer kommt es in Lodi – wie eigentlich fast überall in Kalifornien – zu krassen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Was dann der Grund ist, warum auch weiße Trauben wie Chardonnay und Sauvignon Blanc hier sehr wohl eine Chance haben. Allerdings sind diese Weine dann um einiges intensiver und vollmundiger als ihre Geschwister von der Küste. Cool Climate ist hier nicht.
Für etwas Hitze-Erleichterung sorgt zum einen die leichte Brise, die von San Francisco herüberweht. Und natürlich die Flüsse. Neben dem Mokelumne River ist da noch der Calaveras River zu nennen. Die Flüsse waren zu Urzeiten auch für die Böden in Lodi entscheidend. Direkt an den Ufern ist nämlich noch jede Menge fruchtbares Schwemmland zu finden. Wobei der Großteil des Terroirs von sandigem Lehm geprägt ist. Dieser Lehm ist oft mit sehr großen Kieselsteinen vermischt. Dadurch sieht es in Lodi gerne mal so aus wie in der Rhône-Appellation Châteauneuf-du-Pape in Frankreich.
Lodi einmal aufgedröselt
1986 wurde aus Lodi eine AVA. Mit allem, was dazugehört: Feste, geografische Grenzen und eigene strenge Produktionsregeln. Um dem Terroir noch mehr gerecht werden zu können, teilte man 2006 die Lodi AVA in sieben weitere AVAs auf:
- Mokelumne River
- Jahant
- Cosumnes River
- Alta Mesa
- Clements Hills
- Borden Ranch
- Sloughhouse
Kleine Übersicht der AVAs
Generell ähneln sich die Böden und klimatischen Bedingungen in den sieben AVAs sehr. Ein paar Unterschiede gibt es dann aber doch. Bei der Mokelumne River AVA ist der Name Programm. Die 17.000 Hektar umfassende Rebfläche gedeiht in der Nähe des „Mighty Moke“, wie die Einheimischen den Fluss liebevoll nennen. Hier ist der Lehmboden besonders tiefgründig und hat damit eine ideale Drainage.
Mit „nur“ 3.600 Hektar Rebfläche ist Jahant die kleinste AVA in Lodi. Der Name leitet sich übrigens von Peter Jahant ab, der sich in den 1850er-Jahren in dem kleinen Städtchen Acampo niederließ. Hier dominiert besonders schwerer und dichter Lehm, der von Kieselschichten überlagert ist. Dadurch wurzeln die Reben nicht so sehr in die Tiefe, was durchaus ein Nachteil sein kann. Der Vorteil ist aber, dass der Boden Wasser gut zurückhält, wodurch Winzer weniger bewässern müssen. In Cosumnes River AVA findet man vor allem mäßig fruchtbare Schluffböden. Hier findet man auch noch viele Sumpf- und Feuchtgebiete. Ein wenig Lehm gibt es hier natürlich auch.
Noch mehr AVAs in Lodi
Alta Mesa bedeutet auf Spanisch so viel wie „hoher Tisch“, was die Landschaft in der AVA dann auch ganz gut beschreibt. Denn sie sieht tatsächlich wie eine hohe Tafel aus. Der Lehmboden hier ist sehr rot, was an dem hohen Eisen- und Tonanteil liegt. Thomas Clements gründete 1857 seine eigene Gemeinde. Nach ihm ist dann auch die Clements Hills AVA benannt. Und ja, die Landschaft ist sehr hügelig. Hier findet man dann auch endlich die berühmten uralten Zinfandel-Reben, die ihre Wurzeln tief in den feinsandigen Lehmboden graben.
Da ist die Borden Ranch AVA (auf der Borden Ranch züchtete man ab 1864 Rennpferde und Rinder) mit ihrem steinigen Lehmboden fast schon ein wenig unspektakulär. Doch der Schein trügt, denn hier findet man Vulkanablagerungen, die gerne mal eine rauchige Note in die Weine bringen. Sloughhouse AVA hat einen rötlich schimmernden Lehmboden. Je weiter man hier nach Norden fährt, desto sandiger werden die Böden. Ideal für Zinfandel also.
Wenn Masse auf Klasse trifft
Du siehst: Lodi ist kleinteiliger als man auf den ersten Blick vermuten mag. Was aber auch irgendwie verständlich ist. Denn immerhin sind hier auch die Zentren von riesigen Kellereien, die nicht so sehr den Terroir-Gedanken fördern, sondern eher an Massenweine denken lassen. Die beiden bekanntesten Kellereien gehören Gallo und Constellation Brands. Erstere muss ich wohl nicht groß vorstellen. Aber Constellation Brands ist hierzulande vielleicht nicht ganz so bekannt. Zu diesem Unternehmen gehören inzwischen Weinmarken wie Robert Mondavi, The Prisoners Wine Company oder die Simi Winery. Wobei der Konzern auch in Europa agiert. Die Toskana-Marke Ruffino gehört zum Beispiel ebenso dazu. Und in Australien haben sie im Jahr 2003 die Hardy Wine Company übernommen. Aber zurück nach Lodi. Du siehst es: Hier ist eines der Epizentren für die Massenproduktion von kalifornischen Weinen. Da können auch die uralten, wurzelechten Zinfandel-Reben nichts ändern. 😉
Aber natürlich gibt es auch hier genügend wohltuende Ausnahmen von der Regel. Bei D’Art Wines steht zum Beispiel das Handwerk ganz klar im Vordergrund. Das Portfolio ist dementsprechend klein – und recht italienisch geprägt. Wobei natürlich Cabernet Sauvignon und Zinfandel nicht fehlen dürfen. Wenn du gerne mal etwas Außergewöhnliches im Glas hast, dann schau dir bei D’Art Wines mal den White Barbera an.
Weitere Familienweingüter
Wie D’Art Wines ist auch Dancing Coyote ein Familienbetrieb. Das Portfolio ist hier von Weißweinen geprägt. Die Rebsorten sind eine wilde Mischung. Albariño findet man hier ebenso wie Chenin Blanc, Falanghina oder Grünen Veltliner. Hier ist vor allem die „Wild“-Serie einen Probeschluck wert. Es muss ja nicht immer alles bis zur Perfektion poliert sein.
Und auch Heringer Estates ist ein reiner Familienbetrieb. Obwohl es die Farm bereits seit 1868 gibt, macht die Heringer-Familie erst seit den 1970er-Jahren Wein. Bei den weißen Gewächsen sind vor allem der Viognier und der Moscato erwähnenswert. Und bei den Rotweinen sind es der Aglianico und der Barbera. Wobei ich auch die Cuvée „Insieme“ recht interessant finde. Der Name kommt aus dem Italienischen und bedeutet „zusammen“. Im besten Supertoskaner-Stil tummeln sich hier Teroldego, Primitivo, Tempranillo und Cabernet Sauvignon. Was für ein internationaler Verschnitt!
Lodis heterogenes Geschmacksprofil
Du siehst: Es muss nicht immer die Massenware aus Lodi sein. Abseits vom Zinfandel, der hier per se immer sehr kräftig und intensiv und mit viel Alkohol daherkommt, ist Lodi geschmacklich allerdings nur schwer zu fassen und in Schubladen zu stecken. Weil die Weine einfach sehr, sehr heterogen sind. Es gibt ihn also nicht, DEN Lodi-Stil. Aber genau das ist es letztlich, was die Region so spannend macht. Wenn man denn über den Zinfandel hinaus auf die Weine blickt.
Copyright Titelbild: © Stephanie Russo Photography/Lodi Winegrape Commission
*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.
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