Mendocino: Kaliforniens nördlichste Weinregion
Cool Climate ist das neue Zauberwort, wenn es um Wein geht. Weg von den schweren, marmeladigen Tropfen, hin zu kühlen und schlanken Gewächsen. Nun, im kalifornischen Mendocino County lassen sich beide Stilistiken finden.
Kalifornien gilt als Wein-Mekka schlechthin. Und tatsächlich: mit gut 900.000 Hektar Rebfläche und 17 Millionen Hektolitern Jahresproduktion, dominiert der Sunshine State die amerikanische Weinindustrie. Diese Masse geht oft auch einher mit Klasse. Nämlich immer dann, wenn man sich den handwerklich gemachten Weinen zuwendet. Hier sind vor allem zwei Regionen sozusagen in aller Munde. Nämlich Napa und Sonoma. Und das nicht erst seit dem berühmten Judgement of Paris, wo kalifornische Gewächse die französische Konkurrenz blass aussehen ließen. Das Problem: gerade die Ikonen aus Napa und Sonoma kosten inzwischen ein kleines Vermögen. Wenn man denn überhaupt an sie rankommt. Und an genau dieser Stelle kommt Mendocino County ins Spiel.
Denn rein vinophil betrachtet, sind die Weine aus Mendocino inzwischen eine prima Alternative zu den Kreszenzen aus Napa und Sonoma. Qualitativ stehen sie ihnen nicht nach, kosten oft aber nur einen Bruchteil. Weil sie eben noch so etwas wie ein Insider-Tipp sind. Allerdings einer, der sich immer mehr herumspricht. Was aber zeichnet die Weine aus Mendocino County aus? Welches Klima herrscht dort und welche Böden prägen den Weinbau? Und welche Rebsorten werden dort eigentlich kultiviert? Das alles schauen wir uns jetzt einmal genauer an.
Weinbauanfänge in Mendocino
Wenn es um Mendocino geht, regieren erst einmal die Superlative. Denn mit gut einer Million Hektar Land ist das County die größte kalifornische Region. Und die nördlichste, die direkt an Sonoma County anschließt. Keine Bange, so plakativ geht es jetzt nicht weiter. Denn tatsächlich stehen gerade einmal 7.000 Hektar in Mendocino unter Reben. Der Großteil der Landschaft (nämlich 60 Prozent) wird nach wie vor von Mammutbäumen geprägt, die hier seit vielen Jahrhunderten wachsen. Das wiederum sorgt für ein weiteres Superlativ. Denn hier steht mit einem 112 Meter hohen Küstenmammutbaum tatsächlich der größte Baum der Welt. Aber das nur am Rande. Zurück zum Wein.
Bereits Anfang der 1850er-Jahre wurden in Mendocino die ersten Reben gepflanzt. Allerdings nicht von Missionaren, wie es etwa in Monterey County der Fall war, sondern von italienischen Einwanderern, die hier vor allem rote Reben kultivierten während sie nach Gold suchten. Analog zur Subregion Lodi, übrigens. So richtig Schwung kam aber nicht in den Weinbau. Dafür war Mendocino einfach zu urwaldig. Und tatsächlich zu groß. Als der Gold Rush (1848 bis 1854) vorbei war und dann auch noch die Prohibition (1920 bis 1933) zuschlug, geriet Wein hier so gut wie in Vergessenheit. Das änderte sich eigentlich erst in den 1960er-Jahren, als Professor Albert J. Winkler von der Universität Davis ganz Kalifornien mit seinem Winkler-Index für den Weinbau klassifizierte. Und siehe da: die Küstenregion von Mendocino wurde von ihm der Klimazone I zugewiesen. Cool Climate par excellence sozusagen.
Roederer macht Mendocino cool
Doch, ach! Die ganzen Wälder! Während sich in Monterey, das noch besser auf dem Winkler-Index abschnitt, ein waschechter Weinbaum-Boom abzeichnete, war von dem vinophilen Aufschwung in Mendocino noch nicht viel zu spüren. Ja, es ließen sich ein paar ein Weingüter hier nieder. Nicht nur an der Küste übrigens, sondern auch im Quellgebiet des Russian River oder aber an den Gebirgshängen. Wirklich Fahrt kam aber erst in den Weinbau, als sich Anfang der 1980er-Jahre das Champagnerhaus Roederer in Mendocino niederließ und hier sein 200 Hektar umfassendes Weingut Roederer Estate gründete. Die Intention dahinter war klar: man wollte hier Schaumweine machen. Zuerst ging ein Raunen durch die Weinwelt, dann begann der Run auf die küstennahen Rebflächen.
Denn in der Tat findet man hier ein waschechtes Cool-Climate-Paradies. Dank des großen Pazifik-Einflusses ist es im Sommer nicht allzu warm – und auch die Winter sind recht mild. Pinot Noir und Chardonnay finden auf den Schwemmlandböden also ideale Bedingungen. Ähnlich sieht es auch an den beiden Flüssen Russian River und Navarro aus, die Mendocino County durchziehen. Der berühmte Russian River, der für hochqualitative Gewächse in Sonoma County sorgt, hat in Mendocino sein Quellgebiet. Seine Ufer sind von kiesigen Lehmböden geprägt. Auch hier sind Pinot Noir und Chardonnay Trumpf, allerdings lassen sich auch Sauvignon Blanc, Riesling, Gewürztraminer und Viognier finden.
Wo wächst was?
Rote Reben gedeihen an den Hängen und im Hinterland am besten. Hier ist der Pazifik-Einfluss dank einer Gebirgskette so gut wie gar nicht mehr spürbar. Dementsprechend ist es hier trockener und heißer. Ein wenig kann man das Klima mit dem der südlichen Rhône vergleichen. Neben Merlot, Cabernet Sauvignon und Zinfandel werden hier deswegen auch Syrah, Carignan und Grenache angebaut. Was dann schon ein wenig an eine andere Subregion in Kalifornien erinnert. Nämlich Lodi. Nicht zu vergessen, dass sich auch kleinere Anteile von Sangiovese und Barbera finden – eine kleine Reminiszenz der italienischen Einwanderer, die Mendocino County die allerersten Reben schenkten.
Je weiter man also ins Hinterland kommt, desto mehr rote Reben findet man. Stilistisch prägen die Cool-Climate-Gewächse sowie feine Schaumweine die Küste und ebenso kraftvolle wie üppige Rotweine die küstenfernen Weingärten. Was natürlich herrlich verallgemeinert ist. Einen genaueren Eindruck bekommt man, wenn man sich die 13 AVAs (American Viticulture Areas) in Mendocino County mal genauer anschaut. Also die geschützten Herkunftsgebiete, die mit dem französischen Appellationssystem vergleichbar sind. Nur, dass sich AVAs überschneiden oder auch in mehreren Counties liegen können. Die AVAs von Mendocino County sind in alphabetischer Reihenfolge:
- Anderson Valley
- Cole Ranch
- Covelo
- Dos Rios
- Eagle Peak
- McDowell Valley
- Mendocino Ridge
- Mendocino
- Pine Mountain-Cloverdale Peak
- Potter Valley
- Redwood Valley
- Ukiah Valley
- Yorkville Highlands
Zwei wichtige AVAs
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle AVAs genau zu betrachten. Aber ein paar davon möchte ich dann hoch hervorheben. Mendocino ist zum Beispiel die größte AVA des Gebiets. In ihr finden sich mit Anderson Valley, Cole Ranch, McDowell Valley, Potter Valley, Redwood Valley, Ukiah Valley und Yorkville Highlands gleich sieben andere AVAs. Was durchaus interessant ist – und vor allem einen genaueren Blick lohnt. Allein durch die schiere Größe bringt die Mendocino AVA eine enorme Bandbreite an Stilistiken hervor. Trumpf ist hier aber vor allem Zinfandel – flankiert von Syrah, Grenache, Carignan und Petite Sirah. Mit schönen Grüßen aus dem Hinterland.
Wirkliche Cool-Climate-Gewächse gibt es indes fast ausschließlich in der Anderson Valley AVA, wo der Pazifik-Einfluss noch deutlich spürbar ist. Das Anderson Valley gilt tatsächlich als das Pinot-Noir-Mekka Kaliforniens. Ein genauerer Blick auf die Gewächse von Weingütern wie Husch Vineyards (der älteste Betrieb vor Ort), Philo Ridge Vineyards oder Rhys Vineyards lohnt sich sehr. Selbiges gilt übrigens auch für Weine aus der Ukiah Valley AVA, durch die recht zentral der Russian River fließt. Hier gedeihen die ältesten Reben der Region, die sich dementsprechend tief in den Schwemmlandboden graben. Das Klima wird oft mit dem im Médoc verglichen. Cool Climate findet man also auch hier. Erwähnenswerte Weingüter sind unter anderem Fetzer Vineyards, McNab Ridge Winery (geht auf den Mendocino-Weinpionier John Parducci zurück) oder Rivino.
Mendocino Ridge und Cole Ranch
Es gibt noch zwei besondere AVAs in Mendocino County, die den Bogen zu den Superlativen vom Anfang spannen. Mendocino Ridge ist so zum Beispiel die einzige nicht zusammenhängende AVA in den Vereinigten Staaten. Nur Erhebungen von 365 Metern oder höher dürfen sich zu dieser AVA zählen. Alles darunter gehört dann entweder zur Mendocino AVA oder Anderson Valley AVA. Der Grund dafür ist schnell gefunden. Denn ab dieser Höhe spielt der kühlende Küstennebel keine Rolle mehr. Die Weinberge sind also dauerhaft der Sonne ausgesetzt. Nur ein paar Bäume spenden hier Schatten. Hier schlägt die große Stunde von Zinfandel, der erstmals von italienischen Einwanderern an genau solchen Hängen gepflanzt wurde. Bekannte Weingüter sind zum Beispiel Mariah Vineyards oder Murder Ridge Wines.
Cole Ranch hingegen ist die kleinste AVA, die die Vereinigten Staaten zu bieten haben. Gerade einmal 24 Hektar zwischen Russian River und Anderson Valley befinden sich hier unter Reben. Das Besondere: die komplette Rebfläche gehörte zunächst der Esterlina Winery. 2016 verkaufte das Weingut dann aber alles an den Winemaker Mike Lucia von Rootdown Cellars, der seitdem hier ausschließlich zwei unterschiedliche Rieslinge bereitet. Der einzige Wermutstropfen: an beide Gewächse kommt man in Europa nicht ran. Aber das gilt zum Glück nicht für alle Mendocino-Kreszenzen. Pinot Noir aus dem Anderson Valley findet man hier nämlich ebenso wie einige Schaumweine. In diesem Sinne: viel Spaß beim Probieren!
Copyright Titelbild: © Gary Kavanagh/iStock
*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben, noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.
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